Oscar RomeroKommentar: Selig der Geist

Dass Oscar Romero, der 1980 von Militärs ermordete salvadorianische Erzbischof, nun - verspätet - seliggesprochen wird, kann man als Gewissens-, Buß- und Umkehrakt der Kirche, des Vatikan deuten.

Dass der 1980 von Militärangehörigen ermordete salvadorianische Erzbischof Oscar Arnulfo Romero nun - verspätet - seliggesprochen wird, mag man auch als einen Gewissens-, Buß- und Umkehrakt der Kirche, ja des Vatikan deuten. Denn der geistliche Hirte der Hauptstadt des kleinen mittelamerikanischen Landes hatte es schwer, unter den politisch und gesellschaftlich Mächtigen wie in der Kirchenhierarchie Gehör zu finden. Romero war angefeindet als „Politisierer“, der mit seinen Forderungen sozialer Gerechtigkeit „kommunistischen“ Ideologen in die Hände spiele, die von Armee, Polizei und Diktator „geschützte“ nationale Sicherheit gefährde und die reiche Oberschicht verprelle, die doch für das Wohl des Staates sorge.

Im Nachhinein - nun besonders unter einem argentinischen Papst - wird deutlicher, wie sehr die Befreiungstheologie zur Entwicklung und zum Fortschritt der Völker Lateinamerikas beigetragen hat. Ist es wirklich nur Zufall, dass der „Vater“ jener Strömung, Gustavo Gutiérrez, nun im Vatikan redet und dass der „konservative“ Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, gerade mit diesem „Progressiven“ befreundet ist? Befreiungstheologisch wurde eben doch ein historischer Bewusstseinswandel eingeleitet. Dem konnten sich auch Eliten nicht völlig entziehen, jedenfalls die Nachdenklichen nicht, die einsehen, dass ihre eigene Zukunft abhängt von einer besseren Zukunft auch der Armen, Ausgegrenzten, Ausgebeuteten - all jener, die keine Macht haben außer der des Geistes. Oscar Romero war ein Mann des Geistes, anfangs durchaus konservativ. Aber als ein Mystiker der offenen Augen wollte er sehen, was wirklich ist. Daraus schöpfte er den Mut, gegen Verdrängung auch andere zur Gewissenserforschung aufzurufen, um Umkehr und Bekehrung zu bitten. Er richtete sich an Militärs, Unternehmer und Politiker ebenso wie an den revolutionären Untergrund.

Oscar Romero starb, weil er die unbequeme Wahrheit sagte und jene gegen sich aufbrachte, die nicht in der Wahrheit leben wollen. Wahrheit gibt es nicht? Wahrheit gibt es doch - gegen die Verschleierung, den Relativismus und Zynismus jener, die sich als Einzelne und Gruppen ihre Privilegien sichern. Menschen wie Romero sind nicht deshalb heilig, weil sie schon immer im Besitz der Wahrheit waren, sondern weil sie um diese gerungen, sich ihr geöffnet haben als Suchende, schließlich als Märtyrer des Gewissens. Es gibt kein schöneres Fest, dies öffentlich kirchlich zu bekunden, als Pfingsten, das Hochfest des Heiligsten, was der Mensch ist und hat: Leben im Geist und in der Wahrheit. Selig der Geist, der durch Romero gewirkt hat für die Heiligkeit des - auch materiellen - Lebens, gerade der Niedrigen, Armen und Bedrängten aller Art.

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