Stille

Die Mystiker sprechen davon, dass in jedem von uns ein Raum der Stille ist, ob wir wollen oder nicht. Aber oft sind wir abgeschnitten von diesem inneren Ort. Es ist ein Raum des Friedens, des Lichtes und der Liebe. Dieser Raum ist in uns. Unsere Aufgabe ist es nur, in diesen Raum mit unserem Bewusstsein einzutauchen.

Wir können diesen Raum der Stille nicht immer spüren. Manchmal wird es uns in der Meditation geschenkt. Manchmal aber hilft allein die Vorstellung, dass unterhalb aller Gedanken und Gefühle, die in mir auftauchen, sobald ich in die Stille gehe, dieser Raum der Stille ist. Für mich ist es eine Hilfe, mich in die Stille zu setzen, etwa in eine stille Kirche oder auf einen Baumstamm in einem stillen Wald. Dann erahne ich, dass die Stille, die mich umgibt, auch in mir ist. Dann werde ich eins mit der Stille um mich herum. Und wenn ich eins bin mit der äußeren Stille, spüre ich auch in mir diesen stillen Raum, diesen „Ort Gottes“, diese „Schau des Friedens“.

Ein anderer Weg ist der Weg des Atems. Ich stelle mir vor, dass ich im Ausatmen durch alle Schichten meiner Seele in den Grund gelange. Der Ausatem geht durch den Ärger, durch die Unruhe, durch den inneren Lärm, durch die Selbstvorwürfe hindurch in den Grund der Seele. Und dort unterhalb aller Emotionen und Gedanken ist dieser Raum der Stille. Ich werde diese Stille immer nur für einen Augenblick ganz intensiv spüren. Dann werden die Gedanken wieder auftauchen. Aber dieser eine Augenblick der Stille verwandelt meine Selbstwahrnehmung. Ich spüre bei allem Lärm dieser Welt und bei aller Verantwortung, die ich für andere habe, immer wieder diesen Freiraum der Stille, zu dem die Menschen keinen Zutritt haben. Das ist für mich wohltuend, eine Tröstung, die ich nicht vermissen möchte.

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