Eden brennt

„Eden brennt.“ So las ich in Peter Handkes „Versuch über den geglückten Tag“ (Frankfurt 2017, 6. Auflage, S. 58).

Das einstige „Paradies“ im Zweistromland ist längst verbrannt und der Wüste gewichen. Zudem toben in und um Eden Stellvertreter-, ethnische und „Religions“-Kriege. Das „Paradies“ in Europa wird verschlossen durch Patrouillen auf dem Mittelmeer, durch Stacheldrahtzäune, Mauern und Polizisten/Soldaten im Osten. Das „Paradies“ Deutschland wird von rechtslastigen Wutbürgern zum Reser-vat erklärt.

Über allem schwebt in diesen Oktobertagen, in denen ich das Editorial der Februar-Ausgabe der PASTORALBLÄTTER schreibe, „Astro-Alex“ mit stirnrunzelndem Blick auf den blauen Planeten. Alexander Gerst scheint eine Verlängerung der Astro-Kur verordnet zu bekommen, weil eine russische Sojus-Rakete abgestürzt ist, die zwei Kollegen zur ISS bringen sollte. Dort ist „der Westen“ auf russische Raketen angewiesen, weil die USA ihr Raumfahrtpro-gramm eingestellt haben. Europa und China sind andernorts unterwegs. Erst von dort oben, so meinte Astro-Alex, habe er das schlimme Ausmaß der Abholzungen im brasilianischen Regenwald realisiert.

In einem eigentlich „elenden“ Gezeter hat sich Deutschland von seinen Klimaschutz-Zusagen verabschiedet. Die zuständige Umwelt-Ministerin wurde mit dem Verhandlungsziel 30 % Kohlendioxyd-Ausstoß zur entscheidenden Ministerkonferenz geschickt, kam mit herber Kritik und 35 % zurück, wurde daraufhin vom derzeitigen Verkehrsminister heftig gemaßregelt. Gerichte bestätigen stadtauf, stadtab Verkehrsverbote; Nachrüstungen sind der Industrie zu teuer, da sie ja eh Milliarden (in den USA), gar Millionen (in Deutschland) an Schadenersatz für ihren schändlichen Betrug bezahlen muss. Und Aktionäre müssen bedient werden, Aussteiger aus den Vorständen nicht minder. Da bleibt eben vorläufig für Lunge, Wald und Wiese nichts übrig.

Die Bundeswehr zerstörte am 3. September vergangenen Jahres durch bei großer Trockenheit vorgenommene Raketentests (?!) bei Meppen ein Moor. Hunderttausende Tonnen klimaschädliches CO2 wurden freigesetzt. Im vergangenen Sommer führten Schießübungen auf 32 weiteren Übungsplätzen der Bundeswehr zu Bränden.

„Eden brennt.“ Die Kirchen haben seit Jahrzehnten nicht geschwiegen, wenn es um die „Bewahrung der Schöpfung“ ging. Unzählige Gottesdienste, Gebete, Aktionen, Erntedank-Predigten, Demonstrationen, Aktionsbündnisse und Verlautbarungen gingen durchs Land. Wir werden unbeirrt weiterpredigen, -handeln – hoffentlich auch persönlich – und -beten.

Ich stelle Peter Handkes Satz „Eden brennt“ in seinen ursprünglichen Zusammenhang (a. a. O., S. 58f): „Und dann in der Bar bei der Dorfkirche der nächsten Vorstadt der Pensionist, dem die Uhrkette des Großvaters in einer geschwungenen Linie vom Bauch in die Hosentasche führte. Und er übersah für einmal den bösen Blick eines Alteingesessenen. Und die sprichwörtliche ,Dankbarkeit für die Störung‘ (statt des Unwillens): für einmal gelang solche Verwandlung. Warum aber dann, mitten an dem vergnüglichen Nachmittag, die jähe Angst vor dem weiteren Tag, nichts als dem Tag? Als gäbe es für die bevorstehenden Stunden kein Durchkommen (,der Tag wird mit mir Schluss machen!‘), keinen Ausweg mehr? Das Lehnen der Leiter im Vorwinterbaum – ja und? Das Blauen der Blumen tief im Gras des Bahndamms – ja und? Stocken, Bestürzung, ja eine Art von Grauen, und die heitere Stille verjagt von noch und noch Sprachlosigkeiten. Eden brennt. Und dagegen, oder für das Glücken des Tags, es zeigt sich jetzt wieder, gibt es kein Rezept. ,O Morgen!‘, der Ausruf, er wirkt nicht. Lesen zu Ende, Tag zu Ende? Im-Wort-Sein zu Ende, Tag zu Ende? Und solche Stummheit schließt auch jedes Beten aus, es sei denn ein so unmögliches wie ,Morgene mich‘, ,frühe mich‘, ,fang mich neu an‘. Wer wusste, ob nicht manche rätselhafte Selbstmorde insgeheim die Folge gerade so eines versuchten, mit einem herzhaften Aufschwung begonnenen und auf der vermeintlichen Ideal-Linie geschehenden Tagglückens waren? Aber mein Nichtbestehen des Tags, sagt es mir nicht andrerseits doch etwas? Dass ich eine falsche Ordnung in mir habe? Dass ich nicht gemacht bin für den ganzen Tag? Dass ich den Morgen nicht am Abend suchen darf? Oder doch?“

Suchen wir den Morgen nicht erst am Abend! Eden brennt schon seit Jahrhunderten. Manche meinen ernsthaft, bald wäre es (wären Millionen von Menschen nicht anders als vorher Milliarden von Pflanzen und Tieren) nicht mehr zu retten. Wir aber predigen das Evangelium.

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