Bonustrack: Was empfiehlt die Buch-Expertin?

Maike Giebner ist Erzieherin und Buchhändlerin. Im Bonustrack spricht sie über diese ungewöhnliche Mischung, schenkt einen Einblick in ihre tägliche Arbeit und hat auch Tipps fürs richtige Vorlesen mit dabei.

Portrait einer Frau mit roten Haaren auf gelben Hintergrund, daneben die Schrift Bonustrack mit der Grafik eines Mikrofons.
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Intro: Der Kindergarten heute Bonustrack Fachmagazin.

Thilo Bergmann (kindergarten heute): Maike Giebner empfiehlt in jeder Ausgabe Kindergarten heute in diesem Jahr drei besondere Kinderbücher und heute ist sie in unserem Bonustrack zu Gast. Sie arbeiten als Erzieherin in einer Kita und gleichzeitig im Kinderfachbuchladen Naseweis in Stuttgart. Wie kam es denn zu dieser Kombination?

Maike Giebner: Ich habe ursprünglich als Erzieherin gearbeitet, habe dann mich irgendwann umentschieden und dachte, oh mal so ein bisschen eine berufliche Veränderung und das ist bei uns Frauen ja immer sehr schön. Wir haben ja mehrere Optionen. Entweder  gucken wir, dass wir dass wir Kinder bekommen oder  ja, wir orientieren uns beruflich um. Und für den Weg habe ich mich entschieden und bin dann Buchhändlerin geworden.  Seit September habe ich jetzt beides miteinander verknüpft. Bin zwei Vormittage die Woche in dem Kindergarten, in einem sehr kleinen, und die restliche Zeit in meinem kleinen Kinder Buchladen.

Thilo Bergmann: Das hört sich sehr schön an.

Maike Giebner: Ja, das ist wundervoll. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich mich für diese beiden Berufe entschieden habe, weil man die super miteinander verknüpfen kann und ja, also ich hoffe, die Kinder profitieren genauso davon wie ich. Das macht auf jeden Fall sehr, sehr viel Spaß.

Thilo Bergmann: Gibt es eine Überschneidung zwischen den Eltern in ihrer Einrichtung und den Kundinnen und Kunden ihres Buchladens?

Maike Giebner: Das bei dem einen ist ja der Schwerpunkt die Pädagogik und das Kind im Mittelpunkt und bei dem anderen ist der Schwerpunkt das Buch im Mittelpunkt und wie führe ich mein Kind an dieses/an die Bücher heran. Also das sind ja sind ja zwei komplett unterschiedliche Berufe. Dementsprechend spricht man auch über andere Themen mit den Eltern.

Thilo Bergmann: Aber es war jetzt noch nicht so, dass Eltern bei ihnen im Laden stehen?

Maike Giebner: Doch natürlich habe ich das auch, aber das ist ganz klar, dass das beides getrennt ist. Also es ist jetzt es ist schon so, dass, wenn ich im Kindergarten bin, es heißt, Maike, kannst du mir das und das Buch bestellen oder bringst du das das nächste Mal mit? Das ja, aber  ich trenne das schon bewusst, das muss ich auch, wenn es so ineinander überschwimmt, das das geht gar nicht. Es sind zwei Berufe und das wissen die Eltern auch. Das heißt, die kommen dann in die Buchhandlung, wenn sie sich mit mir über Bücher unterhalten wollen. Und wenn es um die Kinder geht und um Kindergarten und was da so los ist, dann ist das der Raum Kindergarten.

Thilo Bergmann: Wo können diese jeweils anderen Bereiche bei Ihnen voneinander profitieren? Sie haben vorher gesagt das Beste aus beiden Welten. Also was ist das in ihrem Alltag z.B.?

Maike Giebner: Ja. Ja. Indem ich einfach auch ausprobiere. Also ich bringe natürlich Bücher mit in den Kindergarten. Ich habe das große Glück, dass ich in der kleinen Einrichtung arbeite mit sehr buchaffinen Kindern. Ich brauche nur ein Buch rausziehen und alles stürmt und kommt her und will vorgelesen haben.  Das hat die Kindergartenleitung sehr gut vorbereitet. Wir haben einfach auch tolle Eltern, das kann man nicht anders sagen. Die Kinder lieben Bücher und dann probiere ich natürlich auch aus. Wir haben dort vor Ort  so eine ganz kleine Bücher-Auswahl, die die Kinder jederzeit nehmen können und wenn jemand Zeit hat und das ist meistens der Fall, dann  kann man auch während der Freispielzeit einfach was vorlesen. Und ich bringe aber bewusst auch immer wieder Bücher mit zu unterschiedlichen Themen, bei denen ich mir vielleicht nicht unbedingt sicher bin. Mm. ob das jetzt  nur der Erwachsenen-Fokus ist.  das ist ein tolles pädagogisches Buch oder ob die Kinder da auch Freude dran haben oder  auch bei Büchern, von denen ich sehr überzeugt bin oder der Meinung bin, diese Kinder brauchen jetzt genau das Buch und dann bringe ich das mit und dann probiere ich es aus und dann sieht man ja relativ schnell, wie die Kinder reagieren. Springen sie drauf an? Ja? Nein? Und dann muss man das auch so akzeptieren.

