6. Oktober
19. Sonntag nach Trinitatis
Heile du mich, HERR, so werde ich heil; hilf du mir, so ist mir geholfen.
Jeremia 17,14
Wie oft geht im Leben etwas daneben, gelingt nicht, ist nicht heil. Und wie oft wacht da der Wunsch auf, könnte es nicht sein, wie früher, die Mutter kommt und pustet, singt ein „Heile heile Gänsje“ und aller Kummer ist verflogen. Das ist natürlich eine naive Kindheitshoffnung, hat mit der Realität nichts zu tun.
Und die Realität ist hart. Kriege, Klimakrise, Demokratie-Verdrossenheit und vieles andere mehr. Wo ist da Heil? Heile du mich Gott, dann werde ich heil. Welches Heil ist hier gemeint? Das naive Heil aus Kindheitstagen oder gar ein paradiesisches Heil?
Was meinen die Worte aus dem Jeremia Buch? Zu seiner Zeit ging es konkret um Veränderung und die Warnung vor Untergang und Exil. Klingt gar nicht so fern von uns heute, einfach weitermachen ist keine Option. Nicht beim Klima, nicht in der Gesellschaft, nicht in der Kirche. Wo ist also Heil, wo ist mir geholfen? Sicher nicht in einfachen plumpen Lösungen. Ein Schlüssel darin hier das eigene Gottesbild zu hinterfragen. Ist es die Vatergestalt, die ein Wehwehchen wegpustet?
Ist es Jesus als Heilsbringer und Erlöser oder geht es um die heilige Geistkraft, die in uns Menschen wirkt?
So verstanden würde es bedeuten, dass das Heilen in uns allen liegt. Die Hilfe liegt mit dieser Geistkraft in der Gemeinschaft der Heiligen, in der Gemeinschaft aller Gotteskinder. So lassen sich Probleme bewältigen. Gemeinsam im Diskurs, im miteinander.
Ein – wie ich finde – spannender Gedanke, der mich frei macht von der Abhängigkeit einer Überfigur und freimacht, gerade das Vertrauen in Gott zu haben, das Jeremia schon vor über 26050 Jahren predigte.
13. Oktober
20. Sonntag nach Trinitatis
Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der HERR von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott.
Micha 6,8
Wer lässt sich schon gerne etwas sagen. Eigentlich weiß und kann ich doch alles … Bis es dann Krisen gibt. Da ist schnell der Ruf laut: „Warum“, warum hat keiner etwas gesagt, warum ist das passiert?
Wenn alles gut läuft, dann klopfen wir uns gerne auf die Schulter, wenn es schlecht läuft, suchen wir Schuldige. Besonders, wenn wir unter Ungerechtigkeit leiden.
Der Prophet Micha klagt vor fast 2800 Jahren gegen soziale Ungerechtigkeit und religiöse Scheinheiligkeit. Seine Prophezeiungen beklagen insbesondere die gesellschaftlich schlechte Stellung der Kleinbauern und Bürger, die durch den Staat und seinen bürokratischen Apparat unterdrückt wurden, um dessen Unterhalt zu sichern.
Fast ein Wahlprogramm heutiger Tage. Doch Michas Lösungsansatz geht viel weiter als aktuelle parteipolitische Lösungsansätze. Recht tun und Güte lieben und besonnen Mitgehen mit Gott. Recht tun bedeutet für ihn nichts anderes, als sich an Gottes Wort zu halten, das kein Drohoder Schmähwort ist, sondern immer ein Wort der Liebe und Wertschätzung. Fast schein Jesus sich später mit seinem Ausspruch, „… was ihr den Geringsten unter euch getan habt, das habt ihr mir getan“ direkt Bezug darauf zu nehmen.
Es ist damit alles gesagt, und doch bleibt solches Handeln oft im Alltag stecken. Der schnelle Erfolg drängt mehr als die Nachhaltigkeit, der eigene Vorteil wiegt mehr als der Gemeinnutz. So sieht es aus und schnell fühlen wir uns ungerecht behandelt.
Doch den Schlüssel haben wir in der Hand, „es wurde dir gesagt, Mensch, was gut ist“. Handeln wir danach.
