Im Gespräch mit Katja KozelErschwerte Eingewöhnung unter Pandemie-Bedingungen

Mit welchen Herausforderungen haben pädagogische Fachkräfte und Kleinstkinder während Eingewöhnungen unter Pandemie-Bedingungen zu kämpfen? Wir waren mit Krippenerzieherin Katja Kozel im Gespräch. Wie diverse Maßnahmen die Umsetzung von Eingewöhnungsprozessen beeinflussen, erfahren Sie in diesem Interview.

Auf einem orangenen Kreis steht in orangener Schrift Kleinstkinderpodcast und die Grafik eines Lautsprechers ist darüber

Pandemie-Regelungen Eingewöhnungsprozesse

Die Eingewöhnung ist die erste große Übergangssituation, die Kleinstkinder mit dem Eintritt in die Krippe bewältigen. Dabei sind sie auf die Unterstützung der pädagogischen Fachkraft angewiesen. In ungewöhnlichen Zeiten wie diesen stehen alle Beteiligten hierbei jedoch vor einer Menge neuer Herausforderungen. Erfahren Sie in diesem Interview mit Krippenerzieherin Katja Kozel, wie fortwährende Pandemie-Regelungen Eingewöhnungsprozesse beeinflussen.

Lisa-Marie Olbinski: Guten Tag, Frau Kozel. Ich freue mich, dass Sie sich dazu bereit erklärt haben, uns an Ihrer aktuellen Situation in der Krippe teilhaben zu lassen.

Katja Kozel: Guten Tag, Frau Olbinski. Auch ich freue mich, die Möglichkeit erhalten zu haben, einen Einblick in unseren Alltag schildern zu dürfen.

Lisa-Marie Olbinski: Sie sind schon seit mehr als zehn Jahren als Erzieherin in einer Krippe in Birkenfeld tätig. Richtig?

Katja Kozel: Ja, genau. Ich arbeite nun seit über zehn Jahren in der Krippe. Zwar immer mal wieder aushilfsweise im Kindergarten, aber generell bin ich in der Krippe. Dort arbeite ich mit zwei weiteren Kolleginnen in meiner Gruppe, welche auch schon über langjährige Krippenerfahrung verfügen. Insgesamt sind wir zwölf Fachkräfte im Team, verteilt auf drei Kindergartengruppen und eine Krippengruppe.

Lisa-Marie Olbinski: Wie viele Kinder betreuen Sie derzeit?

Katja Kozel: Derzeit werden in der Notbetreuung bei uns ca. 30 Kinder in der Einrichtung betreut.

Lisa-Marie Olbinski: Wie geht es Ihnen und ihrem Team insgesamt momentan?

Katja Kozel: Generell dürfen wir uns nicht beschweren. Jedoch ist natürlich die Teamarbeit sehr schwierig, da wir immer Abstand halten müssen, keine große Teambesprechungen haben und somit einfach der Austausch im Großteam fehlt.

Lisa-Marie Olbinski: Ich verstehe, das macht natürlich den Arbeitsalltag umständlicher. Haben Sie eine Maskenpflicht in Ihrer Einrichtung?

Katja Kozel: Nein, eine Maskenpflicht gibt es bei uns nicht für die Erzieherinnen, lediglich für die Eltern.

Lisa-Marie Olbinski: Können Sie uns für einen Moment mit in Ihren Alltag nehmen, einfach dass wir das uns besser vorstellen können?

Katja Kozel: Eigentlich haben wir einen recht normalen Alltag in der Krippengruppe. Lediglich zwei Kinder werden derzeit zu Hause betreut. Die anderen Kinder sind alle da. Was auf der einen Seite schön ist, auf der anderen Seite ist fragwürdig, inwiefern die Notbetreuung bei uns überhaupt effektiv ist. In unseren drei Kindergartengruppen hingegen sieht's ein bisschen anders aus. Dort werden ca. sieben Kinder von je 20 Kindern der Gruppe betreut. Was die Elternarbeit angeht, war das sehr schwierig im vergangenen Jahr. Teilweise war gar keine Elternarbeit möglich. Dann durften wir mal einen Elternabend durchführen, jedoch nur in Kleingruppen und mit Maske und Abstand, was dazu geführt hat, dass der Elternabend sehr trocken war. Es war keine schöne Atmosphäre und es hat auch kein wirkliches Kennenlernen stattgefunden.