Im Gegenzug kann ich dann natürlich auch im Kinderbuchladen  das so umsetzen und kann sagen, also ich habe es ausprobiert, die Kinder finden es toll oder die die mögen es jetzt nicht so in dem Alter, aber für die und die Zielgruppe ist es ideal. Ich habe das ganz oft, also ich bin eigentlich als Integrationskraft eingestellt im Kindergarten, bin in der Regel für ein Kind zuständig. Natürlich soll es interaktiv sein mit den anderen Kindern auch. Und ich habe aber  eben ein Kind, das einen besonderen Bedarf hat und dieses Kind braucht natürlich auch andere Bücher und dann gucke ich immer, dass ich relativ einfache  Bücher mitbringe, also mit wenig Text, mit wenig Input und das ist dann schon erstaunlich zu sehen, wenn ich hier die die sechsjährigen auch mit um mich rum versammelt habe, die trotzdem noch Freude an diesen Büchern haben und das kann ich dann im Buchladen selber auch noch mal so kommunizieren und kann sagen: Ja, es ist eigentlich ein Buch für Dreijährige oder sogar jünger, aber die Großen haben genauso Freude dran.

Thilo Bergmann: Funktioniert trotzdem.

Maike Giebner: Funktioniert trotzdem.

Thilo Bergmann: Der Vorlesemonitor war es, glaube ich, habe ich gestern gelesen, hat herausgefunden, dass einem Drittel aller Kinder zwischen 1 und 8 Jahren selten oder nie vorgelesen wird. Deckt sich das mit ihren Erfahrungen?

Maike Giebner: Ja, das ist die große Frage. Ich weiß es nicht. Da bin ich vielleicht auch die falsche Ansprechperson, weil dadurch, dass ich den Kinderbuchladen habe, habe ich natürlich die Zielgruppe, die Erwachsenen und auch die Kinder, die gerne lesen oder die die mit einem Buch in Berührung kommen. Die anderen kommen ja gar nicht in den Laden. Und in der Einrichtung kann ich das ich kann das überhaupt nicht bestätigen, dass die Kinder mit einem Buch nichts anfangen können, gar nicht. Und wir haben eine bunte Mischung, wir haben wirklich so alles dabei an Kindern.  Ich kann jetzt nicht sagen, dass da ein Kind dabei ist, dass das mit einem mit dem Medium Buch nicht anfangen kann. Im Gegenteil, die lieben es alle. Also, wir nutzen das natürlich auch. Man muss natürlich auch ein bisschen trainieren, das ist schon klar. Man hat Kinder, die eine kleine  Aufmerksamkeitsspanne haben, andere, die schon sehr lange zuhören können, aber das kann man trainieren. Und es ist ja auch  wie bei uns Erwachsenen genauso. Jeder ist anders und jeder hat seine Vorlieben und das ist ja das Tolle an Büchern, dass du für jeden was dabei ist. Und das muss man einfach so ein bisschen rauskitzeln und rausfinden. Wie welches Buch ist denn jetzt genau das Richtige für dieses oder jenes Kind oder auch für die Erwachsenen. Die muss man ja auch mit ins Boot ziehen. Die sollen ja genauso Freude haben. Wenn ich  gerade im Kindergartenbereich oder jünger ein Buch vorlese, dann bleibt es nicht bei dem einen Mal. Dann lese ich dieses Buch wieder und wieder und wieder vor, weil die Kinder das einfordern.

Thilo Bergmann: Mhm.

Maike Giebner: Wenn mir das aber beim ersten Mal vorlesen schon mal keinen Spaß macht.  ja, dann springt da auch kein Funke über und dann  lege ich das lieber weg und nehme was anderes.

Thilo Bergmann: Ja, das kann ich aus persönlicher Erfahrung durchaus bestätigen. Was sind denn ihre persönlichen Tipps für ein erfolgreiches Vorlesen? Also, sie haben gerade gesagt, na ja, das Buch muss einem selbst auch irgendwie Freude bereiten. Aber was wäre jetzt noch was  um das Vorlesen so ein bisschen zu trainieren auch? Haben Sie da was?

Maike Giebner: Genau. Also einfach auch so ein bisschen das Gespür für die Kinder versuchen zu bekommen.  wobei die sind ja wirklich gnadenlos. Also, wenn den Buch nicht gefällt, dann stehen die auf und gehen, ne? Dann weiß ich ganz genau, okay, also das kann ich jetzt erstmal lassen, dann versuche ich es mit einem anderen Ansatz. Am einfachsten ist es aber wirklich  die Kinder entscheiden zu lassen.

Thilo Bergmann: Mhm.

