Im Gespräch mit Maria Kube: Die Zukunft der Sprachkitas

Maria Kube, Kindheitspädagogin und Fachkraft im Bundesprogramm Sprachkitas in einer ASB-Werkstatt-Kita in Hamburg, beschreibt im Gespräch mit Iris Erbach aus der Kleinstkinder-Redaktion den hohen Wert einer kontinuierlichen Sprachförderung und was das Aus des Programms für die Kinder bedeutet. Darüber hinaus werden weitere „Krisenherde“ und deren Auswirkungen auf den Kita-Alltag thematisiert: Fachkräftemangel, Corona und die Qualität in den Kitas.

Auf einem orangenen Kreis steht in orangener Schrift Kleinstkinderpodcast und die Grafik eines Lautsprechers ist darüber

Wie geht es weiter mit den Sprachkitas?

Jingle: Gemeinsam wachsen, gemeinsam lernen. Willkommen beim Podcast von Kleinstkinder in Kita und Tagespflege.

Iris Erbach: Hallo und herzlich willkommen zu unserem Gespräch zur Zukunft der Sprachkitas. Zu Gast ist Maria Kube. Sie ist Kindheitspädagogin und Fachkraft im Bundesprogramm Sprachkitas in einer ASB-Werkstatt-Kita in Hamburg. Herzlich willkommen, Frau Kube.

Maria Kube: Vielen Dank. Danke für die Einladung.

Iris Erbach: Ja, sehr gerne. Mein Name ist Iris Erbach und ich bin Redakteurin der Zeitschrift Kleinstkinder in Kita und Tagespflege, die im Verlag Herder erscheint. Frau Kube, wir wollen ja heute über die Zukunft der Sprachkitas sprechen. Sie selbst sind Fachkraft im Bundesprogramm. Vielleicht wollen Sie sich noch mal ganz kurz vorstellen.

Maria Kube: Ja, sehr gerne. Mein Name ist Maria Kube. Ich bin Fachkraft im Bundesprogramm Sprachkitas und das inzwischen seit fünf Jahren.

Iris Erbach: Bevor wir jetzt loslegen mit den Fragen, würde ich vielleicht ganz kurz noch ein paar Worte zu dem Programm sagen. Die meisten kennen es natürlich, aber ich fasse es mal ganz kurz noch zusammen. Das Bundesprogramm Sprachkitas wurde 2016 gestartet, um die sprachliche Bildung als Teil der Qualitätsentwicklung in der Kindertagesbetreuung zu fördern. Für jede Sprachkita stellt das Programm eine zusätzliche Fachkraft zur Verfügung und diese Fachkräfte werden dann auch im Verbund von einer externen Fachberatung begleitet. Bundesweit ist etwa jede achte Kita eine Sprachkita und davon profitieren ungefähr 500.000 Kinder in Deutschland. Nun sollte dieses Programm Ende 2022 beendet werden. Es gab daraufhin sehr viel Protest. Auch in den Medien hat man viel dazu gehört und gelesen. Und nun gibt's vom Bund eine Übergangsfinanzierung, die läuft bis Sommer 2023 und danach soll das Geld für diese Sprachförderung aus dem Topf des neuen Kita-Qualitätsgesetzes kommen. Hier stellt der Bund vier Milliarden für die Sprachbildung zur Verfügung. Es gab aber daraufhin trotzdem noch weitere Kritik. Zum einen wurden die Kitas viel zu spät über die Beendigung dieses Programms informiert. Teilweise hatten sich die Fachkräfte schon neue Jobs gesucht und es ist auch zu befürchten, dass manche Länder diese Förderung eben nicht mehr so umsetzen, wie sie im Programm vorgesehen war. Und vor diesem Hintergrund, denke ich, ist es noch mal ganz wichtig, über die Sprachkitas zu sprechen. Auch um nochmal hervorzuheben, was die eigentlich alles können und wie wichtig sie sind. Und genau deswegen würde ich einfach mal mit einer Frage an Sie, Frau Kube, einsteigen. Was vermitteln Sie eigentlich in Ihrer Funktion als Fachkraft in diesem Programm der Sprachkitas? Also, was genau lernen die anderen Fachkräfte von Ihnen? Vielleicht können Sie da einfach mal aus Ihrem Arbeitsalltag erzählen.

