Die Überraschung ist gelungen. Nicht nur, weil keine Indiskretionen aus dem Vorkonklave und der Sixtinischen Kapelle drangen oder weil kaum jemand mit Robert Prevost als Papst gerechnet hatte. Seine Wahl ist für mich vor allem deshalb eine geradezu erleichternde Überraschung, weil sie dem unsichtbaren Sog unserer Zeit zu Chaos, Autoritarismus und Gewalt so gewaltlos bildstark entgegentritt: Als Kontrastfigur zu all den polternden Potentaten steht da ein etwas schüchterner, aber sympathisch winkender Mann, der sich handschriftliche Notizen macht, um bei seinem ersten Aufritt nicht aus dem Konzept zu kommen. Bescheidenheit trotz Seidenmozetta.
In den USA wird Leo XIV. unter Trump-Anhängern bereits jetzt als woke pope (etwa „Achtsamkeitspapst“) beschimpft. Allein dass die Hinwendung zu Schwachen und Benachteiligten zu einem Kampfbegriff verdreht werden konnte, zeigt, wie sehr wir die Stimme so eines Sozial-Papstes heute brauchen. Natürlich widmen wir ihm diese Ausgabe: mit persönlichen Eindrücken (vgl. S. 2), Erinnerungen an sein früheres Wirken in Peru und im Augustinerorden (S. 3/S. 4) – aber auch unserer neuen Podcastfolge zur Sozialen Frage (S. 7).