Neid bei Kindern"Ich will das, was ich nicht hab"

Kinder sind oft neidisch und eifersüchtig auf andere Kinder. Damit aber Neid und Eifersucht nicht ständige Begleiter werden, sollten Eltern früh entgegenwirken.

Neid bei Kindern:
© Christopher Futcher - iStock

Neid - wir kennen es alle, dieses unbehagliche emotionale Gemisch aus Verlangen und Traurigkeit, das von uns Besitz ergreift, wenn wir im Vergleich mit anderen Menschen schlechter abzuschneiden glauben. Wir sind neidisch auf die Besitztümer und Privilegien unserer Mitmenschen, auf ihre Karriere oder auf die Zuneigung, die ihnen zuteil wird. Kinder lernen dieses Gefühl meist im dritten Lebensjahr kennen.

Ich und du

Kinder entwickeln Neid mit zwei oder drei Jahren: mit der Entdeckung des eigenen Ichs geht die Abgrenzung zum Anderen und damit auch der Vergleich einher. Das eigene Selbstwertgefühl, die eigene Position auf dem Spielbrett des Lebens, wird dadurch bestimmt, was der andere kann oder darf, was er hat und bekommt.

Ein bevorzugtes Vergleichsobjekt ist das eigene Geschwisterkind, denn im Gegensatz zu Freunden, die ja bei anderen Eltern und in anderen Verhältnissen aufwachsen, liegt es für ein Kind nahe, von den Eltern (oder - obwohl es nicht in Worten ausgedrückt wird - vom "Leben" an sich) die absolute Gleichstellung mit dem Bruder oder der Schwester zu verlangen. Dies aber ist utopisch, so sehr sich die Eltern eine "gerechte" Behandlung vielleicht auch vorgenommen haben, denn Kinder haben unterschiedliche Bedürfnisse, müssen unterschiedliche Erlebnisse verarbeiten und sind durch ihre Persönlichkeit und Talente ganz unterschiedlich ausgestattet, um den Herausforderungen des Lebens zu begegnen. Ist ein Kind krank, braucht es mehr Zuwendung als das gesunde, und über eine schwer erarbeitete gute Note eines schwachen Schülers freut man sich mehr als über die Einsen des Überfliegerkindes. Zweitens ist natürlich auch das "Leben" nicht gerecht, und die Schwester hat vielleicht das Glück, die nette Lehrerin bekommen zu haben, während der Bruder sich mit dem Schrecken der Schule abfinden muss. Neid ist deshalb unvermeidbar.

Neid hat verschiedene Gesichter

Grundsätzlich kann zwischen zwei Arten von Neid unterschieden werden. Am einfachsten zu erkennen ist der Neid auf die materiellen, sichtbaren Güter des Anderen. "Mami, ich will auch so eins", heißt es da sofort auf dem Spielplatz, wenn ein Kind mit einem besonders coolen Dreirad auftaucht. Der unter Geschwistern stets schwelende Futterneid gehört ebenfalls zu dieser Kategorie und hat weniger mit Hunger als mit der Tatsache zu tun, dass der letzte Keks dem anderen einfach nicht gegönnt wird. Die andere Art von Neid bezieht sich auf Nichtmaterielles wie Liebe, Beliebtheit, Anerkennung, Talente, Erfolg, Aussehen, soziale Stellung und Privilegien. Während Privilegien, die mit dem Alter einhergehen, noch relativ leicht erklärt werden können ("Wenn du erst mal in die Schule gehst, darfst du auch noch im Bett lesen") und Erfolg im Idealfall auf der notwendigen Anstrengung basiert ("Thomas kann so gut Flöte spielen, weil er lange geübt hat"), ist Neid auf so ungleich verteilte Gaben wie Talent oder Aussehen durchaus verständlich. Oft wird diese Art von Neid nicht offen ausgesprochen, weil das Kind sich nicht bewusst ist, worauf es eigentlich neidisch ist - es hat meist generell das vage Gefühl, dem Anderen gegenüber benachteiligt zu sein.