20. Oktober
21. Sonntag nach Trinitatis
Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Römer 12,21
Ein Satz aus dem Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom. Da gab es damals viele Regeln, die das Leben nur wenigen Mächtigen leicht machten. Die junge Gemeinde der Christinnen und Christen war noch sehr bedroht. Und in diese Situation hin schreibt Paulus diesen Satz.
Nicht immer ist es so einfach – was ist das Böse? Gewalt, Krieg, Hass – Klimakatastrophen, Tod?
Ist alles was schlimm ist, das weh tut und traurig macht, auch immer „böse“?
Klar – einfach nur gut wäre anders. Das Gute wäre es, wir müssten gar nicht über etwas Trauriges und Schmerzhaftes nachdenken.
Aber ich denke, genau so ist der Weg, schlimmen Erlebnissen keine böse Macht über mich zu geben.
Wenn ich „das Böse“ für etwas verantwortlich mache, dann bekommt es sehr viel Macht über mich, so wie in den Märchen die Hexe, die böse Königin oder der Wolf. Oder eben das Smartphone der Erwachsenen.
Und in der Bibel ist das manchmal der Teufel.
Aber das macht uns schnell zu Marionetten.
An einem Faden zieht „das Böse“, am anderen „das Gute“, und je nachdem wie das ausgeht, wer gerade mehr Kraft hat, gewinnt.
Ich kann nichts dafür, denn es war ja das Gute oder das Böse, das mal gerade gewonnen hat. Ich finde das keine gute Vorstellung, dass wir solche Menschen sind.
Gott überwindet das Böse mit Gutem. Gott in dem Kind in der Krippe und in dem Mann am Kreuz. Das sind eindeutig keine Drohgebärden.
Gottes Mittel sind nicht gewaltig. Gott braucht keinen Geheimdienst oder Bodyguards. Gott begegnet dem Bösen mit Liebe.
Wir können dem nur nacheifern. Wie das geht? Das hat Paulus im 12. Kapitel – das sind die Verse, die vor Vers 12 stehen – ganz einfach gesagt:
Übertrefft euch gegenseitig an Wertschätzung.
Freut euch, dass ihr Hoffnung habt.
Freut euch mit den Fröhlichen.
Weint mit den Weinenden.
Seid alle miteinander auf Einigkeit aus.
Baut nicht auf eure eigene Klugheit.
Habt anderen Menschen gegenüber nur Gutes im Sinn.
27. Oktober
22. Sonntag nach Trinitatis:
Bei dir ist die Vergebung, dass man dich fürchte.
Psalm 130,4
Vergebung und Furcht. Begriffe könnten kaum gegensätzlicher sein.
Vergebung bedeutet doch das Hinwegsehen über Fehler und Vergehen.
Aber nicht Wegsehen. Noch weniger Ignorieren oder Vergessen.
Vergeben ist ein eine aktive Handlung, voller Energie, Geistkraft und Liebe. Wohl darum schreibt der Psalm sie Gott zu. Weil menschliches Tun und Lassen gar nicht ausreicht, um Vergebung zu üben. Menschen üben Vergeltung.
Ob im Großen mit Krieg und Terror, oder im Kleinen mit Diffamierung und Häme, das Muster scheint immer gleich. Wenn ich mich ohnmächtig gegenüber etwas fühle, suche ich instinktiv einen Bereich, wo ich mich mächtig fühle. Meine eigene Furcht versuche ich zu verbergen, indem ich Furcht einflößen will. Eine Endlosspirale in Not und Elend.
Gott ist anders. Gott will keine Angst und Schrecken, keine Furcht. Gott ist anders. Gott will Achtung, Würde, Respekt. Ehrfurcht nannte man das früher.
Aber Gott will Achtung, Würde und Respekt nicht nur gegen sich selbst. Gott ist anders. Gott will Ehrfurcht auch gegen das Gottesebenbild Mensch. Alle Menschen, das ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann noch Frau, schreibt Paulus.
Aus solcher Haltung kann dann Vergebung werden. Im Gegenüber nichts Anderes als Gott zu erkennen, hilft Achtung Würde und Respekt zu zollen – zu vergeben.