Das Evangelium des Judas – Predigt über apokryphe Texte

Schriftleiter und Redaktionsbeirat haben sich im Sommer 2008 darüber verständigt, die Themenpredigten 2009 apokryphen Texten zu widmen.
In alten Lutherbibeln waren die alttestamentlichen Apokryphen zwischen den beiden Testamenten noch beigegeben; so erfreute sich Jesus Sirach nicht geringerer Bekanntheit als das Buch Prediger.
Mit den neutestamentlichen Apokryphen verhält es sich jedoch anders. Jahrhundertelang kannte man die nichtkanonischen Evangelien, Akten, Briefe und Apokalypsen nur durch die ablehnende Darstellung der Kirchenväter (Irenäus, Adversus haereses I-V). Nun sind uns diese apokryphen Schriften seit Mitte des letzten Jahrhunderts nach Funden in Mittelägypten (Entdeckung der Bibliothek von Nag Hammadi im Jahre 1945) zumindest in koptischen Abschriften aus dem 4. und 5. Jahrhundert bekannt. Oft in einem jämmerlichen Zustand erhalten, bieten sie dennoch ein buntes, widersprüchliches und durch die Widersprüchlichkeit erhellendes Bild einer längst noch nicht „orthodoxen", an den kanonischen Schriften orientierten Kirche. Es muss eine verwirrende Vielfalt geherrscht haben, als Irenäus im Gallien des 2. Jh. versuchte, die Fundamente der Kirche auf einen ordinierten Klerus (Bischöfe), auf vier Evangelien und den neutestamentlichen Kanon und auf ein Bekenntnis zu gründen. Wie auch immer die Entscheidungen gefallen sind, jedenfalls verschwanden die „häretischen" Schriften zum Teil bis in unsere Zeit.
Das bietet nicht nur Romanschreibern und Filmemachern (Da Vinci Code, Sakrileg) Anlass zu den wildesten Spekulationen. Insofern halte ich es für wesentlich, den Gemeinden wichtige Texte (Judasevangelium, Evangelium der Maria Magdalena, Petrusakten, Thomasevangelium, Evangelium des Jakobus u. v .a. m.) in die Hand zu geben, die Texte zu besprechen, ihr Verständnis zu ermöglichen und damit zu begeistern für ein Jahrhundert Kirchengeschichte (2. Jh.), in dem die Weichen gestellt wurden für die Entscheidungen von Nicäa 325 n.Chr. und damit der einen Kirche.
Wenn wir uns heute gelegentlich schwertun mit dem „ökumenischen" Miteinander, mit der Vielfalt von „freien evangelischen" und anderen Gemeinden, dann kann uns der Blick in die Anfänge lehren, uns selbst als Teil eines Prozesses zu sehen, der schon in der Apostelgeschichte spürbar wird (die „geschönte" Darstellung in Apg 15 bekennt immerhin, dass „man sich lange gestritten hat", Apg 15,7) und bis heute anhält.
Predigten über neutestamentliche apokryphe Texte setzen eine theologische Auseinandersetzung mit den Texten voraus, zumindest eine Lektüre des ganzen Evangeliums oder Briefes. Sollen diese nichtkanonischen Schriften fruchtbar werden für die Gemeinde - und ich meine, dass dies gelingen kann -, dann muss die Predigerin/der Prediger mehr wissen, als sie/er sagt. Denn Fragen werden kommen. Berechtigte Fragen.
Der Text des Judasevangeliums ist mehrfach publiziert, zuletzt von Elaine Pagels & Karen L. King, Das Evangelium des Verräters, München 2008.
Im Internet bieten sich folgende Adressen an:
http://de.wikipedia.org/wiki/Judasevangelium
http://bsiebert.bs.ohost.de/Judas/GermanGospelOfJudas.pdf
Der nachfolgenden Predigt liegt der Text von E. Pagels/K. L. King zugrunde.

War Judas schuld?
Wie kann Judas Schuld haben und verdammt sein, wenn es doch Gottes Wille war, dass sein Sohn stirbt für unsere Sünden?
Wie kann Judas Schuld haben, wenn Jesus ihm selbst den Auftrag gibt, nun umgehend zu tun, was getan werden muss?
Es geht um Leben und Tod, um Freundschaft und Verrat.
Uns öffnet sich nach der Epiphaniaszeit und ihrem Licht ein dunkles Bild. Schwer verständlich. Am Ende der Fasten- und Passionszeit steht der Karfreitag, dem mehr und mehr Menschen ausweichen, dessen „Evangelium" immer weniger Menschen verstehen und nachsprechen. Viele springen von der Weihnachts- und Epiphaniaszeit ohne Umwege in die österliche Zeit.