Lisa-Marie Olbinski: Heute interessiert uns insbesondere die Gestaltung der Eingewöhnungen, die Sie in den letzten Monaten umgesetzt haben. Inwiefern sind diese unter den aktuellen Begebenheiten eine Herausforderung für ihre Krippenkinder?

Katja Kozel: Normalerweise benötigen wir so ca. vier Wochen für eine Eingewöhnung. Die Kinder kommen vorher schon ca. eine Stunde zu uns zu einer sogenannten Schnupperstunde. Dort füllen wir mit den Eltern ein Fragebogen aus. Beim Ausfüllen dieses Fragebogens wurde uns zum ersten Mal bewusst, warum die Kinder vielleicht größere Schwierigkeiten haben könnten, bei uns im Krippenalltag anzukommen. Denn auf die Frage, ob ihr Kind schon Vorerfahrungen hat mit Fremdbetreuung oder im Rahmen einer Spielgruppe oder einer Krabbelgruppe antworten uns die Eltern eigentlich immer nein. Das war ja natürlich nicht möglich eigentlich im letzten Jahr, es hat alles nicht stattgefunden. Und auch innerhalb der Familie gibt's spürbar weniger Betreuung. Oft wurde einfach auch auf Oma und Opa verzichtet, um die Kontakte so gering wie möglich zu halten. Somit waren die Kinder wirklich ganz selten oder sogar nie außerhalb der eigenen vier Wände betreut worden. Dieser Aspekt erschwert uns die Eingewöhnung. Die Kinder haben meist keinerlei Vorerfahrung mit lauten Räumen, gleichaltrigen Kindern und vielen Personen, die ihnen unbekannt sind.

Lisa-Marie Olbinski: Welche Verhaltensweisen konnten Sie in diesem Zusammenhang bei Kindern feststellen?

Katja Kozel: Also, viele der Kinder wirken sehr geräuschempfindlich. Sie erschrecken, wenn andere Kinder laut sind. Wir Erzieherinnen haben auch immer ein bisschen das Gefühl, es sei zu viel Trubel im Gruppenraum für die neuen Kinder. Die Kinder ziehen es zudem verstärkt vor, auf dem Arm von uns Erziehern zu sein. Weniger auf dem Boden bei den anderen Kindern, um mit denen zu spielen. Sie suchen am Anfang eher weniger den Kontakt zu anderen Kindern und sind entsprechend stärker auf die Erzieherin konzentriert. In den Eingewöhnungen, die wir vor der Pandemie durchgeführt haben, waren die neuen Kinder eigentlich meist sehr interessiert an dem Gruppengeschehen, an den anderen Kindern, haben das Spiel der anderen Kinder beobachtet und waren insgesamt sehr neugierig. Zurzeit haben wir eigentlich eher das Gefühl, dass die Kinder eher überfordert sind mit den vielen Reizen, die auf einmal auf sie einströmen.

Lisa-Marie Olbinski: Nachdem wir den Blick auf das Kind gerichtet und dessen Herausforderungen betrachtet haben, interessiert uns natürlich auch, wie Sie persönlich mit diesen veränderten Bedingungen zurechtkommen.