Maria Kube: Ja, sehr gerne. Also, ich bin in der Kita mit einem Umfang von 19,5 Stunden und dieses Bundesprogramm basiert ja auf vier Säulen. Dies ist zum einen die alltagsintegrierte Sprachbildung, zum anderen die Zusammenarbeit mit Eltern. Dazu kommt Vielfalt, inklusive Pädagogik und als Querschnittsthema ist im letzten Jahr noch die Digitalisierung dazu gekommen. Ich sehe es als großen Vorteil dieses Programms, dass die Sprachfachkräfte sehr frei in der Umsetzung sind. Jede Sprachfachkraft hat die Freiheit, wirklich am Bedarf des Teams und an den Bedarfen der Kinder anzusetzen und auch ihre eigenen Stärken einzubringen. Und deswegen macht mir das auch ganz besonders viel Spaß. Für mich ist z.B. beim Thema alltagsintegrierte Sprachbildung ganz besonders die Haltung wichtig. Also wie begegne ich Kindern und auch Eltern im Dialog und warum spreche ich, wie ich spreche? Also ich denke, wenn die Fachkräfte eine Haltung entwickelt haben, ist es im Grunde fast egal, was für ein Angebot sie machen, denn dann lohnt sich eigentlich jede Situation für die Sprachbildung.

Und wir reflektieren das eben bei uns im Team ganz regelmäßig z.B. bei Teambesprechungen und ich nutze auch die Marte Meo Methode, um das im Team zu reflektieren.

Iris Erbach: Könnten Sie vielleicht noch zwei, drei Sätze zur Marte Meo Methode sagen und wie das dann abläuft, wenn Sie das im Team machen? Sie machen das mit den anderen Fachkräften, richtig?

Maria Kube: Genau, richtig. Also, Marte Meo heißt so viel wie “aus eigener Kraft” und ist eine videogestützte Beratungsmethode. Sie ist für Pädagogen und Pädagoginnen, aber auch für Eltern geeignet. Und am Anfang eines Beratungsprozesses steht eben immer eine bestimmte Fragestellung. Das kann z.B. sein, wie ich mit einem bestimmten Kind besser in Kontakt kommen kann, weil ich das Gefühl habe, mir gelingt das nicht so gut. Dann filme ich z.B. eine Alltagssituation mit dieser ein Fachkraft und dem Kind.

Und das ist eine ganz kurze Aufzeichnung von vielleicht fünf bis maximal zehn Minuten. Und das kann eine Situation z.B. im freien Spiel sein, je nachdem, das kommt ein bisschen auf die Fragestellung drauf an, aber z. B. wenn es um die Frage geht, wie ich mit einem Kind in Kontakt komme, eignet sich eine freie Spielsituation.

Und in wenn ich das Video aufgenommen habe, analysiere ich dieses Video und achte dabei auf bestimmte Marte Meo Elemente, so nennt sich das in der Methode. Und im freien Spiel sind diese Elemente z.B. das Warten, das Folgen und das Benennen. Also das Warten bedeutet: Schafft es die Fachkraft, sich zurückzunehmen und darauf zu warten, dass das Kind von sich aus Impulse zeigt oder Signale zeigt. Vielen Erwachsenen fällt das relativ schwer sich zurückzunehmen, gerade wenn man den Anspruch hat, irgendwas zu unterstützen oder zu fördern. Aber im freien Spiel ist das ganz besonders wichtig.

Dann geht's ums Folgen. Also zeigt das Kind beispielsweise ein Auto, dann muss die Fachkraft das zum einen wahrnehmen und zum anderen wäre es eben wünschenswert, dass die Kollegin dann darauf einsteigt und sich da anschließt an das Kind, also interessiert ist. Das dritte Element wäre dann das Benennen, also dass sie dann z.B. sagt: “Ah, du hältst ein rotes Auto in der Hand.”

Und dann, wenn ich dieses Video analysiert habe und diese ganzen gelungenen Momente rausgesucht habe, dann schneide ich das Video und zeige die gelungenen Momente. Deswegen ist diese Methode sehr ressourcenorientiert und deswegen arbeite ich auch so besonders gerne damit. Also im Grunde geht's darum, dass man das, was Erwachsene intuitiv schon machen, bewusst macht.