Die Passionszeit stellt Fragen.
Das Leiden und Sterben seines Sohnes stellt die Liebe des Vaters in Frage.
Es geht um Leben und Tod, um Schuld, Freundschaft und Verrat.

Das ist für Julianus - geben wir ihm einfach einmal diesen Namen - keine theoretische Frage.
Morgen kommt es zum Schwur. Die Hauptstadt hat seit wenigen Wochen einen neuen Präfekten. Er muss sich seine Sporen erst noch verdienen. Der Kaiser in Rom will eine positive Bilanz, will Ruhe an der Front. Wir schreiben das Jahr 908 nach römischer Zeitrechnung. Seit der Gründung der Stadt Rom. Später wird man sagen: 154 nach Christi Geburt. Aber so rechnet damals niemand in Rom oder Alexandria. Aelius Aurelius Commodus und Sextius Lateranus sind Konsuln in Rom. Titus Aelius Hadrianus Antoninus ist Kaiser. Man nennt ihn Antoninus Pius, der Fromme.
Ägypten ist ein heißes Pflaster. „Da kannst du dir deine ganze Karriere versauen!", hat man dem jungen Beamten in Rom auf den Weg gegeben. Kluge Sprüche. Und ein paar derbe Witze über Caesar und Kleopatra. Aber deren Geschichte ist bald 200 Jahre her.

Der römische Präfekt und seine Probleme sind nicht unser Thema. Wir feiern Gottesdienst bald 2000 Jahre später.
Und doch möchte ich sie Ihnen vor Augen malen: den jungen Familienvater, seit zehn Jahren Christ, Ehefrau Christin, die kleinen Kinder der jungen Ehe. Sonntags treffen sich die Erwachsenen zum Gottesdienst. Knapp 50 sind sie in Alexandria. Sie nennen sich „Christen". Glauben an Christus. Mitten in einer fremden Welt sagen sie, vor hundert Jahren sei einer umgebracht worden von den Römern. Verraten von eigenen Leuten. Gekreuzigt. Sei auferstanden aus dem Tod. Habe den Tod überwunden.
Julianus ist mit seiner jungen Frau hineingewachsen in die Gemeinde der Christen. Ist „eingeweiht" in Taufe und Abendmahl. Kennt die Gebote. Kennt die Gebete der Christen. Kennt die Orte, an denen sich die Christen treffen. Kennt Familien, Adressen, Namen.
Morgen kommt es zum Schwur. Der neue Präfekt lässt antreten. Lässt schwören. Auf den Kaiser. Und gegen jeden anderen Gott. Und wer etwas wisse, möge sich melden. Gerne anonym. Kein Eintrag in die Personalakte, eher eine Beförderung wegen besonderer Treue zu Kaiser, Reich und Religion.

Julianus hat sich vorbereitet auf diese Situation.
Ein Trainingsprogramm: Was sage ich, wenn ...?
Nenne ich Namen, Adressen, Zeiten?
Nein, hat man ihm gesagt. Was heißt „man"?
Es ist der Gemeindevorsteher Rufus, der weißhaarige Bischof, von dem es heißt, er habe noch einen Enkel des Petrus gekannt. 75 Jahre alt ist er mittlerweile. Eine Säule der Gemeinde.
Nein, hat Rufus gesagt.
Ihr werdet nicht verraten.
Durchhalten müsst ihr, hat Rufus gesagt.
Viele vor uns haben durchgehalten. Sind Blutzeugen geworden, Märtyrer.
Sie gehen durch den Tod ins Leben, hat der Greis gesagt.
Märtyrer sind sofort bei Gott.
Und meine Frau, meine Kinder?
Auch sie sind bei Gott, hat Rufus gesagt. Es gibt nichts Köstlicheres, als für die Schwestern und Brüder sein Leben zu lassen. Wie Jesus selbst, wie Stephanus und alle nach ihm, die durchgehalten haben. Die Kette der Blutzeugen ist nicht gerissen. Sei du ein starkes Glied, hat Rufus gesagt.

Julianus schläft schlecht in dieser Nacht. Wer kann schon schlafen, wenn es am nächsten Tag zum Schwur kommt. Und der Schwur Tod oder Leben bedeutet?

