Klara von Assisi – Liebe, Nachfolge, Armut, Gemeinschaft, Verweigerung

„Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm. Denn Liebe ist stark wie der Tod und Leidenschaft unwiderstehlich wie das Totenreich. Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des HERRN, sodass auch viele Wasser die Liebe nicht auslöschen und Ströme sie nicht ertränken können.“ (Hoheslied 8,6.7)

Klara von Assisi ist von solch brennender Liebe ihr Leben lang erfüllt. Diese ihre leidenschaftliche Liebe gilt Jesus Christus. Alles andere zählt nicht. Und sie kennt die eine Versuchung, gegen die sie seit ihrer Bekehrung leidenschaftlich rebelliert: den Besitz, das Eigentum, den Reichtum, die vermeintliche Sicherheit durch materielle Absicherung. Darum gehört zu ihrer leidenschaftlichen, brennenden, zärtlichen Liebe zu Jesus der Lebensstil der Armut. Eine radikal gelebte Armut zeichnet sie aus. Aber nichts Verbiestertes, nichts Aggressives gegen die vielen, die Reichtümer ansammeln, die sich um Besitz bemühen, die haben wollen. Sie ist nie eine Kämpferin gegen die Reichen geworden, hat nicht das soziale Unrecht angeprangert. Dennoch war ihr ganzes Leben ein Protest gegen die fehlgeleitete Liebe zu den Din-gen, gegen die falschen Lebensziele, wie sie die meisten Influencerinnen unserer Zeit vorleben. Klara hat völlig anderes vorgelebt, vor 800 Jahren in Assisi.

Wer Assisi hört, denkt automatisch an Franz von Assisi. Tatsächlich ist Klara nicht nur in derselben Stadt in Mittelitalien aufgewachsen wie Franz, sondern auch zur selben Zeit. Er wurde 1181 in Assisi geboren und ist 1226 dort gestorben, wurde also 45 Jahre alt. Klara war 13 Jahre jünger als Franz. Sie wurde 1193/1194 in Assisi geboren und ist 1253 dort gestorben. Sie wurde etwa 60 Jahre alt. Beide stammen aus ähnlichem sozialem Milieu – Franz aus einer reichen Kaufmannsfamilie, Klara aus einer reichen Adelsfamilie. Und beide haben mit ihrem Milieu und dessen Zielen radikal gebrochen. Sie verweigerten sich dem Ideal von Reichtum und Macht. Franz vollzieht eine radikale Lebenswende als etwa 25-Jähriger. Er verschenkt verschwenderisch Geld, lässt sich mit Aussätzigen ein, beginnt eine verfallene Kapelle wiederherzustellen, wird Wanderprediger und Einsiedler. Er trennt sich aufsehenerregend von seinem Vater und allem Besitz. Andere schließen sich an. Gewiss ist Franz das skandalöse Gesprächsthema in Assisi.

Klara ist zu der Zeit etwa zwölf Jahre alt. Andere junge Männer schließen sich dem charismatischen Prediger an. Vier Jahre später nimmt die etwa 17-jährige Klara, um die junge Männer werben, Kontakt mit Franziskus auf. Die Begegnungen sind nur heimlich möglich. Sie führen zu einer unglaublichen Entscheidung. Klara verlässt am Abend des Palmsonntags 1211 heimlich ihr Elternhaus. Draußen vor der Stadt wird sie von Gefährten des Franz erwartet und im Dunkel der Nacht in die Portiunkula-Kapelle gebracht. Franz erwartet sie dort und setzt um, was sie geplant haben. Er schneidet der schönen jungen Frau die Haare ab, ihren Schmuck und die feinen Kleider legt sie ab und trägt nun ein Büßergewand wie Franz und seine Gefährten. Sie geht denselben radikalen Weg der Armut wie die Brüder. Als junge Frau kann sie aber nicht bei ihnen leben und bleiben, nicht als Wanderpredigerin tätig werden. Dieser Skandal wäre noch unerträglicher gewesen als das, was sie gerade begonnen hat. Und er würde mit Sicherheit gewaltsam beendet werden. Das wäre zu ihrer Zeit Häresie gewesen. Und Häresie wird unerbittlich verfolgt. Die junge Waldenserbewegung ihrer Zeit wird blutig verfolgt. So wird Klara noch in derselben Nacht in ein nahe gelegenes Benediktinerinnenkloster gebracht. Aus dem wohlhabenden Kloster geht die leidenschaftliche Klara wenige Tage später weiter zu einer armen Klostergemeinschaft. Heftige Auseinandersetzungen mit Familienangehörigen gehören in die ersten Wochen dieses radikalen Bruchs. Die Rückführungsversuche werden noch heftiger, als sich zwei Wochen später ihre Schwester Agnes ihr an-schließt und ebenfalls aus dem Wohnturm der Adelsfamilie flieht. Eine Katastrophe. Aber Klara und Agnes gehen ihren radikalen Weg in der Nach-folge Jesu in Besitzlosigkeit und Armut. Bald schließen sich noch andere junge Frauen den beiden Schwestern an. Sie alle versprechen dem Franziskus Gehorsam und wollen in Armut zusammenleben.

