Alles, was wichtig ist

In einem Obstgarten trifft CIG-Autor Christian Heidrich auf den "Ikarus aus Byszewice", der hier sein privates Paradies mit unzähligen Figuren und Fluggeräten geschaffen hat.

Alles, was wichtig ist
© Christian Heidrich

Ob man im Zimmer mit zwei oder drei Sternen übernachtet hat (Eintrag vom 17. September), das Frühstücksangebot im Hotel "Gromada" in Pila war für alle Gäste gleich. Zunächst aber galt es, im Parterre eine gehörige Strecke zu überwinden, vorbei an verspiegelten, langgezogenen Korridoren, an Schaukästen, die "Galactic Fitness", "Bio-Regeneration" oder gelungene Hochzeitsfeiern versprechen, vorbei auch an einem Café und einem Restaurant. Ein bisschen fühlte ich mich wie im Film "Grand Budapest Hotel", wo das Hotel nur eine Metapher ist für die wunderbaren und die schrecklichen Momente der europäischen Historie. Auch das "Gromada" hat offensichtlich sozialistische Prätentionen und kapitalistische Versuchungen erlebt. Das Gewöhnliche aber, der Alltag von Gästen wie Angestellten, hinterlässt kaum Spuren.

An diesem Morgen ist der, nun ja, riesige Frühstückssaal mit der verglasten Kuppel gut gefüllt, mit jungen Menschen vor allem, die eine Fortbildung hierher geführt hat. Das Buffet lässt keine Wünsche offen. Ein guter Tagesanfang.

Ich verlasse Pila wieder auf einer Straße, die sich gut ertragen lässt, und werde hinter Kaczory gefragt, ob ich mitfahren möchte. Es ist das dritte Mal auf meiner Wanderung, dass ein Autofahrer von sich aus fragt. Da es noch zeitig ist und meine Strecke nicht sehr weit, lehne ich höflich ab. "Dafür" erlebe ich eine Stunde später eine Begegnung der besonderen Art. In Byszewice hat sich ein Volkskünstler in seinem Obstgarten links und rechts der Straße eine eigene Welt, ein privates Paradies erschaffen. Unzählige Figuren und Bilder, Schlümpfe und Fluggeräte ("mit einem Wartburg-Motor"), moralische und patriotische Banner, ausgestopfte Tiere, Szenerien aus der Geschichte - ein Sammelsurium, ein Überfall für die Sinne. Ich komme mit Pawel Wojciechowski, über den es zahlreiche Zeitungsberichte und Fernsehreportagen ("Der Ikarus aus Byszewice", "Der König der Schlümpfe") gibt, leicht ins Gespräch. Der Wanderer aus Deutschland, der Polnisch spricht, interessiert ihn.

Wojciechowski, der "Mann mit den goldenen Händen", macht sich Sorgen über den Kapitalismus, der nicht auf christliche Werte baue, dem nur das heilig sei, was den Gewinn mehre. Wir reden über Deutsche und Polen, über den Hass, der in den Herzen der Menschen wohnt, über lächerliche Anlässe für schreckliche Katastrophen. Wir essen ein paar Pflaumen zusammen. Hin und wieder kommt ein Vogel und pickt ein Korn aus Wojciechowskis Hand.

Für den Rest der Strecke habe ich genug Stoff zum Nachdenken. Da hat sich jemand sein Paradies geschaffen, alles, was ihm wichtig ist, zur Schau gestellt. Man mag darüber lächeln und vieles als naiv empfinden. Doch ich mag kreative Menschen, Menschen, denen nicht alles gleich ist.

Ich laufe noch weiter bis nach Bialosliwie, wo mich in der Pension "Rosa" ein ruhiges Zimmer, eine gute vegetarische Pizza und ein eher schales "Tyskie"-Bier vom Fass erwarten.

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