Iris Erbach: Und dann auch eben bewusst einsetzt.

Maria Kube: Ja, und dann kann es eben auch sein, dass sich daraus die Lernaufgabe ergibt für den weiteren Beratungsprozess oder dass die Fachkraft etwas länger abwartet .Das Schöne bei der Frage mit dem Kontakt ist: Wenn das Kind z.B. die Fachkraft anguckt, dann kann ich ihr das zeigen und sagen: “Guck mal, hier hast du es geschafft, ein Kontaktmoment herzustellen.” Und das ist eben das Schöne am Video. Ohne das Video würde das nicht so rüberkommen.

Iris Erbach: Und es ist ja eigentlich dann auch ein positives Bewusstmachen für die Fachkraft, oder?

Maria Kube: Auf jeden Fall. Ich mache die Erfahrung, dass die Fachkräfte immer gestärkt aus meinen Beratungen herausgehen. Und das ist ja auch gerade in Zeiten wie diesen, wo es auch einfach manchmal arbeiten am Limit bedeutet, glaube ich, eine wunderschöne Methode.

Iris Erbach:  Ja, das klingt absolut so.

Maria Kube: Genau.

Iris Erbach: Also, wir waren beim Thema alltagsintegrierte Sprachbildung.

Maria Kube: Genau, wir nutzen beispielsweise auch die unterstützte Kommunikation mit Gebärden. Das heißt, eine Kollegin hat eine Weiterbildung gemacht und sie gebärdet Schlüsselwörter. Das kann für Kinder, die noch nicht sprechen oder auch für Kinder, die mit einer anderen Muttersprache in die Kita kommen, eine wunderbare Brücke sein.

Also, da bin ich auch Multiplikatorin und begleite das. Aktuell habe ich dazu ein Fotobuch erstellt, dass die Eltern erwerben konnten, damit sie die Gebärden auch zu Hause nutzen können.

Auch die Raumgestaltung spielt eine ganz große Rolle bei der alltagsintegrierten Sprachbildung. Der Raum muss natürlich sprachanregend sein. Die Beobachtung der Kinder ist natürlich auch ganz entscheidend. Im Laufe meiner Tätigkeit haben wir z.B. den Beobachtungsbogen Basik eingeführt. Basik steht für begleitende alltagsintegrierte Sprachentwicklungsbeobachtung in Kindertageseinrichtungen.

Und aktuell beschäftigen wir uns damit, wie wir aus diesen Beobachtungsergebnissen das Bestmögliche für die Praxis rausziehen können. Das sind alles Prozesse, die ich begleite. Und ich unterstütze auch die Kolleginnen einfach bei Arbeiten, die ansonsten anfallen. Ich verfasse auch mal Elternbriefe. Ich bebildere diese Elternbriefe, ich recherchiere nach bestimmten Materialien oder unterstütze bei der Kooperation, z.B. im Moment mit einer Yogalehrerin.

Und ich gebe auch fachlichen Input. Wir haben ja auch, wie gesagt, eine Fachberatung, da finden Arbeitskreise statt und dieses Wissen bringe ich dann wiederum ins Team.

Iris Erbach: Also sie haben quasi auch eine Basis oder eine Station, wo sie sich wieder Input holen, den sie dann in die Kitas tragen. Richtig?

Maria Kube: Ja, genau. Das ist die erste Säule des Bundesprogramms, die alltagsintegrierte Sprachbildung. Dann gibt es die Zusammenarbeit mit Eltern und da steht unter anderem Beratung und Information im Vordergrund. Ich begleite z.B. auch Elterngespräche bei Fragen rund um die Sprachentwicklung. Gegebenenfalls kann ich auch da mit Marte Meo arbeiten. Ich kann z.B. auch die Kinder untereinander filmen im Spielverhalten und dann kann man den Eltern zeigen, welche Fähigkeiten ihr Kind schon entwickelt hat. Das ist natürlich auch eine schöne Methode im Elterngespräch.

Iris Erbach: Ja.

