Kinder und ein neuer PartnerDu bist nicht mein Papa

Eine neue Partnerschaft mit Kindern verläuft leider nicht immer von Anfang an einfach. Alleinstehende Eltern müssen den richtigen Zeitpunkt finden, dem Kind den neuen Partner vorzustellen.

Kinder und ein neuer Partner: Du bist nicht mein Papa
© ricardoferrando – Fotolia

Wieder einmal macht er sich aus dem Staub. Morgens um fünf, total verpennt, drückt er ihr noch einen Kuss auf den Mund, springt aus dem Bett in seine Hose, schleicht auf Zehenspitzen, die Schuhe in der Hand durch den Flur, macht mit angehaltenem Atem die Wohnungstür von außen sachte zu, zieht mit unterdrücktem Fluchen die Schuhe an und stolpert die Treppen hinunter, um in seine eigene Wohnung zu eilen. So ist es abgemacht zwischen den beiden: Die Kinder sollen vorerst raus gehalten werden aus dieser neuen Liebe, von der sie beide noch nicht so recht wissen, wie sie sich entwickeln wird.

Unten auf der Straße sieht er noch einmal nach oben, und da stehen zwei Kinder im Schlafanzug am Fenster und schauen mit großen Augen auf ihn. Julius und Marie sind an diesem Morgen extra früher aufgestanden, weil sie ihn endlich mal sehen wollten. Dass ihre Mutter einen neuen Freund hat, ahnen sie schon länger. Und jetzt wissen sie Bescheid.

Die erste Begegnung - ein schwerer Prüfstein

Am nächsten Wochenende soll es so weit sein. Er wird nachmittags vorbeikommen und dann werden sie alle zusammen in den Zoo gehen. Es wird Eis geben, die Ziegen im Streichelzoo gefüttert - "was ihr wollt", sagt Mama und seufzt, "ja, na gut, auch eine Cola für jeden."

Er will natürlich unbedingt einen guten Eindruck machen und deshalb ist er furchtbar aufgeregt. Hin und her hat er überlegt, ob er seine alte Baseballkappe zu diesem ersten offiziellen Treffen aufsetzen soll. "Vergiss bloß nicht, was mitzubringen", hat ihm seine Mutter am Telefon geraten. Er kauft also zwei Überraschungseier, setzt die Kappe auf und steht vor ihrer Haustür. Die Frau seines Herzens öffnet, flankiert von zwei Kindern, die ihn neugierig anstarren. "Das ist Uwe," sagt sie und wird ein bisschen rot. "Wissen wir", bemerkt ihr siebenjähriger Sohn kurz und wundert sich: "Was hat der denn für ne vollblöde Mütze auf?" Und seine neunjährige Schwester streift die Überraschungseier mit einem kurzen Blick. "Is' doch was für Babys", sagte sie, "hast du keine Pokémon-Sticker?"

Die Luft ist zum Schneiden. "Komm doch erstmal rein", sagt sie zu ihm, der immer noch an der Haustür steht, und holt tief Luft. Das also ist ihre Familie. Seit der Trennung vom Vater der beiden lebt sie allein mit den Kindern. Aber wenn alles gut geht, ändert sich das ja gerade. Nur nichts überstürzen, nichts muss, alles kann passieren. Wenn das Unternehmen, die eigenen Kinder an einen fremden Mann zu gewöhnen, nicht so erfolgreich sein soll wie etwa das rumänische Raumfahrtprogramm, muss man sich zu beherrschen wissen - freundlich bleiben, ohne sich anzubiedern, die Phantasien und Wunschträume rund um die neue glückliche, vollständige kleine Familie im Zaum halten und die Zeit für sich arbeiten lassen. Denn ein neues Familienmitglied ist ja nicht immer ein freudiges Ereignis - für die Kinder: Fassungslos registriert sie, wie unglaublich schlecht sich ihre Kinder gegenüber ihrem Liebsten benehmen. "Hast Du keinen eigenen Kühlschrank zu Hause?", herrscht ihn der Kleine an, als er sich die Milch herausholt. "Du bist ja eine richtige Fressmaschine", klotzt die Große, als er sich beim Mittagessen einen zweite Kelle Nudelsuppe nimmt. "Hey, das ist normal", tröstet er sie, "die beiden können doch gar nicht anders als mich als Eindringling zu sehen." Sie bewundert insgeheim, wie locker er bleibt, keine patzige Antwort persönlich nimmt.

Wenn das Eis geschmolzen ist

Irgendwann taut der Kleine auf. War es als Uwe ihm beiläufig den Fußball aufgepumpt hat? Uwe macht heute noch drei Kreuze, dass er zufällig eine Ballpumpe in der Tasche hatte, als der Kleine mit der leblosen Ballhülle in der Hand nach seiner Mutter rief.

Drei Monate nach der ersten Begegnung zieht er ein. Sein Leben hat sich seitdem von Grund auf verändert. Er kennt nicht nur 24 Pokémons mit Namen, sondern weiß inzwischen auch, wie der Sonnenaufgang am Sonntagmorgen aussieht. Und er freut sich jedes Mal wie ein Schneekönig, wenn der Exmann seiner Liebsten vor der Tür steht. Denn der holt dann seine Kinder ab, und er hat ein kinderfreies Wochenende mit ihr.

Wer eine Mutter oder einen Vater liebt, gerät in ein kompliziertes Geflecht von Beziehungen, Erfahrungen und Empfindlichkeiten. Ein Netz, das vor seiner Zeit entstanden ist, in dem er aber seinen Platz nur findet, wenn er durchblickt - und Ruhe bewahrt. Die Familie hat eine eigene gemeinsame Geschichte, Regeln und Rituale und ein gemeinsames Verständnis davon, wo die nassen Badetücher hingehören, was genau ein gemütlicher Abend zu Hause ist und wie verbindlich die Schlafenszeiten der Kinder gehandhabt werden. Dieser Bestand an soliden Gewohnheiten hat sich über Jahre entwickelt und in der Zeit als Teilfamilie noch verstärkt. Den Neuen bringt das in alle Verlegenheiten, die ein später eintreffender Gast bei einer Party erlebt, wo er die anderen nicht kennt und nicht sicher sein kann, dass er gemocht wird - außer vom Gastgeber, der ihn eingeladen hat. Er weiß weder, wo die Gläser stehen, noch wo das Klo ist und hat keine Ahnung, welche Gesprächsthemen tabu sind, wo die Fettnäpfchen lauern und welche Witze ankommen. Sind nicht auch fremde Männer in der Familie, genau wie die eigenen Kinder, im Grunde Gäste, die nach dem Weg fragen?

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