emeritus, emeriti, masculinum: der Ausgediente, der in Ehren Entlassene, der Unbrauchbare

Einer meiner guten Pfarrersfreunde, der in unsere Gemeinde zugezogene und mit 59 Jahren zu Gunsten einer jüngeren Kollegin/eines jüngeren Kollegen emeritierte Hans-Günther Haas, leider so früh gestorben, konnte schwer damit umgehen. Wer darauf zugreifen kann, sollte noch einmal die Beitrag von Hans-Günther Haas in den PASTORALBLÄTTERN, „Pfarrer im Ruhestand - Pfarrer in Anführungszeichen?", PB 1/2002, lesen. Der Anfang seines Beitrags war:
„Wenn man mich fragt: ,Was machen Sie eigentlich?', soll ich dann antworten: ,Ich bin Rentner', oder: ,Ich bin Langzeitarbeitsloser', oder: ,Ich bin Beamter im Ruhestand'? Lebte ich in den USA, müsste ich sagen: ,Ich gehöre zu denen, die 52 Wochen Urlaub im Jahr haben.' - Eine Studentin fragte etwas ungläubig, aber direkt: ,Sind Sie wirklich Pfarrer?' Als ich antwortete: ,Nicht direkt, ich war Pfarrer', da sagte sie: ,Ich dachte, Pfarrer sei man für immer.' Darauf ich: ,Das dachte ich auch.'"
Ein befreundeter Kollege an unserem Gymnasium, des Lateinischen und Griechischen weitaus mächtiger als ich, bestätigte die ganze Bandbreite des schillernden Begriffs „emeritus". Einerseits geht es um den ausgedienten Soldaten, den verdienten Beamten, der „sich verdient gemacht" hat, nun sein Leben nicht mehr in die Schusslinie halten muss, sondern sich in Ehren zurückziehen kann. Der emeritierte Professor muss kein Seminar mehr halten und darf sich nun seinen Forschungen ganz und gar widmen. Oder kann Rosen züchten, Enkeln Griechisch beibringen oder sich um die Ortschronik verdient machen.
Aber so positiv die Wertung bei Cicero gelegentlich ausfällt, ebenso negativ kommt der Begriff „emeritus" beim gleichen Autor schon vor 2000 Jahren daher: Wenn das Jahr zu Ende geht, hat es „ausgedient": „annus emeritus est". Das Alte, „der Alte" ist „unbrauchbar" geworden.
Liegt es nun an dem einzelnen Kollegen, der einzelnen Kollegin, wie sie/er den alten Begriff interpretiert? In diesen Jahren gehen die stärksten Pfarrerjahrgänge, die die evangelische Kirche in Deutschland je hatte, in den „Ruhestand". Meist sind es Männer. Während heute die Mehrzahl der Theologie Studierenden weiblich ist, in einigen Jahren wahrscheinlich auch die Mehrzahl der Pfarrerschaft (aus diesem Grund bemühe ich mich seit der Übernahme der Schriftleitung mit den Pastoralblättern 2000/01 darum, a) einen 50-prozentigen Anteil jeweils von Kolleginnen und Kollegen zu erreichen - leider ist es gerade in dieser Ausgabe nicht gelungen - , und b) die „Landeskirchen-Grenzen" zu überwinden), scheidet nun die ganze „Nachkriegs-Generation" - meist männlich - aus dem Dienst. So besehen wäre es eine besondere Aufgabe, weit intensiver als bisher über den Status der „Emeriti" nachzudenken. Das scheint mir eine pastoraltheologische Aufgabe ersten Ranges zu werden. In Pastoralkollegs wird sie hier und da schon aufgenommen; ob die Angebote wahrgenommen werden und welche Früchte sie tragen, weiß ich nicht. Sollte hier jemand kundig sein, wäre ich über einen Beitrag in den Pastoralblättern dankbar. Im Übrigen hat Martin Luther uns als Hörenden wie als Predigenden ins Stammbuch geschrieben: „Wer dem Wort glaubt, der achtet nicht auf die Person, die das Wort sagt, und ehret auch nicht das Wort um der Person willen; sondern im Gegenteil, die Person ehret er um des Wortes willen, stellt immer die Person unter das Wort. Und ob die Person unterginge oder gleich vom Glauben abfiele und anders predigte, so lässt er eher die Person als das Wort fahren, bleibt bei dem, was er gehört hat. Es sei die Person, es komme die Person, es gehe die Person, wie und wann es mag und will."
Ob das je so „einfach" war?

Von einem emeritierten Dekan habe ich - leider ohne Autorenangabe - folgende zehn Regeln für den Ruhestand erhalten:
1. Regel: Danke jeden Morgen Gott, dass es dir gut geht, auch dann, wenn manches Wehwehchen dir Kummer macht.
2. Regel: Helfe gern dem, der dich darum bittet - aber denke daran: Jetzt darfst du ohne schlechtes Gewissen Nein sagen!
3. Regel: Lese gelegentlich, aber mit großer Aufmerksamkeit, deine alten Predigten und sei ehrlich mit dir selbst: Was waren Steine statt Brot und was war genial gelungen? Letzteres erfreut auch jetzt noch Zuhörer in einem Gottesdienst.
4. Regel: Denke niemals den Gedanken, nur ich war gut für diese Gemeinde. Wenn der dir nachfolgende Mensch alles ganz anders macht und dich das kränkt, dann sei dir bewusst, die Verantwortung trägt jetzt ein anderer Mensch - und schweige.
Wenn der dir nachfolgende Mensch in deinem Sinne weitermacht und dich das erfreut, auch das ist deiner Verantwortung enthoben und schweige.
5. Regel: Sei dir nicht zu schade zur Vertretung am dritten Feiertag mit fünf Besuchern.
6. Regel: Werde nicht überheblich, wenn du feststellst, der bewunderte Kollege kocht auch nur mit Wasser. 7. Regel: Sei ein guter Opa für deine Enkel, für die du jetzt Zeit hast. Höre ihnen zu und erzähle von deinem Leben und vergiss nicht deine Niederlagen, das wird ihnen Mut machen, mit ihren eigenen Niederlagen fertig zu werden. 8. Regel: Opa sein heißt nicht Erzieher sein! Du wolltest das einst auch nicht als Vater. Aber vermitteln darfst du in alle Richtungen, und fürchte dich nicht vor der Vorhaltung deiner Kinder, du habest früher ganz anders geredet. Denn es ist keinem Menschen von Gott verwehrt worden, im Alter an Weisheit zuzunehmen.
9. Regel: Liebe deine Frau, so du noch eine hast, danke Gott dafür, dass sie dein Tröster und Helfer ist, die zum hundertsten Mal geduldig anhört, was du immer wieder erzählst.
10. Regel: Wenn du es dir leisten kannst, gehe regelmäßig in die Sauna, das hält Leib und Seele gesund und du siehst anschaulich, was dein Arzt meint, wenn er dir auferlegt, mit gewissen leiblichen Genüssen zurückhaltend zu sein.

Merke: Wenn du alle diese Regeln einhältst, dann ist dein Ruhestand ein Stück vom Paradies, das uns
Christenmenschen verheißen ist.

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