Ein u3-Projekt zur Raupe NimmersattWo kommt der Schmetterling her?

Ausgehend von der Raupe als Leitfi gur entsteht in einer Stuttgarter Krippe ein mehrwöchiges Projekt, in dem die Kinder vielfältige Bildungserfahrungen machen.

Wo kommt der Schmetterling her?
© Harald Neumann, Freiburg

In der Bücherkiste liegt seit ein paar Tagen Eric Carles Bilderbuch von der kleinen Raupe Nimmersatt. Paul und Max holen es sich heraus und beginnen darin zu blättern. Sie fi nden es lustig, dass die kleine Raupe so lange frisst, bis sie Bauchschmerzen bekommt. Beim Anschauen überlegen die beiden, worauf auch sie Appetit hätten, und tun so, als steckten sie es sich in den Mund. Mit diesem Spiel beschäftigen sie sich ausdauernd. Danach gehen die Jungen zusammen in die Kinderküche und bauen sich ein Eis: aus einer farbigen Holzkugel, die sie auf die Öffnung eines kleinen Plastikbechers legen. Genussvoll schlecken sie an ihrem selbstgemachten Waffeleis.

In den nächsten Tagen ziehen Paul und Max immer wieder das Bilderbuch von der kleinen Raupe Nimmersatt hervor, um es sich anzuschauen: gemeinsam, alleine, mit ihren Freunden oder mit einer pädagogischen Fachkraft. Mal zählen sie die Früchte, mal möchten sie die Geschichte hören. Oder sie wundern sich über den Schmetterling auf der letzten Seite. Wo ist nur die Raupe geblieben? Das Kita-Team beschließt, das Interesse der Kinder an der Raupe Nimmersatt aufzugreifen. Ein Projekt entsteht. Von gustatorischen Sinneseindrücken über das Kennenlernen von Insekten oder das Explorieren von Bewegungsabläufen bis hin zum Verstehen komplexer Naturphänomene bietet die Ausgangsgeschichte vielfältige Möglichkeiten für die Projektarbeit im Krippenbereich.
Die Erzieherinnen erweitern im ersten Schritt die Bücherkiste um Bücher zu ähnlichen bzw. Nachbarthemen, wie z. B. Essen, Insekten oder Farben (s. Buchtipps S. 12). Insbesondere ein großformatiges Bilderbuch von der Raupe Nimmersatt kommt bei den Kindern gut an. Es lässt sich gut umblättern und bespielen. Die Kinder können ihre Finger durch die Löcher stecken, durch sie hindurchspicken, sich hinter den großen Seiten verstecken oder die Bilder im Detail betrachten.
In der gesamten Projektzeit, die sich über einen Monat erstreckt, spielt natürlich das Prinzip der Metamorphose eine große Rolle. Um den Kindern dieses Naturphänomen näherzubringen, baut die Gruppe gemeinsam einen Kokon aus einem großen Pappkarton (ca. 70 x 70 x 50 cm).
Das Angebot beginnt mit einer großen Papier-Reiß-Aktion. Einen ganzen Tag steht verschiedenfarbiges Papier zur Verfügung: Krepp-, Geschenk-, Zeitungspapier usw. Die Kinder zerreißen es in große oder kleine Stücke und legen die Schnipsel in eine Kiste, wenn sie fertig sind. Im Laufe des Tages entstehen darüber hinaus verschiedene von den Kindern selbst initiierte Spiele. Manche sortieren die Papierfetzen nach Farben, andere füllen damit Behältnisse und leeren sie wieder aus. In der Küchenecke bereiten einige junge Köche leckere Papierschnipselgerichte zu.

Ein Kokon aus Karton

Am nächsten Tag wird der Karton gestaltet. Zunächst kleistern die Kinder den Karton draußen im Garten flächendeckend ein (alternativ kann diese Aktion in einem geeigneten Innenraum stattfinden). Je nach Belieben benutzen sie dazu Pinsel, Schwämme, Stofffetzen oder ihre Hände. Schon beim Einkleistern machen die Kinder (Sinnes-)Erfahrungen. Wie fühlt es sich an, den Kleister mit den Händen zu verteilen? Wie riecht Kleister? Ob er sich mit dem Pinsel oder mit den Stofffetzen besser verteilen lässt? Was bleibt alles am Kleister hängen bzw. kleben (z. B. Gras, Steinchen, Erde, Blumen …)? Auf den eingekleisterten Karton kommen die Schnipsel. Der entstehende Kokon ist bunt, nicht braun, und auch seine eckige Form entspricht nicht dem Vorbild aus der Natur. Die fast Dreijährigen bemerken das zwar, aber dafür eignet sich der selbstgebaute Kokon hervorragend, um zu zweit oder zu dritt hineinzukriechen, sich zurückzuziehen, mit Freunden darin zu spielen oder Spiele zu Licht und Dunkel selbst zu initiieren. Außerdem dient der Kokon dazu, während des täglichen Singkreises am Morgen die Verpuppung der Raupe nachzuspielen.
In der Projektzeit beginnt der tägliche Singkreis mit dem Lied „Die kleine Raupe wird erwachsen“ (Text und Melodie s. Download). Das Kind, das die Raupe spielen möchte, kriecht in den Kokon und wartet dort, während die anderen singen. Am Ende des Liedes kommt das Kind heraus. Die Verpuppungszeit ist vorbei! Es bekommt Schmetterlingsflügel angezogen und flattert im Kreis umher. Die Gruppe beginnt nun, das zweite Lied zu singen: „Schmetterling, du kleines Ding“ (Text und Melodie s. Download). Dazu tanzt das Schmetterlingskind gemeinsam mit einem Freund. Je nach Gruppen- und Alterszusammensetzung können sich auch alle Kinder gleichzeitig als Raupe zur Musik bewegen, indem sie sich hintereinander aufstellen und gemeinsam durch den Raum tanzen, laufen oder krabbeln. Die Tänze machen den Kindern nicht nur viel Spaß, sondern unterstützen auch die motorische Entwicklung (kriechen, tanzen, Hände fassen …), die Emotionskontrolle (im Karton abwarten) und erweitern soziale Kompetenzen (aufeinander achten bei der gemeinsamen Fortbewegung in der Kinderschlange). Im Morgenkreis ist die Metamorphose auch Gegenstand von Dialogen. Aus einer Larve wird nach dem Verpuppen ein erwachsenes Tier, das eine ganz andere Gestalt hat. Schauen Sie sich gemeinsam Bücher oder Bilder von Tieren an, die – wie die Raupe – eine Verwandlung durchmachen, um den Kindern diesen Prozess nahezubringen (z. B. Frösche oder Marienkäfer).

