Der Monatsspruch im Juli 2008

Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.
Psalm 139,5

Eine riesengroß scheinende Hand, darin ein winzig kleines Köpfchen - die erste Begegnung mit dem Neugeborenen. Ist meine Hand wirklich so groß. Und wie ist das Kind darin so klein, so zerbrechlich, auf meine Hilfe angewiesen. Kann ein Mensch so klein sein. Was werden meine großen Hände mit diesem kleinen Kind machen.
Ein vorsichtiges Herantasten beginnt. Es soll ihm ja nichts passieren. In dem Moment nehme ich mir vor: Meine Hände sollen bergen und schützen, sollen alle Gefahren von diesem kleinen Wesen abhalten. Ich will für mein Kind da sein, immer.

Ich denke, dieser Moment der ersten Begegnung ist es, der viele Eltern bei der Auswahl des Taufspruchs für ihr Kind beeinflusst. Und so gehört dieser Monatsspruch für den Juli nach meiner Erfahrung zu den beliebtesten Taufsprüchen überhaupt. Er drückt all das für mein Kind aus, das ich wünsche: Schutz, Geborgenheit, Nähe.
Aber auch, wenn ich es mir nach der Geburt fest vornehme, ich bin es doch nicht, der sein Kind schützen kann. Ich merke als Elternteil bald, dass ich leider nicht alle Schmerzen, alle Unfälle, alle Nöte verhindern kann. Ich kann meinen eigenen Vorsätzen trotz aller Anstrengungen nicht gerecht werden.
Wer kann es sein, wenn ich es nicht bin. Wer ist da, wenn ich nicht aufpasse. Gott alleine ist immer und überall da, kann immer und überall schauen und bergen und helfen. Und so steht hinter diesem Taufspruch der Wunsch nach Unversehrtheit, nach der großen Hand Gottes, die mein kleines Kind hebt und trägt.

Jugendliche sind diesem Vers gegenüber nicht mehr so positiv eingestellt. Eine Hand, von allen Seiten, nein, das dann doch lieber nicht. Sind nicht schon genug Hände da, vor allem so viele erhobene Zeigefinger, die die Bewegungsfreiheit einschränken. Halt, bis hierhin und nicht weiter. Verbote, wohin man auch schaut. Kein Alkohol an Jugendliche, keine Zigaretten, die Disko muss man verlassen, bevor es richtig lustig wird, nur weil man zu jung ist. Grenzen überall, die es zu überwinden gilt. Und sind nicht auch schon viel zu viele Augen da, die aufpassen und weitererzählen. „Was macht denn Ihr Kind abends noch auf der Straße?" - „Hat Ihre Tochter einen neuen Freund?" - „Die Leistungen Ihres Sohnes in der Schule lassen nach." Überall Menschen, die aufpassen: Eltern, Lehrer, Nachbarn, Verwandte. Und Aufpassen ist nun mal mit Einschränkungen gleichzusetzen.
Und dann auch noch Gott? Und er sieht immer und alles. Muss einem Jugendlichen da nicht unwohl werden. Kann Gott nicht mal wenigstens kurz wegschauen? Beim ersten Kuss zum Beispiel, den muss doch wirklich nicht jeder sehen. Man braucht doch seine Intimsphäre. Oder bei einer unvorsichtigen Tat, bei irgendeiner Dummheit. Muss er denn wirklich immer und überall sein und zusehen? Ein solcher Gott macht Angst.
Hände weg, möchten sie schreien. Wir wollen selber bestimmen, was wir tun. Es wird schon nichts passieren.

Vielleicht muss man wirklich älter und reifer werden, um dann wieder Zugang zu diesem Vers zu bekommen. Vertrauen gehört dazu, Vertrauen, dass der große Gott es gut mit mir meint. Wohin ich auch gehe, wohin ich auch fliehen möchte, so sagt der Psalm in seiner Gesamtheit, ich kann vor Gott nicht weglaufen. Gott findet mich überall. Ich kann nicht weglaufen, ich muss aber auch vor Gott nicht weglaufen. Warum sollte ich, denn er bedroht mich nicht. Er verfolgt mich nicht mit einem strafenden Blick, der nur auf den nächsten Fehler wartet, um ihn zu ahnden. Er sieht meine Fehler mit den Augen dessen, der zur Vergebung bereit ist. Er sieht meine Wege als einer, der auch meine Irrwege mitgeht. Er will mich nicht einsperren, auch nicht zu meinem eigenen Schutz in einen goldenen Käfig.
Wer auf Gott vertraut, der kann sich in Gottes Hand geborgen fühlen wie ein kleines Kind in den großen Händen seiner liebenden Eltern.

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