Julianus und seine Frau, andere - wir kennen nicht einen Einzigen mit Namen, aber sie waren Christen wie wir, nur vorzeiten - Julianus und andere dachten und sagten: Das kann doch nicht Gottes Wille sein, dass wir unsere Frauen und Kinder ans Messer liefern.
Sie sagen nicht einfach: Rufus, der greise Bischof, hat leicht reden. War nie verheiratet. Hat nicht Frau und Kinder. Hat sein Leben gelebt.
Sie sagen: Das stimmt im Grundsatz nicht. Der Gott der Liebe will keine Opfer. Der Gott der Liebe will keine Märtyrer. Und es ist eine Schande, wenn man Mitchristen auffordert, in den Tod zu gehen.

Was ist richtig? Was ist falsch? Und was täten wir, wenn es zum Schwur käme?
Heute wird niemand mehr Psalmen singend von Löwen zerfetzt. Heute wird niemand mehr das Bekenntnis stammelnd bei lebendigem Leibe verbrannt. Das ist Geschichte. Doch aus dieser Geschichte tauchen Zeugnisse auf von Frauen und Männern, die dem „mainstream", der „offiziellen Linie" nicht folgten. Schriftliche Zeugnisse aus der Zeit, in der auch unser Neues Testament entstanden ist. Zeugnisse von Christen.
Ihre Gedanken sind uns fremd. Sie passen nicht in unser Bild. Sie sind nicht „kanonisch", sie gehören dem „Kanon" des Neuen Testamentes nicht an. Sie gehören nicht zu unserer Bibel. Sie sind ausgesondert worden als ketzerisch, verworfen als Irrlehre, verfolgt als Lügner.
Doch als diese Texte geschrieben wurden, da war noch nichts festgelegt. Da gab es noch keine fertige Ordnung, kein endgültiges Bekenntnis. Frauen und Männer waren auf der Suche nach Wahrheit. Und so entstanden Evangelien, die ganz anders reden als unsere vier, die dann „offiziell" für richtig erklärt wurden und sich heute in unserer Bibel finden.
Lange hat man von ihnen wenig gewusst. Hat nur die Gegenseite gekannt. Irenäus, der Bischof von Lyon im heutigen Frankreich, hat im 2. Jahrhundert nach Christus fünf Bücher gegen diese falschen Gedanken geschrieben. Von ihm wussten wir erst, dass es sie gegeben haben muss.
1945, fernab vom Kriegsende des Zweiten Weltkriegs, fanden in Mittelägypten, in Nag Hammadi, Menschen eine ganze Bibliothek solcher Schriften. Versteckt vor der eigenen Amtskirche. Zeugnis einer bewegten und bewegenden Suche nach der Wahrheit.
Die sie fanden, wollten Geld damit verdienen. Sie haben ihre Funde in Einzelteilen verkauft. Heute sind sie alle veröffentlich. Jeder Buchstabe, der noch lesbar ist.
Unter diesen Schriften findet sich auch das Evangelium des Judas.
Dieses kurze, nur in Bruchstücken erhaltene Evangelium nimmt uns mit in die Zeit, die ich anfangs beschrieben habe. Es ist ein ganz anderes Evangelium. Aber es waren unsere Schwestern und Brüder damals, die es schrieben. Mit großem Ernst. Denn die Lage war ernst.
Der Jesus dieses Evangeliums lacht seine Jünger aus. Keiner hat verstanden. Nur einer: Judas. Jesus weiht diesen Judas ein in das Geheimnis des Glaubens.
Ich lese einige Abschnitte aus dem Evangelium des Judas.

