Passionsandacht: Wie verlassen wir dein Kreuz?

Und als alles Volk … – Ein unscheinbarer Satz. Nicht, weil er so kurz wäre. Aber es ist ein Satz „danach“: nach dem Sterben Jesu, nach dem Bekenntnis des Hauptmanns. Was soll jetzt noch kommen? Es bleibt doch nichts mehr, als umzukehren und nach Hause zu gehen. Das Schauspiel ist vorbei und die meisten waren doch eh nur Schaulustige.
Ein unscheinbarer Satz bei Lukas. Und doch ein Bekenntnis. Oft von Vorurteilen überdeckt und nicht verstanden, oft auch von „Kennern“ wie mir nur unbeachtet überflogen, bei der Lesung halt noch mitgelesen.
Ein unscheinbarer Satz. Und doch ein Bekenntnis. Denn dieses Volk hat sich anrühren lassen von dem, was da am Kreuz geschehen ist. Die Geste drückt es aus. Der Mann von Golgatha wird ihnen nachgehen.
Und wir? Wie kehren wir um?
Mann von Golgatha, wie verlassen wir dein Kreuz?

Mann von Golgatha, ich verlasse dein Kreuz.
Ich verlasse dein Kreuz und sehne mich nach Ostern. Diese Wochen der Passion sind lang. Ich sehne mich nach Erwachen, Blüten, Licht und Lebendigkeit. Und dass das Leben endlich siegt. Die Ehrfurcht vor dem Leben aller.
Herr, erbarme dich!
EG 93,1

Mann von Golgatha, ich verlasse dein Kreuz.
Ich habe einen Zettel daran gehängt und die Zettel der anderen gelesen. Ich habe eine Kerze angezündet unter dem Kreuz. Hier in der Ecke der Stille und auch einmal dort bei den Heiligen in der katholischen Kirche, nebenan. Mann von Golgatha ich verlasse dein Kreuz. Ich denke an dich und die Kreuze der anderen.
Herr, erbarme dich!
EG 93,1

Mann von Golgatha, ich verlasse dein Kreuz.
Ich verlasse dein Kreuz, denn es ist in Gefahr. Es wird zum Politikum. Aber war es das nicht schon damals, bei dir? Ich kenne mich nicht mehr aus. Die einen hängen es ab, die anderen hängen es auf. Die einen wollen dich schützen, die anderen wollen dich loswerden. Und ich? Mann von Golgatha, was würdest du dazu sagen? Aber du hast doch noch etwas gesagt am Kreuz, nicht wahr?! Oder ist es nicht wahr?
Herr, erbarme dich!
EG 93,1

Mann von Golgatha, ich verlasse dein Kreuz.
Es ist mir zu schwer geworden.
Herr, erbarme dich!
EG 93,1

Mann von Golgatha, ich verlasse dein Kreuz.
Immer wieder schaue ich zurück. Aber das Leben sagt mir, dass es für mich besser ist, nach vorne zu schauen. Wer zurückschaut, erstarrt zur Salzsäule. Das gibt es doch schon in der Bibel. Vielleicht ist es besser, wenn ich dich erst einmal an die zweite Stelle setze, meine Prioritäten neu ordne, an mich denke. Mann von Golgatha, ich schaue zurück, ich verlasse dein Kreuz …
Herr, erbarme dich!
EG 93,1

Mann von Golgatha, ich verlasse dein Kreuz.
Nicht wirklich. Ich verlasse dein Kreuz nicht wirklich. Aber dein Kreuz ist für mich irgendwie nicht wirklich. Es ist für mich irgendwie unwirklich. Ich sehe dich daran nur noch gebrochen. In gebrochener Perspektive. Aber vielleicht ist diese Brechung gerade das, was heute noch gesagt werden kann. Bonhoeffer und andere haben das Fragmentarische ins Spiel gebracht. Ich verlasse dein Kreuz. Aber das muss man natürlich auch dialektisch sehen.
Herr, erbarme dich!
EG 93,1

Mann von Golgatha, wir verlassen dein Kreuz.
Auf wie lange wird es sein?
Wann kommst du uns entgegen – DU hast das Grab verlassen!

Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser!
Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, erbarm dich unser!
Christe, du Lamm Gottes, der du trägst die Sünd der Welt, gib uns deinen Frieden!

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