Was für eine Leidenschaft! Was für ein loderndes Feuer der Liebe zu Jesus, wie sie ihn und seine Botschaft verstehen. Die jungen Frauen ziehen in eine ärmliche Landkirche vor den Toren von Assisi. Dort leben sie von nun an in San Damiano. Sie leben arm und in der Stille, abgeschieden und doch in Kontakt mit Franz und seinen Brüdern, mit der Bewegung, deren Teil sie auch sind. Und sie leben verbunden mit der Stadt. In recht kurzer Zeit kommen mehr und mehr Frauen dazu, die ihre Liebe zu Jesus und zu den Armen mit ihnen leben. Mit der Zeit gehören zwei weitere leibliche Schwestern von Klara dazu, auch Cousinen, schließlich sogar ihre Mutter. Anders als in den vielen Frauenklöstern jener Zeit besteht Klara aber auf echter Armut. Das heißt: Die klosterähnliche Gemeinschaft besitzt weder das Gebäude, noch lebt sie von Erträgen des Klosterbesitzes, noch von der Mitgift der Schwestern, die jetzt dem Kloster gehören würden. Sie leben echte Armut, verkaufen einfache Güter, die sie herstellen, und leben darüber hinaus von der Barmherzigkeit von Menschen, die für sie sorgen. Ein gewagtes Experiment.

Vieles lässt sich über die stetig wachsende Gemeinschaft und ihre Gründerin berichten und erzählen. (Beste Empfehlung: Gewagtes Leben. 800 Jahre Klara von Assisi und ihre Schwestern. Martina Kreidler–Kos u. a., Her-der-Verlag 2011).
Mich beschäftigt die Frage: Wie viel Zeit und Kraft setze ich für welche Ziele ein? Bei Klara ist die Antwort klar: Ihre ganze Kraft und Zeit und Leidenschaft setzt sie für die Liebe zu Jesus ein. In ihren vier erhalten gebliebenen Briefen an die Königstochter Agnes in Prag wird Klaras Denken und Empfinden spür-bar. Der Königstochter, die den Heiratsantrag des damaligen Kaisers ausgeschlagen hat und nun lebt wie Klara, schreibt sie: „Es ist ein großer und lobenswerter Tausch, Himmlisches für Irdisches zu gewinnen.“ (1 Agn 30)
„Schau auf ihn, der auf sich genommen hat, um deinetwillen verachtet zu werden, und folge ihm als eine, die in der Welt verachtet geworden ist um seinetwillen. Deinen Bräutigam, schöner als alle Menschenkinder, der um deines Heiles willen der Geringste der Menschen geworden, … auf ihn blick hin, betrachte ihn, beschaue ihn, in Sehnsucht, ihm ähnlich zu werden.“ (2 Agn 19+20)
„Stelle dein Denken vor den Spiegel der Ewigkeit, stelle deine Seele in den Glanz der Glorie, stelle dein Herz vor das Bild der göttlichen Wesenheit und forme deine ganze Person durch die Beschauung in das Bild seiner Gottheit um.“ (3 Agn 12–13)
Und an die königliche Freundin in Prag schreibt Klara, wie sie Jesus betrachtet: „Zieh mich dir nach! Wir wollen dem Duft deiner Salben nacheilen, himmlischer Bräutigam! Ich werde laufen und nicht ermatten, bis du mich in den Weinkeller führst, bis deine Linke unter meinem Haupt ruht und deine Rechte mich glückselig umfängt, bis du mich küssest mit dem seligen Kuss deines Mundes. Wenn dir diese Beschauung geschenkt ist, dann denke auch an deine Mutter in ihrer Armut.“ (4 Agn 30–33)