Maria Kube: Ich habe eine Ausleihbücherei ins Leben gerufen für die Kinder und die Eltern. Das heißt, niedrigschwellig haben alle Kinder und Eltern in der Kita den Zugang zu Büchern. Und bei uns sind die Eltern auch eingeladen, in ihrer Muttersprache vorzulesen. Wir haben außerdem eine Familiengalerie, das heißt, im Eingangsbereich hängt von jeder Familie ein Familienfoto und das zeigt eben, dass wir auch ein Ort für Familien sind und nicht nur für die Kinder, sondern auch für alle möglichen Familienmodelle.

Iris Erbach: Das ist toll. Das kann ich mir mal für unsere Zeitschrift merken. Das ist eine schöne Idee. Ja, das auf jeden Fall auch viel mit Wertschätzung zu tun, natürlich.

Maria Kube: Genau. Dann ist z.B. im in der Zeit des Homeoffice ein Elternpodcast entstanden, den ich aufgesprochen habe.

Iris Erbach: Wenn ich da kurz nachhaken darf, diesen Podcast, den haben Sie erstellt?

Maria Kube: Genau. Den habe ich im Homeoffice erstellt. Ich habe mir Gedanken darüber gemacht, was die Eltern interessieren könnte und wofür ist einfach zu wenig Raum im Alltag, um die Eltern zu informieren. Also, es passiert ja unglaublich viel im Laufe eines Tages und das meiste bekommen die Eltern leider nicht mit. Und dann habe ich gedacht, das wäre ein schönes Instrument, um die Eltern da ein bisschen mit ins Boot zu holen.

Iris Erbach: Ja, toll. Ja, klingt sehr spannend.

Maria Kube: Ja, danke. Wir haben auch eine Eltern-Kind-Gruppe am Nachmittag, die von einer Kollegin geleitet wurde. Also, ich habe das auch reingebracht. Jetzt macht es inzwischen eine Kollegin, denn die Verstetigung ist ja auch ein großes Thema im Bundesprogramm und in dieser Gruppe wird gemeinsam gesungen. Es werden Fingerspiele gemacht und es werden Bücher betrachtet.

Und außerdem gibt es seit diesem Jahr bei uns einmal im Quartal einen sogenannten Gartentisch. Also, das ist so ein bisschen wie ein Elterncafé, aber wir haben das eben Corona-konform in den Garten verlegt.

So haben die Eltern in der Abholsituation die Möglichkeit, mit einer Fachkraft ins Gespräch zu gehen über bestimmte pädagogische Themen. Zuletzt war es z.B. das Thema “Kinder und Medien” und ja, die Kinder sind dann in der Zeit noch betreut und die Eltern sind eingeladen, sich einen Kaffee und einen Kuchen zu nehmen und dann eben ganz unkompliziert während der Abholzeit ins Gespräch zu gehen.

Iris Erbach: Das ist toll, weil das ja auch wirklich corona-bedingt eine ziemlich gute Lösung ist. Wenn man nicht die ganze Zeit in den Räumen sein will und kann.

Maria Kube: Genau. Das war unser Gedanke. Und dann gibt es das dritte Schwerpunktthema Vielfalt. Hier geht es eben darum, Vielfalt sichtbar zu machen. Das heißt, die vielfältigen Familienmodelle in Büchern sichtbar zu machen oder eben in unserer Familiengalerie. Es geht da darum, dass wir darauf achten, dass unsere Puppen verschiedene Hautfarben haben. Es geht darum, dass in den Kinderbüchern auch Menschen mit Behinderung abgebildet sind und dass Helden verschiedene Hautfarben haben können und so weiter und so weiter. Wir gucken auch, dass wir Musik anbieten in verschiedenen Sprachen, dass es Bücher gibt in verschiedenen Sprachen und diese, wie gesagt, auch von den Muttersprachlern vorgelesen werden können. Und auch hier reflektieren wir uns im Team über eigene Vorurteile, die wir alle haben. Und es geht dann natürlich um den Umgang damit. Wir kooperieren auch mit einem Altenheim, das heißt, die Kinder können dann auch in Kontakt kommen mit ganz verschiedenen Menschen.