Katja Kozel: Ja, also zu Beginn war es uns gar nicht so ganz klar, dass die Kinder über veränderte Vorerfahrungen verfügen im Vergleich zu jenen Kindern, die wir in den Jahren zuvor eingewöhnt hatten. Wir haben uns am Anfang gefragt, ob es schon immer so schwierig war, neue Kinder einzugewöhnen oder ob es an uns lag, dass wir es nicht mehr gewohnt waren, denn auch wir hatten ja eine Pause mit Eingewöhnungskindern im Zeitraum von Februar bis September 2020. Vielleicht wirkte sich diese Pause auch auf unsere Handlungskompetenz aus, Schließlich wurde uns aber klar, dass es eventuell auch daran liegen könnte, dass die Kinder ja fast nur zu Hause waren. Ich möchte natürlich nicht sagen, dass wir nicht auch schon vorher Eingewöhnungen hatten, die länger dauerten oder besonders waren, aber derzeit ist es einfach auffälliger.

Lisa-Marie Olbinski: Wo mussten Sie flexibel umdenken und handeln?

Katja Kozel: Wir hatten ja dann die Erkenntnis, dass die Kinder ja viel mehr zu Hause waren und ihnen einfach die Vorkenntnis fehlte. Somit war es dann schon viel einfacher für uns, die Kinder besser zu verstehen. Wir haben versucht, die Gruppe aufzuteilen, um mehr Ruhe zu schaffen. Außerdem wollten wir ihnen mehr Zeit geben, um die Eingewöhnung langsamer gestalten zu können. Das war ja doch oft schwierig, da die nächste Eingewöhnung schon geplant war oder auch die Eltern einfach wieder in ihren Beruf einsteigen mussten.

Lisa-Marie Olbinski: Welche Form der Unterstützung wäre für Sie aktuell besonders hilfreich?

Katja Kozel: Generell kann man ja wohl nicht viel machen. Hilfreich wäre es zum Teil natürlich gewesen oder wäre es auch jetzt noch, wenn man während der Eingewöhnung mit drei Erziehern in der Gruppe besetzt gewesen wäre. Das ist bei uns nur teilweise der Fall. Zum einen wegen unseres Dienstplans, da wir in Früh- und Spätschicht arbeiten und zum anderen einfach auch wegen der personellen Situation, die oft von uns verlangt, in anderen Gruppen auszuhelfen. Grundsätzlich wollten wir versuchen, wenn es möglich ist, einfach mehr Zeit für die Eingewöhnung einzuplanen.

Lisa-Marie Olbinski: Welche Ratschläge können Sie anderen Erzieherinnen und Erziehern aus eigener Erfahrung mit auf den Weg geben?

Katja Kozel: Ich würde einfach sagen, wenn es möglich ist, für die Eingewöhnung mehr Zeit einzuplanen. Außerdem würde ich immer reflektieren und genau nachfragen, wie die Situation der Kinder im letzten Jahr war, weil es oft auch schon hilfreich ist, Kinder und Eltern besser zu verstehen, wenn man weiß, was sie im vergangenen Jahr erlebt haben.

Lisa-Marie Olbinski: Was wünschen Sie sich von der Regierung bezüglich festgesetzter Regelungen für den U3-Bereich?

Katja Kozel: Da wünsche ich mir eigentlich nur, dass die Ausbildung noch attraktiver gestaltet wird, sodass man einfach mehr Fachpersonal zur Verfügung hätte und man nicht ständig unterbesetzt arbeiten muss. Aber auch was die Notbetreuung angeht, klarere Regeln zu formulieren.

Lisa-Marie Olbinski: Zu guter Letzt interessiert uns noch, was Sie sich für die Zukunft wünschen.

Katja Kozel: Ja, also ich wünsche mir so wie wahrscheinlich alle wieder mehr Normalität, Beständigkeit und dass man einfach wieder besser die Zukunft planen kann.

Lisa-Marie Olbinski: Das kann ich sehr gut verstehen. Frau Kozel, haben Sie vielen Dank für diese sehr persönlichen Ausführungen, mit denen Sie uns Ihre derzeitige Situation eindrücklich beschrieben haben. Ich kann sehr gut nachempfinden, wie Sie und Ihr Team sich momentan fühlen und habe große Achtung vor dem, was Sie, nicht nur derzeit, leisten. Für Ihre weitere Arbeit wünsche ich Ihnen von Herzen alles Gute. Bleiben Sie gesund.

Katja Kozel: vielen Dank.

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