Polnische Spur

CIG-Autor Christian Heidrich begegnet im brandenburgischen Rehfelde einem deutsch-polnischen „Liederweg“, „Szlak z piosenkami“, weiß aber kaum Lieder auswendig zu singen. Dafür reimt sich sein Leben auf Gedichte und Gebete, polnische wie deutsche. Er ist in Oppeln aufgewachsen.

Polnische Spur
© Christian Heidrich

Seit Erkner, dort wo Berlin aufhört und das Land Brandenburg wieder beginnt, verdichten sich die polnischen Spuren. Die Informationstafeln, ob an Kirchen oder profanen Denkmälern, sind in deutscher und polnischer Sprache, die Angaben auf dem Fahrradweg ebenso. In Trebnitz, ein Begriff, den ich bisher nur mit einer berühmten Klostergründung in Niederschlesien - heute Trzebnica - verbinden konnte, finde ich ein Schloss, in dem es eine deutsch-polnische Jugendfirma mit dem wunderbaren Namen „Kaffee zum Glück / Kawa nach szescie“ gibt. In der Gemeinde Rehfelde mit ihren vielen Ortsteilen wurde gar ein zweisprachiger „Liederweg“, ein „Szlak z piosenkami“, angelegt. Er soll „zum fröhlichen Gesang“ anregen. So kann, wer mag, „Am Brunnen vor dem Tore“ und „Hoch auf dem gelben Wagen“ von einer steinernen Vorlage singen, aber auch „Karolinka“ und „Szla dzieweczka do laseczka“ („Ein Mädel ging ins Wäldchen“).

Ich verzichte bis auf weiteres auf beide Optionen, auch mangels Mitstreiter, rekapituliere bei dieser Gelegenheit aber die (Volks-)Lieder, die ich textsicher beherrsche. Und da sieht es bescheiden aus. Meine Generation hat kaum noch Volkslieder gelernt. Mit Kirchenliedern, deutschen wie polnischen, und ebenso mit Gedichten sieht es merklich besser aus. Man behält wohl nur das, was das Herz wirklich erreicht, und das wird häufig mit einem „Eigentlich müsste man…“ nicht ineinsfallen. Und so mag ich Verse von Michael Krüger und Adam Zagajewski rezitieren und, wenn niemand zuhört, „Pod Twa obrone“ („Unter Deinen Schutz“) singen. Darauf reimt sich wohl mein Leben.

Hinter Letschin, am Sonntagmorgen, wird es dann ernst. Eineinhalb Stunden folge ich zunächst dem Fahrradweg und erblicke dann vom Deich aus die Oder. Ein langer träger Fluss, der mir wie kein anderer ans Herz gewachsen ist. Einen wichtigen Teil meiner Kindheit verbrachte ich in Opole / Oppeln. Unser Haus stand nur wenige Meter von einer Oderbrücke entfernt. Die Schleusen, die Farbe des Wassers, das Schaumige, den Geruch vor allem, habe ich nie vergessen.

Drei Stunden wandere ich noch weiter, entlang der Flussarme oder auf dem asphaltierten Fahrradweg und überquere am Nachmittag die deutsch-polnische Grenze. Ich bin jetzt in Kostrzyn. Der deutsche Teil meiner Unternehmung, geografisch zumindest, ist vorbei.

Am Rande:
Grenzpfosten, die einen folkloristischen Charakter haben, als Fotomotiv dienen, verwaiste Grenzabfertigungsanlagen, Brücken, die tatsächlich verbinden. Ach Europa!

Bevor ich in Polen, anders als im Osten Deutschlands, die evangelischen Gotteshäuser aus den Augen verliere, eine freudige Selbstkorrektur: Es gibt nicht nur „zuverlässig verschlossene“ evangelische Kirchen (vgl. Eintrag vom 22. August). Es gibt, wie ich mittlerweile erfahren habe, eine Reihe „offener“ - und das auch außerhalb der touristischen Zentren. Gemeindemitglieder engagieren sich, stehen, wie die freundlichen Damen der Genezareth-Kirche in Erkner, für Informationen zur Verfügung. „Behütete Wege!“, hörte ich zum Abschied. Ein Wort, das lange nachhallt.

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