Und dann gibt es eben dieses Querschnittsthema der Digitalisierung, da geht's eben um Medienkompetenz. Es geht darum, Bildungsprozesse mit Medien zu unterstützen und da ist das Team ja unterschiedlich aufgestellt, inwieweit sie schon da intuitiv ein Gefühl zu haben, wo kann man überall Medien einsetzen und ja, da sind wir gerade mittendrin im Prozess. Das ist eben auch ein Prozess, der würde dann abreißen, wenn das Bundesprogramm enden würde.

Iris Erbach: Kann ich da vielleicht ganz kurz nachhaken? Thema Digitalisierung. Also wir bei Kleinstkinder beschäftigen uns hauptsächlich mit dem U3-Bereich, also mit Kindern unter drei. Wie schätzen Sie das ein, gibt's da Dinge, die man mit U3-Kindern schon machen kann?

Maria Kube: Ja, also wir haben schon Ideen im Team dazu entwickelt. Es gibt ja z.B. den Tellimero, den sprechenden Stift und da kann man ja kurze Audiodateien aufnehmen und abspielen, indem man den Tellimero daranhält. Und eine Kollegin im Krippenbereich hat beispielsweise Bildkarten von verschiedenen Emotionen und da hat sie sich als Projekt überlegt, dass sie die Kinder ihre Emotionen auf den Tellimero-Stift aufsprechen lässt. Das sind Beispiele, wie man auch schon mit digitalen Medien in der Krippe arbeiten kann oder auch einfach durch den Einsatz von Digitalkameras. Eine Kollegin hatte z.B. ein Buch, in dem es um zwei Farbpunkte geht, gelb und blau, und die Kinder sind dann eingeladen, alles in der Kita zu sammeln, was auch diese beiden Farben hat und dann selbst davon auch mit einer Digitalkamera Fotos davon zu machen. Und dann hat man auch die analogen und die digitalen Medien vereint.

Iris Erbach: Ja, sehr spannend. Jetzt würde mich noch interessieren, wie man Kinder in ihrer Sprachentwicklung wirklich fördern kann. Also, ich meine, es gibt natürlich ganz viel dazu, aber das ist ja so ein ja so ein ganz wichtiger Punkt. Vielleicht können Sie da noch so ein paar Beispiele aus der Praxis nennen.

Maria Kube: Ich bin der Meinung, dass sich fast jede Situation für die Sprachbildung eignet. Das ist auch ganz klar abgegrenzt von der Sprachförderung. Beispielsweise die Schlüsselsituationen, die im Kita-Alltag ja tagtäglich vorkommen, wie das Ankommen, das An- und Auskleiden, die Essenssituation oder die Wickelsituation, die stecken voller Sprachanlässe und da geht's eben darum, dass die Pädagogen und Pädagoginnen das Bewusstsein dafür haben, diese ganzen Situationen und Möglichkeiten zu nutzen. Und darüber tauschen wir uns eben immer aus und reflektieren darüber, wie gesagt, in der Dienstbesprechung oder auch mit Video. Und ja, es gibt da eben einige Regeln, wie man mit Kindern sprechen sollte. Z.B. ist es immer gut, die eigenen Handlungen zu benennen. Also, ich gebe dir ein Glas. Oder auch die Handlungen des Kindes zu benennen. Dann ist es in strukturierten Situationen, wie z.B. beim Wickeln, wünschenswert, dass der Erwachsene ankündigt, was er als Nächstes tut. Also beispielsweise beim Wickeln, da finde ich das ganz besonders wichtig und ich vergleiche das immer gern mit einem Zahnarztbesuch. Wir fühlen uns da auch immer wesentlich entspannter, wenn der Zahnarzt ankündigt, was als Nächstes passiert. Das Wickeln ist so eine doch eigentlich hilflose Situation und ja, da kann man das gut sprachlich begleiten und nebenbei erfährt das Kind beispielsweise etwas über seinen Körper.

Dann finde ich wichtig, dass man die Gefühle des Kindes benennt. Dadurch fühlt sich ein Kind auch wahrgenommen. Also ich finde es z.B. auch wichtig, dass man sagt: “Ja, du bist gerade traurig.” Und es vermeidet zu sagen, ach, das war doch nicht so schlimm. Ja, es geht darum, das Kind in seiner Gefühlslage wahrzunehmen, dem Kind durch die eigenen Worte eine Sprache zu geben und ihm auch dadurch zu helfen, sich wieder zu regulieren.