Wie aber auf den Neider eingehen, um ihm zu helfen, das gelbe Monster in Kopf und Bauch zu besiegen? Denn ungeklärte Neidgefühle sind unproduktiv und führen schlimmstenfalls zu einem niedrigen Selbstwertgefühl. Wer ständig neidet, fängt irgendwann an zu glauben, keine bessere Behandlung verdient zu haben!

Helfen, den Blick über den Tellerrand zu lenken

Neid ist ein Ich-bezogenes Gefühl, das dadurch entsteht, dass wir unser Umfeld durch eine Brille betrachten, die uns nur sehen lässt, wo wir selbst im Nachteil sind. Das erste Hilfsmittel gegen Neid besteht deshalb darin, den Kindern zu helfen, diese Brille abzusetzen. Spontan fallen uns dafür Sätze ein wie "Es gibt durchaus auch Kinder, die weniger haben als Du" oder "Du bist vielleicht nicht so sportlich wie Manuel, dafür kannst Du aber ganz toll zeichnen" - Argumente, mit denen ein Dreijähriger oft nicht viel anfangen kann. Sinnvoll ist es deshalb, Kinder auch durch konkrete Aktionen im Alltag für soziale Unterschiede empfänglich zu machen, z.B. durch die Spende eines Kuscheltiers fürs Kinderkrankenhaus oder das Weggeben alter Kleidungsstücke an einen wohltätigen Verein.

Ist ein Kind ständig auf die Besitztümer der anderen neidisch, müssen Eltern sich fragen, ob es vielleicht auch damit zusammenhängen kann, dass sie selbst großen Wert auf materielle Dinge legen und diese Ausrichtung unbewusst an die Kinder weitergeben. Dann wäre es an der Zeit, auch nichtmaterielle Werte in den Alltag zu integrieren. So kann ein Geschenk durch einen Gutschein für eine Radtour oder einen Theaterbesuch ersetzt werden, um dem Kind zu zeigen: "Die Zeit, die wir zusammen verbringen, ist genauso viel wert wie ein neues Kleid. Heute nehme ich mir Zeit für Dich, um mit Dir etwas zu erleben."

Für Kinder, die die anderen um ihre Glanzleistungen beneiden und sich womöglich dadurch in ihren eigenen Anstrengungen entmutigen lassen, kann die Beteiligung an einem Mannschaftssport die Erkenntnis bringen, dass Kooperationsgeist wichtiger ist als die eigene Leistung.

Selbstwertgefühl stärken

Vergleiche stellt vor allem an, wer ein niedriges Selbstwertgefühl besitzt - denn wer um seine eigenen Stärken weiß, braucht die anderen nicht um die ihren zu beneiden. Eltern tun also in jedem Fall gut daran, das Selbstwertgefühl der Kinder zu stärken: dadurch, dass man zum Ausprobieren ermutigt anstatt ängstlich vor Wagnissen zu warnen; dass man die Anstrengung lobt und nicht nur das Ergebnis; dass man auf die Vorschläge und Ideen des Kindes eingeht, um ihm zu zeigen, dass man es ernst nimmt; und dass man das Kind darin bestärkt, eigene Interessen zu entwickeln und so die eigenen Stärken zu finden.

Bis zum Ursprung zurückgehen

Neid ist nicht schön, aber nützlich - ist es doch der Ausdruck dafür, dass unsere Wünsche nicht mit der Wirklichkeit im Einklang sind. Neid kann deshalb als Ansporn gesehen werden, um herauszufinden, was uns denn wirklich fehlt. Eltern sollten sich fragen: Ist mein Kind auf das neue Skateboard des Freundes neidisch oder darauf, dass der Freund durch seine Kunststücke Beifall erntet, den mein Kind als Zuneigung auslegt? Wünscht sich mein Kind vielleicht mehr Freunde? Oder mehr offene Anerkennung? Oder möchte es gerne auch einmal im Mittelpunkt stehen? Durch behutsames Nachfragen kann die Spur des Skateboards vielleicht zum Singen in einem Chor oder der Mitarbeit in einer Theatergruppe führen!

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