Kapitel 2:
1 Eines Tages fand er sie beisammensitzen (und) (sich) in Frömmigkeit übend. 2 Als er [auf] seine Jünger [zuging], wie sie beisammensaßen und die Danksagung über das Brot sprachen, 3 lachte [er]. 4 Die Jüng[e]r sagten zu ihm: „Meister, warum lachst du über [unsere] Danksagung? Was haben wir denn getan? 5 [Dies] ist doch das Richtige." 6 Er antwortete und sprach zu ihnen: „Ich lache nicht über euch 7 ihr tut dies ja nicht einmal aus eurem eigenen Willen -, 8 sondern (ich lache, weil) mit dieser (Danksagung) euer Gott Lobpreis empfangen will." 9 „Meister, du bist [ ..... ] der Sohn unseres Gottes", sagten sie. 10 Jesus sagte zu ihnen: „(Meint ihr wirklich), ihr kennt mich - (und) woran? 11 Wahrlich, ich sage euch, kein Geschlecht von den Menschen, die unter euch sind, wird mich jemals kennen." 12 Als aber seine Jünger dies hörten, begannen [sie] ungehalten und zornig zu [werden] und ihn in ihrem Herzen zu verfluchen. 13 Als aber Jesus ihre Torheit sah, 14 [sagte er] zu ihnen: „Warum lasst ihr euch vom Zorn verwirren? 15 Euer Gott, der in euch ist, und [seine ....] sind ungehalten [zusammen mit] euren Seelen. 16 Wer von euch Menschen [stark] ist, der bringe den vollkommenen Menschen hervor 17 und trete vor mich hin." 18 Und sie sagten alle: „Wir sind stark!" 19 Ihr Geist aber hatte nicht den Mut, vor ihn hinzutreten - außer Judas [Is]kariot. 20 Er vermochte es, vor ihn hinzutreten, 21 obwohl er ihm nicht in die Augen blicken konnte, sondern das Gesicht abwandte. 22 Judas sagte zu ihm: „Ich weiß, wer du bist und von welchem Ort du gekommen bist - 23 du bist aus dem Reich der unsterblichen Barbelo gekommen -, 24 ich aber bin nicht würdig, den Namen dessen auszusprechen, der dich gesandt hat." 25 Jesus, der erkannte, dass Judas noch mehr solche erhabenen Dinge wahrnahm, sagte daraufhin zu ihm: „Trenne dich von ihnen. 26 Ich werde dir die Geheimnisse des Königreiches sagen. 27 Du kannst dorthin gelangen, 28 aber du wirst viel Kummer erleiden. 29 Denn ein anderer [wird] deinen Platz einnehmen, damit die zwölf Jü[nger] wieder vollzählig werden in ihrem „Gott". 30 Und Judas sagte zu ihm: „Wann wirst du mir diese Dinge sagen, 31 und wann wird der große Tag des Lichts für das [......] Geschlecht anbrechen?" 32 Aber als er dies gesagt hatte, ging Jesus von ihm fort.

Judas also wird in diesem Evangelium geschildert als der einzige Jünger, der stark genug ist, das Geheimnis des Glaubens zu verstehen. Das wird für ihn böse Folgen haben. Er wird von den anderen Jüngern in den Tod getrieben werden.
Warum?
Weil Judas Jesus versteht. Weil Judas nicht der offiziellen Linie folgt und damit den Bischöfen, die um ihrer Wahrheit willen Menschen opfern. Die Menschen zu Märtyrern machen und den Menschen sagen: Wenn du für Jesus stirbst, dann kommst du direkt in den Himmel. Entsprechend schildert das Judasevangelium - „übertrieben" - das Verhalten der Bischöfe und Priester:

Kapitel 4
1 An einem anderen Tag kam Jesus zu [ihnen]. 2 Sie sagten zu 4 [ihm]: „Meister, wir haben dich in einer [Vision] gesehen. 3 Denn wir hatten [in der] Nacht große Tr[äum]e [...]" 4 [Er sagte:] „Warum habt [ihr ...... ] [eu]ch versteckt?" 5 Sie wiederum s[agten: „Wir] sah[en] ein großes Hau[s mit einem großen Alta[r darin und] zwölf Männern, die wir als Priester bezeichnen, und einen Namen. 6 Aber eine Menschenmenge harrte aus bei diesem Altar, b[is] die Priester [mit dem Empfang] der Opfergaben [fertig waren. 7 Auch wir harrten aus."
8 Je[sus sagte:] „Welcher Ar[t] sind [diese Priester]?" 9 Sie [sagten:] „[Ein]ige [leben seit z]wei [W]ochen enthaltsam. 10 [Andere] opfern ihre eigenen Kinder, wieder andere ihre Frauen, 11 während sie lobpreisen und sich zueinander demütig verhalten. 12 Einige schlafen mit Mä[nn]ern. 13 Andere sind an Metzeleien beteiligt. 14 Wieder andere haben eine [Viel]zahl von Sünden und Ungerechtigkeiten begangen. 15 [Un]d die Männer, die die Aufsicht [übe]r den Altar haben, rufen deinen Na[men] an! 16 Und so ist bei all der Mühe, ihre Opfergaben zu zerteilen, jener Altar beständig voll." 17 Und nachdem sie diese Dinge gesagt hatten, verstummten sie, denn sie waren sehr verwirrt. 18 Jesus sagte zu ihnen: „Warum seid ihr verwirrt? 19 Wahrlich, ich sage euch, alle Priester, die die Aufsicht über jenen] Altar haben, rufen meinen Namen an. 20 Und noch einmal] sage ich euch, dass sie meinen Namen auf das [...] der Sternengeschlechter durch die Menschengeschlechter geschrieben haben. 21 [Un]d in meinem Namen haben sie in Schande Bäume gepflanzt, die niemals Früchte tragen."