Diese leidenschaftliche Liebe wirkt sich aus in gelebter Armut und in freundschaftlicher, zärtlicher Gemeinschaft. Klara ist die charismatische Führerin der Gemeinschaft vor den Toren von Assisi. Ihre Ausstrahlung muss außergewöhnlich gewesen sein. Aber sie will sich nicht als Äbtissin sehen. Ob es ihrer Vorstellung widerspricht, dass es im Leben in der Gemeinschaft mit Jesus nicht wie in der Welt zugehen soll, wo Menschen übereinander Macht haben und herrschen? In den ersten Jahren kann sie dies durchhalten, weil sich die Gemeinschaft unter die Leitung des Franziskus gestellt hat. Mit seiner geplanten monatelangen Abwesenheit sorgt er schließlich dafür, dass sie die Leitung übernimmt. Sie lebt diese so: Wöchentlich kommen alle Schwestern zusammen und besprechen alle Angelegenheiten der Gemeinschaft. Sie bekennen einander ihre Fehler. Und sie wählen diejenigen, die besondere Aufgaben übernehmen, einschließlich ihrer Leitung. Natürlich leitet Klara die wachsende Gemeinschaft. Sie lebt als Äbtissin das Vorbild der Dienenden. In ihrer Regel für die Gemeinschaft schreibt sie:
„Wenn schon eine Mutter ihre leibliche Tochter liebt und nährt, mit wie viel größerer Liebe muss eine Schwester ihre geistliche Schwester lieben und nähren?“

Und weiter: „Die Äbtissin aber soll den Schwestern mit großer Herzlichkeit begegnen, dass sie mit ihr reden und sich verhalten können wie Herrinnen mit ihrer Magd. Denn so soll es sein, dass die Äbtissin die Magd der Schwestern ist.“
Es wird erzählt, wie sie den Schwestern, die von außen kommen, die Füße wäscht, ebenso die Krankenstühle abwäscht. Nachts deckt sie bei Kälte die Schwestern zu. Wenn eine der Mitschwestern ihr auffällt, die ein schlechtes Gewand trägt, tauscht sie dieses mit ihrem.

Ihr Leitungsamt unter den Schwestern übt Klara so vorbildlich dienend aus. Zugleich aber verteidigt sie als Leitende entschieden den Weg der Gemeinschaft gegen den Papst und seine Gesandten, die mit dieser radikalen Form gelebter Armut nicht einverstanden sind. Und sie bleibt absolut wider-ständig, bis kurz vor ihrem Tod ihre Gemeinschaftsregel endgültig – gegen alle Widerstände des Papstes – von ihm akzeptiert wird. Die von ihr verfasste Regel für die Gemeinschaft ist die erste Ordensregel in der Kirchenge-schichte, die eine Frau geschrieben und durchgesetzt hat. Sie leitet dienend und zärtlich zugewandt ihren Schwestern gegenüber. Nach außen leitet sie entschieden, klar und auch widerständig.

Klara ist keine still ergebene, in Gebet und verinnerlichter Frömmigkeit verharrende Person. Sie ist eine leidenschaftlich und zärtlich Liebende – zentral ihren Herrn Jesus Christus liebend, auf dessen Botschaft sie ausgerichtet ist und mit dem sie in der Eucharistie und im Gebet intensiv verbunden ist. Von ihrem 32. Lebensjahr an ist sie auch durch ihre chronische Erkrankung im Leiden mit ihm verbunden. Ihre leidenschaftliche und zärtliche Liebe gilt den Schwestern ihrer Gemeinschaft, dann den Brüdern des Franziskus und allen Menschen, die sie aufsuchen oder schriftlich Kontakt mit ihr pflegen. Ebenso wie Franziskus hat sie auch eine leidenschaftliche und zärtliche Liebe zu der Mitschöpfung, den Tieren insbesondere. Und ihre leidenschaftliche Liebe gehört dem entschiedenen Leben in Armut. „Die Schwestern dürfen sich nichts aneignen, weder Haus noch Niederlassung noch irgendeine Sache. Und gleichwie Pilgerinnen und Fremde in dieser Welt, die dem Herrn in Armut und Demut dienen, mögen sie voll Vertrauen um Almosen schicken. Sich deswegen zu schämen ist nicht angebracht, weil der Herr sich für uns arm gemacht hat in dieser Welt.“ (aus der Regel der Klara)

Noch einmal zurück zu meiner Frage: Wie viel Zeit und Kraft setze ich für meine Ziele ein? Klara erinnert mich an das große Ziel: Jesus Christus lieben und von ihm lernen, seinen Geist in meinen Geist aufnehmen, mich prägen lassen von ihm, ihn leidenschaftlich und zärtlich lieben.

Heute, 800 Jahre später, leben vielleicht 11.000 Klarissen-Schwestern nach den unterschiedlichen Regeln der Gemeinschaft weltweit in etwa 1000 Klostergemeinschaften.

Lieder und Gebete:

Gebet aus franziskanischer Tradition: O Herr, mach mich zu einem Werk-zeug deines Friedens. (EG 810.1)
Lied: Laudato si (EG 515)
Gebet: Sonnengesang des Franziskus, den er sterbend den Schwestern vermacht hat.
Im Internet sehr zu empfehlen: www.klarissenkloster-kevelaer.de

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