Im Gespräch ist es auch gut, wenn man sich auf Augenhöhe mit dem Kind begibt, wenn man offene Fragen stellt. Das ist auch für die Sprachbildung von Vorteil, wobei ich es auch wichtig finde, dass man da guckt, dass man das Kind nicht überfordert. Es kann sein, dass man eigentlich schon weiß, dass das Kind die Frage wahrscheinlich nicht beantworten kann. Dann ist es wiederum besser, zu benennen. Sonst könnte es sein, dass das Kind vielleicht beschämt wird oder noch weniger Lust auf Sprache hat. Und ich finde, das ist immer das Wichtigste, dass man dem Kind ja Freude an Sprache vermittelt.

Iris Erbach: Und dass es sich nicht unter Druck gesetzt fühlt, dass irgendetwas Bestimmtes von ihm erwartet wird.

Maria Kube: Ganz genau. Und ja, auch das korrektive Feedback geht in diese Richtung, also dass man das Gesagte des Kindes nicht korrigiert, sondern einfach wiederholt und das dann richtig sagt. Natürlich ist es gut, wenn man selbst auch deutlich und in ganzen Sätzen spricht und auch das ist manchmal im stressigen Kita-Alltag schon eine Herausforderung.

Iris Erbach: Okay. Also dann in ganzen Sätzen zu sprechen und nicht nur Befehlsworte zu geben.

Maria Kube: Das kommt auch vor. Genau. Ja, es ist besser, wenn man positiv leitet, statt Verbote auszusprechen. Also statt “Nicht hochklettern” zu sagen kann man sagen: “Steig bitte vom Stuhl herunter”. Dann weiß das Kind, was es stattdessen tun kann.

Und es ist auch wichtig, dass man sein eigenes Sprachverhalten an den Entwicklungsstand des Kindes anpasst. Also einem Krippenkind kann ich vielleicht sagen: “Oh, da ist ein Vogel” und einem Elementarkind kann ich dann vielleicht schon sagen: “Schau mal, da ist eine Amsel.”

Iris Erbach: Da brauche ich eben auch ein Gespür dafür, bei welchem Kind welches Sprachverhalten angemessen ist.

Maria Kube: Ja, von Vorteil ist natürlich immer ein freundliches Gesicht, schöne Töne und hier und da ist es auch cool, wenn man das schafft, Humor einzusetzen, wenn man Quatschwörter von Kindern aufgreift oder auch mal mit Absicht was Falsches sagt, wie z. B. “Ich habe hier einen Apfel”. Und das Kind ist ganz empört: “Nein, das ist ein Auto.”

Und das ist wie gesagt für mich auch das Wichtigste, dass man Freude an Sprache vermittelt, dass man auch selbst als Erwachsener Spaß an Sprache hat. Und ja, es geht darum, an den Interessen des Kindes anzusetzen und auch die Begeisterung des Kindes zu teilen. Und das kann dann eben auch ein Gespräch über Medienhelden sein.

Iris Erbach: Das geht doch auch in die Richtung, dass man schaut, wofür sich das Kind gerade interessiert, auch wenn es vielleicht ein Thema ist, was man selbst pädagogisch weniger wertvoll findet. Das verstehe ich so richtig, oder?

Maria Kube: Ja. Ja.

Iris Erbach: Meinen Sie mit Medienhelden auch welche, die Erwachsene vielleicht gar nicht so toll finden?

Maria Kube: Genau, das kommt ja gar nicht so selten vor, aber das ist eben das, was das Kind gerade interessiert und wenn es Lust hat, darüber zu sprechen, dann ist es gut, wenn man das aufgreift und sich dann darüber austauscht.

Iris Erbach: Genau.

Maria Kube: Toll ist eben auch eine sprachanregende Raumgestaltung. Das hatte ich vorhin auch schon erwähnt. Man kann ja mit den Kindern philosophieren, man kann Bilderbücher betrachten, gemeinsam aingen, künstlerisch tätig werden, Bewegungsangebote machen oder eben einen Impuls setzen in Form eines spannenden Gegenstands und so weiter. Also, da ist es auch toll, wenn man selbst weiß, was einen interessiert und wie man diese Begeisterung auch zum Kind bringen kann.

