Der Monatsspruch im November 2011

Gut ist der Herr, eine feste Burg am Tag der Not. Er kennt alle, die Schutz suchen bei ihm.
Nahum 1,7

Nicht nur der Prophet Nahum vergleicht Gott mit einer festen Burg, sondern auch Martin Luther wählt dieses Bild für Gott im gleichnamigen Lied, das zum Dauerbrenner vieler Gemeinden am Reformationstag geworden ist. Die dicken, nur von kleinen Fenstern und Schießscharten unterbrochenen Mauern bieten Schutz und Sicherheit. Das hat Luther am eigenen Leib erfahren, als er auf der Wartburg war.

Auch in Astrid Lindgrens Kinderbuch „Ronja Räubertochter" hat eine Burg eine zentrale Bedeutung. Die Geschichte beginnt mit Ronjas Geburt in einer schaurigen Gewitternacht. Da ist es gut, dass der Räuberhauptmann Mattis eine sichere Räuberburg besitzt, in der seine Frau das Kind unbehelligt von den Stürmen zur Welt bringen kann. Während draußen noch das Unwetter tobt, nimmt Mattis sein neugeborenes Mädchen in die Arme. Die dicken Burgmauern bieten Schutz und geben Geborgen-heit. Ronja wächst heran und liebt diese Burg mit all ihren besonderen Ecken und geheimen Verstecken. Als sie etwas größer ist, treibt sie sich tagsüber im Wald herum. Aber jeden Abend kehrt sie in die Mattisburg zurück. Eines Tages lernt sie Birk kennen. Er ist der Sohn des verfeindeten Räuberhauptmannes Borka. Zu allem Überfluss zieht Borka mit seinen Räubern heimlich in die zur Mattisburg gehörende Nordburg. Sie ist durch einen Graben von der eigentlichen Burg getrennt und wird sogleich zur Borkafeste erklärt. Doch während die Erwachsenen sich in bitterer Feindschaft gegenüberstehen, schließen die beiden Kinder nach und nach Freundschaft. Dafür haben die Erwachsenen wenig Verständnis. Da die Räubersippen keinen Frieden miteinander finden, beschließen die Kinder, die Burg zu verlassen, um fortan gemeinsam in einer Höhle im Wald zu leben. Die einstmals schützenden Burgmauern sind angesichts des Streites der Erwachsenen zu eng geworden.
Doch nicht nur tatsächliche Gebäude, sondern auch Bilder und Vorstellungen können zu eng werden. So wird einigen Menschen das Gottesbild ihrer Kindheit zum Gefängnis. Was einst Sicherheit und Geborgenheit bot, erscheint plötzlich muffig, düster oder erstarrt. Manche folgen dann ihrem Fluchtinstinkt. Sie wollen da raus und entfernen sich auf diese Weise von Gott. So erinnere ich mich an einige Oberstufenschüler, die mir sagten, die Kirche würde die Menschen für dumm verkaufen. Die Geschichten in der Bibel wären vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus Unfug. Wer daran glaube, sei naiv. Und Gott als alter Mann mit Bart sei doch auch Quatsch. Sie lehnten Gott ab, ohne zu merken, dass es nur ein Bild von Gott neben unzähligen anderen war, das sie von anderen übernommen hatten und das ihnen nun zu eng geworden war.

Wie Ronja aus der Burg müssen vielleicht auch wir ab und an aus unseren Gottesbildern auswandern, um Gott in anderem Umfeld, aus einer neuen Perspektive oder auf anderen Wegen wieder näherkommen zu können. Wenn wir uns auf diesen Prozess einlassen, werden wir feststellen, dass Gott selbst mit uns ausgezogen ist und sich bereithält, um uns in neuen Bildern zu begleiten. So können in unterschiedlichen Lebensphasen verschiedene Gottesbilder hilfreich sein, weil sie jeweils zu unserer Entwicklung passen. Gott bleibt dabei derselbe. Aber das Bild, durch das wir ihn haben, verändert sich.
Als es auf den Winter zugeht, versöhnen sich Ronja und ihr Vater wieder. Die verfeindeten Räubersippen schließen Frieden und die Kinder kehren zurück in die Burg. Es ist dasselbe Gebäude, und doch lebt es sich dort nun völlig anders.

Nach einer langen inneren oder äußeren Reise wird womöglich auch der eine oder die andere von uns zum Gottesbild der Kindheit zurückkehren. Es ist dann auf den ersten Blick das gleiche Bild. Doch beim zweiten Hinsehen entdecken wir den entscheidenden Unterschied. Alle Gottesbilder, die uns auf unserem bisherigen Weg geprägt haben, leuchten in diesem alten Bild nun mit auf. Dadurch wird es vielschichtig und bunt. Die Burg ist noch einmal zum Schutzraum geworden, der jetzt nicht mehr einengt. Wissen wir doch, dass wir die Burg jederzeit in Begleitung Gottes auch wieder verlassen können. Er wird sich auch auf der grünen Wiese oder im Getümmel der Großstadt von uns finden lassen.

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