Ein Apfel, zwei Birnen …

Der Speiseplan der Raupe Nimmersatt bietet einen idealen Anknüpfungspunkt, um Geschmackserfahrungen zu sammeln. Deswegen gibt es im Singkreis oder beim Frühstück täglich Kostproben der Mahlzeiten, die die Raupe Nimmersatt einnimmt, erweitert um neue saisonale Früchte und Gemüsesorten. Diejenigen, die sich trauen, dürfen die Augen zumachen und raten, was sie da essen. Nach einer Weile beginnen die Kinder schließlich von selbst, beim Essen herauszuschmecken und zu benennen, was in ihrem Gericht steckt. Der rote Apfel, die gelbe Banane und die lila Pflaume sind aber nicht nur für Geschmacksproben da, sondern können auch prima gruppiert werden: nach Art, Form, Farbe oder Geschmack. Wer dafür keine Lebensmittel verwenden möchte, kann alternativ auch Bilder oder  Fotos zur Verfügung stellen. Bei der intensiven Auseinandersetzung mit dem Thema Essen stellen sich die Kinder bald auch die Frage nach dem „Woher“, sodass im Team die Idee zu einem zukünftigen Gartenprojekt entsteht.
Wo wohnen eigentlich die Raupen? Und wo schlafen die Schmetterlinge nachts? Bei Ausflügen in die Natur oder in den Garten macht sich die Gruppe auf die Suche ... Ein paar Kinder kommen auf die Idee, den Raupen kleine Häuser aus Blättern zu bauen. Den Schmetterlingen möchten sie ein Blumenparadies gestalten. Damit deswegen nicht unzählige Blumen gepflückt werden, schlagen die Fachkräfte vor, ein Blumenbeet im Kita-Garten zu errichten. Dafür pflügen Erzieherinnen und Kinder ein 1 x 1 m großes Rasenstück um, auf dem sie anschließend gemeinsam Wildblumen säen. Tipp: Im Handel gibt es fertige Samenmischungen für Schmetterlingswiesen.
Auch beim Aussäen stellen sich die Kinder weiterführende Fragen: Wie lange dauert es wohl, bis die Blumen blühen? Was brauchen Blumen eigentlich, um zu wachsen? Ob wohl viele Schmetterlinge zu Besuch kommen?
Um die Entwicklung von der Raupe zum Schmetterling aus der Nähe beobachten zu können, gibt es Schmetterlingszucht-Sets (z. B. www.wissenswertes.biz/schmetterlingszucht- set-distelfalter-5-raupen. html). In der Schmetterlingssaison kann man sich mehrere Raupen mit ausreichend Nahrung und Aufzuchtbehälter liefern lassen. So sind die Kinder mit dabei, wenn sich die Raupen nach ein paar Tagen verpuppen und ca. eine Woche später als Falter schlüpfen. Die Schmetterlinge werden nach ein oder zwei Tagen freigelassen.

Das Projektbuch als Erinnerung

Während der Projektzeit gestalten die Kinder ein eigenes Raupe- Nimmersatt-Buch im DIN A4- Format. Z. B. können die Kinder dafür den Umriss eines Apfels mit roten Kreppschnipseln bekleben. Die Raupe Nimmersatt, der kleine Schmetterling, Obst und Gemüse, die Pflanzenwelt – letzlich kann alles angemalt, beklebt oder gebastelt werden. Was haben wir alles probiert? Was hat geschmeckt und was nicht? Welche Tierfreunde hat die Raupe? Die älteren Kinder empfinden die Wege der Raupe nach, indem sie diese aufzeichnen oder mit einem Bindfaden nachkleben. Hat sie eine gerade, geschwungene oder zackige Spur im Blatt hinterlassen? Auch Fotos von den Kindern kommen in das Buch, wie etwa vom Ausflug ins Schmetterlingshaus, den die Stuttgarter Krippengruppe zum Abschluss des Projekts unternimmt. Am Ende wird das Buch mit einem Bindfaden gebunden und den Kindern zur Erinnerung mit nach Hause gegeben. Auch die Schmetterlinge verabschieden sich von den Kindern: Einer der gezüchteten Falter setzt sich zum Abschied auf Pauls Schuh.

Buchtipps:

Mein allererstes Buch vom Essen von Eric Carle Gerstenberg; 7,90 €

Wieso? Weshalb? Warum? junior: Was kriecht und krabbelt da? von Irmgard Eberhard Ravensburger; 9,99 €

zum Thema Farben: Der weiße Schmetterling von Laurie Cohen und Barbara Ortelli Minedition; 14,95 €

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