Iris Erbach: Was ich auch noch gerne von Ihnen wissen würde, ist, wie es denn bei Kindern ist, deren Eltern nicht Deutsch als Muttersprache sprechen. Also, sie haben es vorhin schon angesprochen, wo es auch um die Wertschätzung unterschiedlicher Sprachen oder Muttersprachen ging. Aber mich würde interessieren, gibt's dann in Ihrer Arbeit andere Schwerpunkte oder ist es genau die gleiche Form von Sprachförderung? Also das fände ich noch mal spannend darauf vielleicht kurz einzugehen.

Maria Kube: Ja, also ich denke, es ist ganz besonders wichtig, dass man eng mit den Eltern zusammenarbeitet und ihnen Wertschätzung für ihre Muttersprache entgegenbringt und sie auch gut beraten kann. Also, dass man ihnen Mut macht, in der Muttersprache auch zu Hause kontinuierlich zu sprechen. Denn wenn ein Kind seine Muttersprache gut beherrscht, dann wird es viel leichter eine zweite Sprache lernen.

Und dann ist es wichtig, dass man den Eltern vermittelt, dass das Kind regelmäßig in die Kita kommt, damit es eben den Kontakt zur deutschen Sprache hat. Man kann auch anbieten, dass das Kind vielleicht Sportvereine besucht oder Musikangebote nach der Kita wahrnimmt, damit es eben auch vielfältigen Input der deutschen Sprache bekommt. Und meine Aufgabe ist auch, Dolmetscher für Elterngespräche zu organisieren. Und auch die Eingewöhnung kann man noch mal ganz besonders in den Blick nehmen. Da kann man z.B. gucken, dass bestimmte Schlüsselwörter für das Kind auch im Team bekannt sind. Denn am Anfang steht natürlich immer erstmal die Bindung im Vordergrund. Ohne Bindung keine Bildung und deswegen finde ich das auch sehr hilfreich, wenn das Team auch auf etwas eingehen kann, was dem Kind nun ganz besonders wichtig ist.

Iris Erbach: Also Schlüsselwörter in der Erstsprache, oder?

Maria Kube: Genau. Und, wie gesagt, man kann auch Gebärden und Symbole, z.B. von Metacom, nutzen, um die Sprache und die Kommunikation zu unterstützen. Und im Grunde sind oft die gleichen Sachen von Bedeutung wie bei der Sprachbildung im Allgemeinen. Und dann muss man eben im Blick haben, wie sich das Kind entwickelt und ob es extra Unterstützung benötigt.

Iris Erbach: Da beraten Sie dann auch die Fachkräfte in der jeweiligen Kita?

Maria Kube: Ja, ich mache keine Diagnostik, aber ich stelle auch mal einen Kontakt her zu einer Frühförderstelle oder zur Logopädie.

Iris Erbach: Also das sind ja viele Dinge, die da passieren und die Sie da leisten. Da wird auch noch mal klar, dass das die Fachkräfte vor Ort sehr unterstützt. Weil das doch im pädagogischen Alltag alles oft gar nicht leistbar ist. Da würde mich ihre Einschätzung dazu interessieren, wenn dieses Programm jetzt nicht mehr weiterläuft. Sie haben zu Beginn gesagt, Sie haben dafür 19,5 Stunden zur Verfügung. Wie wichtig es ist, dass genau dieses Programm weiterläuft?

Maria Kube: Ich finde es fatal, wenn die sowieso schon knappen Ressourcen in Kitas noch weiter gekürzt werden. Man vergisst dabei oft, finde ich, dass die Kita wirklich die erste Bildungseinrichtung für die Kinder ist und hier der Grundstein für den gesamten weiteren Bildungsweg gelegt wird und dass man dann gerade jetzt in solchen Krisenzeiten, die wir gerade erleben, diese Ressourcen kürzt, ist für die Kinder wirklich fatal. Also, denken wir an die Kinder, die aus der Ukraine zu uns kommen und auch die Kinder, die durch Corona viel zu Hause waren, viel isoliert waren und nicht so viel Austausch hatten und dadurch eventuell auch Rückstände in der Sprachentwicklung haben. Die fallen dann alle ein bisschen hinten über bzw. können nicht davon profitieren, was im Bundesprogramm gelebt wird.

