Die Wochensprüche im Mai 2022

1. Mai 2022

Misericordias Domini

Christus spricht: Ich bin der gute Hirte. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben.
Johannes 10,11a.27–28a

Pfefferminztee. Für mich Duft der Geborgenheit. Wenn ich den rieche, bin ich für einen Moment wieder acht Jahre alt, sitze mit einem Tee und einem guten Paderborner Landbrot mit Butter und Salz auf dem grünen Sofa im Wohnzimmer meiner Großeltern. Im Fernsehen läuft Fußball. Gleich wird mein Opa kommen und das Spiel weiterschauen. Meine Oma werkelt noch ein Weilchen in der Küche, bevor sie sich zu uns setzt. Ich fühle mich hundertprozentig geborgen, zu Hause, geliebt. So stelle ich mir das ewige Leben vor. Heimkommen in dieses Gefühl. Hier werde ich gekannt und als der Mensch, der ich bin, geliebt. Hier bin ich sicher. Sicher wie ein Schaf, das einen guten Hirten hat. Einen, der es beschützt, versorgt und sucht, wenn es sich verirrt.
So stelle ich mir das ewige Leben vor, und es beginnt nicht erst nach dem Tod. Jesus hat so gelebt, dass immer wieder Menschen die Erfahrung gemacht haben: Bei Jesus bin ich geliebt. Einfach so. Er hat im Namen Gottes Menschen geholfen, sich selbst zu finden; er hat Menschen Gemeinschaft geschenkt, die allein waren; er hat gesellschaftliche Grenzen eingerissen. Je mehr es uns gelingt, wie Jesus zu leben und seine Art zu lieben auszubreiten, desto öfter wird es Momente geben, die sich schon nach ewigem Leben anfühlen. Das fängt im Privaten an, wird aber auch Auswirkungen auf Politik und Wirtschaft haben. Wer zum Beispiel möchte, dass Kinder sich bedingungslos angenommen fühlen, tut wahrscheinlich nicht gut daran, sie über Jahre hinweg mit Schulnoten zu bewerten. Wer möchte, dass jeder sich geborgen fühlt, kann nicht gleichzeitig Grenzen dichtmachen. Leute, das wird eine himmlische Revolution! Und die Momente des ewigen Lebens werden immer mehr werden, bis es keinen Unterschied mehr gibt zwischen dem Alltag und dem ewigen Leben. Das wird ein Fest!
Jesus Christus ist unser Hirte. Er kennt uns und liebt uns und wir folgen ihm nach. Und er gibt uns das ewige Leben.

8. Mai 2022

Jubilate

Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.
2. Korinther 5,17

Die Casa Esperanza ist ein Erholungsheim. Sie liegt abseits eines kleinen Dorfes in El Salvador, Mittelamerika, und wird von Mönchen betrieben. Es gibt Platz für 20 Männer. Ein einfacher Schlafsaal, regelmäßige Mahlzeiten, einigermaßen zuverlässig fließendes Wasser. Das muss reichen. Die Männer, die herkommen, sind drogenabhängig. Jeder kämpft sich zuerst durch einen kalten Entzug. Danach nehmen sie an Gesprächskreisen teil und an den Ge-beten der Mönche. Sie dürfen sich hier erholen, von ihrem bisherigen Leben. Von der Straße, von der Armut, der Angst vor den Banden, der erlebten Gewalt, der Scham gegenüber der Familie, vom Selbsthass. Erholen! Erholung heißt auf Spanisch recreación. Würde man es wörtlich übersetzen: Neu-Schöpfung. Einer der Männer dort berichtete, wie er überhaupt dazu kam, sich für das Programm anzumelden: Eines Tages setzte er sich grade einen Schuss. Er tat es nicht gern, konnte aber einfach nicht anders. Plötzlich hatte er das Gefühl, dass Jesus bei ihm war. Jesus stand halb hinter ihm und weinte mit ihm. An diesem Tag nahm er zum vorerst letzten Mal Drogen.
Die Rückfall-Quote von Süchtigen ist hoch. Es ist wie mit vielen anderen Krankheiten und auch wie mit vielen Gewohnheiten, die wir haben. Man wird sie nicht so einfach los. Deswegen ist man kein schlechter Mensch. Man ist ein normaler Mensch. Wie alle. An jedem von uns ist einiges schlecht und kaputt und hässlich. Obwohl Gott weiß, dass unsere Rückfallquote gigantisch ist, bietet er uns immer wieder an, uns zu neuen Menschen zu machen. „Komm zu mir. Lass dich von mir lieben. Streif deine Angst ab und wag ein neues Leben. Erhole dich von all dem, was dich bedrückt, und dann lebe gut, heil und schön.“ Und auch, wenn wir immer einfach nur normale Menschen bleiben, sind wir doch immer auch von Gott geliebt, als die anderen Menschen, die wir sein könnten und die wir ab und zu schon sind. „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“

