Das Westwerk

Corvey ist Welterbe - eine Stadt darf sich freuen. Besonders das Westwerk, das mehr ist als nur die Fassade der Klosterkirche, hat es CIG-Autor Christian Heidrich angetan.

Das Westwerk
© Christian Heidrich

Es ist Marketing, aber wohl nicht nur. Plakate in den Schaufenstern, gar Transparente über die Straße: PERFECTUM EST. CORVEY IST WELTERBE.
Eine Stadt darf sich freuen.

Der Weg von Höxter nach Corvey führt eine halbe Stunde an der Weser entlang. Nach Rhein und Wupper, nach Ruhr und Diemel - und all den winzigen Strömen dazwischen - jetzt also ein Stückchen Weser. Für mich, sonst im Südwesten daheim, ein durchaus nördlicher Fluss, „irgendwie Bremen“. Es ist ein friedvolles Gehen, und auch die Fahrradfahrer ziehen heute mit Stil an dem Wanderer vorbei.

Corvey ist ein Ensemble aus Kirche und Kloster, aus Schloss und Bibliothek. Vor allem aber ist Corvey eine Idee. Nach all den Eroberungen und Bekehrungen ging es den Karolingern um ein spirituelles Zentrum, und wer konnte das besser verkörpern als die Gemeinschaft der Benediktiner, mochte sie hier auch entgegen der Regula des Gründungsvaters die „niederen Schichten“ ausgeschlossen haben.

Das übliche Auf und Ab der Historie konnte zumindest einem Wunderwerk in Corvey wenig anhaben: dem Westwerk aus dem 9. Jahrhundert. Wie ich lerne, ist dieses mehr als die wahrhaft staunenswerte Westfassade der Klosterkirche. Sie umfasst weitere karolingische Gebäudeteile, die dem Kirchenraum vorgelagert sind. Hier hielten sich die durchreisenden Könige und Kaiser auf, hier konnten sie als „Beschützer der Kirche“ agieren, ohne unmittelbar Teil des Heiligtums und der Liturgie zu sein. Eine erste symbolische Trennung von Kirche und Staat? Eine Ahnung, dass Militärisches und Heiliges keine Einheit bilden können? Heute erstaunt nicht zuletzt, wie ausdruckslos der Pomp der barocken Kirchenausstattung gegenüber der karolingischen Schlichtheit wirkt. Der Dreißigjährige Krieg hat auch hier seine Spur hinterlassen.

Als ich nach der Besichtigung meinen Rucksack aus dem Schließfach herausnehme, komme ich mit einer jungen Familien aus Chemnitz ins Gespräch. Warum ich denn nicht Fahrrad fahre, fragt mich eines der beiden Mädchen, wohl zehn Jahre alt. Eine gute Frage. Vielleicht, weil mir das Radfahren zu hektisch ist, zu rasant? Besser wohl: weil meinem Rhythmus die Abfolge der Schritte besser entspricht als das Dahinrollen. Weil das Stehenbleiben und Schauen so einfach fällt. Weil ich an dieser Stelle bodenverhaftet bin.

Am nächsten Morgen gehe ich weiter durch den Solling nach Dassel.

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