Iris Erbach: Also, da stimme ich Ihnen zu. Ich habe neulich auch recherchiert zu Kindern aus der Ukraine in Kitas und diese benötigen einfach auch Unterstützung.

Maria Kube: Ja, genau. Dazu kommt natürlich, dass Stellen wie meine gekürzt werden würden, und zwar trotz des bestehenden Fachkräftemangels. Darüber hinaus stehen auch andere Gelder des Bundesprogramms zur Verfügung, die beispielsweise für Materialien vorgesehen sind und das würde dann auch alles fehlen. Und wir wissen, dass in Kitas das Budget für Materialausgaben nicht besonders hoch ist. Meiner Meinung nach ist Qualitätsentwicklung immer ein Prozess, der stetig begleitet werden muss. Und es gibt ja auch immer wieder neue Kollegen und Kolleginnen im Team, die man abholen muss und einarbeiten, auch in unsere Beobachtungsmethode etc.

Und es geht eben nicht nur um die zusätzliche Fachkraft wie mich, sondern auch um die Fachberatung. Die Fachberatung kommt etwa alle zwei Monate in die Kita und man bespricht mit ihr aktuelle Themen in der Kita und wie man die weitere Programmsetzung gestalten möchte. Außerdem finden unter Leitung der Fachberatung Arbeitskreise und Regionaltreffen statt und da bekommt man eben auch immer wieder neuen Input, den man dann in die Kita mitbringt.

Und ich habe ja ganz viel darüber erzählt, was ich in meiner tagtäglichen Arbeit mache, und ich bin der Meinung, dass es unmöglich ist, das alles nebenbei zu machen, wenn man pädagogisch am Kind tätig ist. Und deswegen würde meiner Meinung nach einfach wirklich vieles verloren gehen mit dem Ende des Bundesprogramms.

Iris Erbach: Ja, absolut. Also, das ist zusätzlich nicht leistbar, das sehe ich ganz genauso. Als kurzen Ausblick würde ich nochmal zurück zu Ihrer konkreten Situation kommen. Sie arbeiten in Hamburg. Wissen Sie, wie viele Sprachkitas da betroffen sind?

Maria Kube:  Meines Wissens ist in Hamburg etwa jede vierte Kita eine Sprachkita und somit sind ungefähr 270 Kitas in Hamburg Sprachkitas. Ja, ich war ja sehr positiv überrascht, dass dieses Thema Sprachkitas so viel mediale Aufmerksamkeit bekommen hat. Das macht eben auch die Relevanz deutlich und das freut mich auch. Letzendlich haben wir ja immerhin schon die Übergangsfinanzierung bis Juni 2023 erreicht und einige Bundesländer wie z.B. Niedersachsen haben ja bereits zugesagt, das Programm dauerhaft fortzuführen. Meine große Hoffnung ist, dass das auch in Hamburg gelingt, aber eigentlich bin ich optimistisch. Hamburg ist immer sehr sozial eingestellt und es zweifelt ja im Grunde niemand an der Notwendigkeit und der Sinnhaftigkeit des Programms.

Iris Erbach: Das finde ich schön. Ich bin auch optimistisch. Ich habe auch den Eindruck, dass schon sehr viele Bundesländer bestrebt sind, das Programm weiterzuführen. Ich glaube, ihre Schilderungen aus ihrer Praxis sind ein großes Plädoyer für den Erhalt. Sie haben sehr viele Argumente genannt, warum dieses Programm unbedingt weitergehen sollte. Ich bedanke mich ganz herzlich bei Ihnen. Es war sehr interessant.

Maria Kube: Vielen Dank.

Iris Erbach: Ihnen alles Gute.

Jingle: Gemeinsam wachsen, gemeinsam lernen. Schön, dass ihr reingehört habt. Bis bald. Umfangreiches Fachwissen für die Betreuung der Jüngsten findet ihr auf www.kleinstkinder.de.

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