15. Mai 2022

Kantate

Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.
Psalm 98,1

„Komplett im Arsch“ von Feine Sahne Fischfilet, „Steine“ von Bosse und Pink mit „Cover me with Sunshine“ – ein kleiner Teil meiner persönlichen Tracklist der letzten Monate. Ja, es ging auf und ab. Und es hat gutgetan, dass Lieder da waren, die mir Worte und Klang gaben, in die ich mich reinfallen lassen, die ich mitgrölen konnte. Eine ganze Biographie könnte man anhand wichtiger Lieder schreiben. Lieder, die uns treffen. Lieder, die zu einer bestimmten Zeit jeder kennt. Lieder, die uns mit einem anderen Menschen oder einem einmaligen Abend verbinden …
Manche Lieder werden für immer wichtig bleiben, manche kommen neu dazu. All diese Lieder hören, singen, leben wir vor Gott. Wir leben unser Leben vor Gott. Und es ist ein großartiges Leben. Ja, es gibt Tiefen und Schmerzen und schreckliches Leid, aber es gibt auch so viel Schönes. Und Gott interessiert sich für all das, was wir erleben. Er gibt uns überhaupt erst die Möglichkeit dazu, den Grundbeat sozusagen, und auf der anderen Seite ist er gespannt, was wir daraus machen, wie unser Leben klingt, und er hört und fühlt unsere Lieder mit.
„Singt dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder“, heißt es im Wochenspruch für die kommende Woche. Wissen Sie schon, was Ihr neues Lied wird? Ich glaube, ich versuche es in dieser herausfordernden Zeit mal mit dem Gospel: I am only human. Da heißt es so schön: „Lord for my sake, teach me to take one day at a time.“

22. Mai 2022

Rogate

Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet.
Psalm 66,20

Es war ein Löwe, der hatte seit vielen Tagen nichts gefressen. Er betete zu Gott: „Bitte schick mir doch eine Gazelle vorbei, die ich erlegen kann. Sonst muss ich noch heute des Hungers sterben.“ Gott jammerte der Löwe. Er kannte ihn gut. Gott erinnerte sich daran, wie er geboren worden war, wie er mit seinen Geschwistern gebalgt hatte, wie er das Jagen gelernt hatte, wie er herangewachsen und ein schöner, stolzer Löwe geworden war, wie er Junge gezeugt hatte. Gott liebte diesen Löwen, er hatte ihn selbst ins Leben gerufen und er hatte ihn gerne beobachtet. Es war eine Gazelle in derselben Gegend mit ihrer Herde unterwegs. Schon seit dem Morgen waren die Tiere unruhig. Gefahr lag in der Luft. Die Gazelle betete zu Gott: „Bitte beschütze uns doch vor Raubtieren. Mein Bein ist ein wenig lahm und ich kann nicht so schnell laufen. Ich habe solche Angst vor dem Gefressenwerden!“ Gott hatte großes Mitgefühl mit der Gazelle. Er kannte sie vom ersten Tag an. Das wunderschöne Tier hatte nie jemandem etwas zuleide getan und viele Junge großgezogen. Gott liebte diese Gazelle von ganzem Herzen.
Am Ende des Tages war eines der beiden Tiere tot. Das andere hatte die Chance, weiterzuleben. Wir wissen nicht, wer überlebt hat. Was wir aber wissen, ist, dass Gott beide geliebt hat. Er war für beide da. Er hat mit beiden mitgefiebert. Er hat ihre Gebete gehört und sie sind ihm zu Herzen gegangen. Er hat sie verstanden. Er war da, als das eine sterben musste. In aller Trauer, aller Enttäuschung, allem Schmerz, war Gott da. Er war da, als das andere überleben durfte. Er hat sich mitgefreut und -gefeiert und gelacht. Beten bedeutet, sich Gott anzuvertrauen. Zu wissen, Gott hört mich an, fühlt mit. Ich bin nicht allein. Gott ist für mich da. Er freut sich über mein Glück, er unterstützt meine Kämpfe, er leidet mit mir, und eines Tages ist er da, wenn ich sterbe. Er verwirft mein Gebet nicht und wendet seine Güte niemals von mir.

29. Mai 2022

Exaudi

Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.
Johannes 12,32

Klingt ein bisschen nach Tauziehen. Auch wenn man den Text um den Wochenspruch drumherum liest. Die Endzeit naht – es donnert sogar schon – und am Ende wird es entscheidend sein, auf welcher Seite man steht. Himmel gegen Erde, Gut gegen Böse, Licht gegen Finsternis.
Es gibt viele Filme, Bücher, Legenden vom Anfang der Menschheitsgeschichte bis heute, die sich um dieses Thema ranken. Irgendwas daran lieben wir. Vielleicht deshalb, weil jeder diesen Kampf kennt. In sich selbst kämpft man oft genug. Zum Beispiel mit dem inneren Schweinehund, aber auch mit viel schlimmeren Bestien, mit Sucht vielleicht, mit Angst, die einen nicht schlafen lassen will, mit Perfektionsansprüchen und so weiter. Und es gibt andere Kämpfe, gut gegen böse, für bezahlbaren Wohnraum, für Chancengleichheit behinderter Menschen, für dringend benötigte medizinische Behandlungen – wer in einem solchen Kampf steckt, fühlt sich oft nicht heroisch, sondern verzweifelt. Und weil im echten Leben so oft die Übermacht gewinnt, lieben wir David gegen Goliath und Harry Potter gegen Voldemort. In der Bibel wird an verschiedenen Stellen davon gesprochen, dass es eines Tages ein Gericht geben wird. Daraus hat sich die Vorstellung von der Hölle entwickelt; allerlei blutrünstige Bilder vom Endgericht zieren alte Kirchendecken und Gemälde. Viele Menschen können mit diesen Bildern heute nichts mehr anfangen und stellen auch den Gedanken eines Gottes, der so rachedurstig straft, in Frage. Aber das eigentlich Wichtige an der Vorstellung vom Gericht ist der Gedanke, dass Gott für Gerechtigkeit einsteht und für das Gute. Das kann uns stärken in unseren Alltagskämpfen. Wir wissen, Gott ist auf unserer Seite, wenn wir für das Gute kämpfen. Auch wenn es schlecht aussieht, wenn es in uns oder um uns herum immer finsterer wird. Christus legt sich ins Zeug, um uns ins Helle zu ziehen. Wir sind nicht allein. Und am Ende steht das Licht. „Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“

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