Sie spüren die Auseinandersetzung um den richtigen Weg. Sie spüren das Widerborstige und das Widerständige: Welche Weg ist der richtige? Was gilt in der Kirche? Die Schreiber des Judasevangeliums und anderer Evangelien sind unterlegen. Das mag gute Gründe haben. Das war im Jahr 154 nach der Geburt Christi aber noch lange nicht entschieden. Entschieden war das erst 200 Jahre später, als das Christentum Staatsreligion wurde im Römischen Reich. Und die Christen den Spieß umdrehten, die Olympischen Spiele verboten und nun selbst Andersgläubige ins Martyrium trieben.

Das Evangelium des Judas, das erst in diesen Jahren nun in seinen 1800 Jahre lang versteckten, verbotenen und mit der Zeit verrotteten Abschriften für uns zugänglich wurde, endet ganz anders als die uns bekannten Evangelien. Auch hier kommt es zum Verrat. Auch hier verrät Judas. Doch er verrät „wissend". Sein Jesus hat ihm gesagt, dass dieser irdische Leib nur eine Hülle sei. Vergänglich. Der wahre Gott wolle Sterben und Leiden nicht. Was da von Jesus am Kreuz stirbt, ist nie die letzte Wirklichkeit, weil - so sei es Gottes Ordnung - die von Gott gegebene Seele „unsterblich" sei.
Es braucht nicht den Sühnetod Jesu. Es braucht nicht die Auferstehung. Es geht vielmehr um Erkenntnis. Die Erkenntnis der Lehre Jesu öffnet den Weg in das ewige Leben.

Kapitel 16:
1 Ihre Hohepriester [aber] murrten, weil [er (Jesus)] [in] das Gastzimmer hineingegangen war zum Gebet. 2 Und einige der Schriftgelehrten lauerten darauf, ihn während des Gebets zu ergreifen, 3 sie fürchteten nämlich das Volk, weil er bei ihnen allen als Prophet galt. 4 Und sie traten an Judas heran. 5 Sie sagten zu ihm: „Was tust du an diesem Ort? 6 Du bist doch der Jünger Jesu." 7 Judas aber antwortete ihnen gemäß ihrem Willen. 8 Daraufhin erhielt Judas ein paar Kupfermünzen. 9 Er lieferte ihn an sie aus.
10 Das Evangelium des Judas.

Das ist uns allen sehr fremd.
So steht das nicht in der Bibel.
Aber kann man die Gedanken einfach damit abtun, dass sie sich am Ende nicht durchgesetzt haben?
Fragen Sie sich selbst:
Glauben Sie an die Unsterblichkeit der Seele?
Wenn ja, dann sind Sie näher beim Judasevangelium als bei den Briefen des Apostels Paulus.

Das ist für uns eine theoretische Frage.
Wir können gut und gerne stundenlang philosophieren.
Für uns kommt es morgen nicht zum Schwur.
Das war bei Julianus anders.
Ob er verraten hat?
Ich weiß es nicht.

Ich weiß, dass der Lehrer des Irenäus, des Bischofs von Lyon, der Mitte des 2. Jahrhunderts seine Bücher gegen die Ketzer schrieb, den Märtyrertod gestorben ist. Polykarp hieß dieser Bischof. Polykarp von Smyrna starb am 22. oder 23. Februar des Jahres 155 oder 156. Irenäus schreibt über ihn: „Er lebte gar lange und erlitt erst im Greisenalter ein ruhmreiches und denkwürdiges Martyrium." Viele Legenden ranken sich um ihn und seinen Tod und den Märtyrertod anderer. An ihrem Märtyrertod richteten sich die Gläubigen auf. Gelegentlich scheint es, also ob unsere verehrten Schwestern und Brüder damals den Märtyrertod gar herbeisehnten.

Doch es gab auch andere Stimmen.
Eine davon ist dieses eigenartige Evangelium des Judas.
Dass sie jetzt wieder gehört und gelesen werden können, das ist die eine Sache.
Wie wir selbst unseren Glauben leben und bezeugen in unserer Zeit, das ist die andere.

Mir ist jede Glorifizierung von Märtyrern fremd.
Mir ist der Eine wichtig, der gestorben ist, damit ich lebe.
Aber ich habe leicht reden.
Ich lebe nicht Jahr im 908 nach römischer Zeitrechnung.
Morgen kommt es für mich nicht zum Schwur.
Und die Adresse unserer Gemeinde steht in jedem Telefonbuch.
Unsere Gottesdienste sind nicht geheim.
Und das „Vater unser" kennen viele auswendig, die längst nicht mehr unsere Gottesdienste
besuchen.

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