Maike Giebner: Die Kinder mit zum Einkaufen nehmen, auch die Kleinen schon. Also, ich habe einjährige, die die Bücher selber aussuchen und ich drücke in der Regel auch den Kindern die Bücher in die Hand und nicht den Erwachsenen. Und ja, und dann muss man natürlich schauen,  kann auch der Erwachsene damit leben, dass es jetzt das 200. Dinosaurierbuch ist?

Maike Giebner: Wenn nicht, dann müssen die Erwachsenen das einfach vorher kurz mitteilen. Wir haben zu Hause schon das und das und das. Ich würde gerne ein bisschen was anderes. Dann zeige ich natürlich auch erstmal andere Bücher, aber wenn das Kind dann halt nicht drauf anspringt, dann ist es halt einfach wieder so mit dem Dinosaurierbuch, aber das Kind hat Freude dran und dann muss man halt schauen, wie kann ich als Erwachsener, welches Buch ist es dann auch für mich, womit kann ich gut leben und es ist im Kindergarten nicht anders als jetzt hier bei mir in der Buchhandlung. Das muss man ausprobieren und gucken und wenn ein Kind jetzt noch gar keine Berührungspunkte hat mit einem Buch, dann wirklich eher nach was Einfachem schauen und dann kann es auch komplexer werden. Und ich habe immer den Schwerpunkt erstmal der Spaß im Mittelpunkt. Man sieht, oh ja, ein Buch ist was Tolles und es macht Spaß und es muss jetzt nicht  in erster Linie das Töpfchenbuch sein, weil ich möchte, dass mein Kind endlich von der Windel wegkommt. Das dann kann hilfreich sein, aber das würde ich jetzt nicht als erstes Buch nehmen.

Thilo Bergmann: Haben sich Kinderbücher in den letzten Jahren verändert?

Maike Giebner: Die verändern sich immer wieder. Ja, also ich habe den Laden jetzt 21 Jahre.  es ist alles kurzlebiger und man sieht schon, dass das bei vielen Büchern  nicht mehr so dieses liebevolle, also wie erkläre ich das, also die Illustrationen sind oft plakativer. Früher hat man so den Schwerpunkt, das „aquarellige“ oder wirklich auch Künstlerische, das gibt es heute auch noch, aber danach muss ich suchen. Es ist meistens sehr, sehr kurzlebig, wenn ich jetzt heute ein Bilderbuch in der Hand habe, dann kann es sein, dass in zwei Jahren schon vom Markt ist. Das war vor 20 Jahren anders. Da konnte man dann auch von Klassikern sprechen. Es haben sich natürlich auch einige Klassiker gehalten, aber so diesen Begriff Klassiker verbinde ich jetzt tatsächlich eher mit den Titeln, die ich vor 20 Jahren verkauft habe. Weniger  die aktuellen, die zwar jetzt heute ganz gut laufen, aber von denen ich weiß, na ja, also die verschwinden auf alle Fälle wieder. Und es liegt auch daran, dass der Markt komplett überschwemmt wird. Zum einen und zum anderen  dass wir immer wieder was Neues sehen wollen. Ja, das das hat sich schon sehr verändert.

Thilo Bergmann: Also immer neu begeistert werden.

Maike Giebner: Genau. Nicht nur auf dem Buchmarkt, das ist ja überall, wo man hinschaut. Wir wollen immer wieder was Neues. Und wenn es jetzt die Kleidung ist,  das sieht man ja auch, wenn man in im Bekleidungsgeschäft geht. Es war früher gab's die früher Sommermode und dann gab's die Herbstwintermode und jetzt hat man alle zwei Monate was Neues. Und so ist es auf dem Buchmarkt genauso. Und das finde ich ein bisschen schade, weil da die Liebe verloren geht oder auch so klein oder relativ schnell wieder verschwinden.

Thilo Bergmann: Wie schwer fällt es ihnen, Frau Giebner, immer nur drei Bücher für uns bei Kindergarten heute auszuwählen?

Maike Giebner: Mal mehr, mal weniger schwer, weil manchmal ist es tatsächlich so, dass ich denke, ich möchte euch was Besonderes  zeigen oder einfach was Besonderes vorstellen. Und es gibt es nicht regelmäßig, dass das, was ich jetzt gesagt habe,  dass der Markt komplett überschwemmt wird, aber mit vielen lieblosen Büchern, die ich jetzt dann nicht unbedingt  in kindergarten heute  reinstellen möchte.

Thilo Bergmann: Mhm.

Maike Giebner: Und dann bin ich manchmal schon sehr am Suchen und dann andererseits denke ich wieder: "Oh Mensch, und jetzt sind so viele und was machst du jetzt?" Und dann versuche ich immer so ein bisschen abzuwägen, dass jeder so zum Zuge kommt, weil ich ja auch weiß, gerade im Kindergarten, man hat nicht immer diese Zeit, dass es oft auch was ist, was kurz und knackig ist und bei dem ich mir sicher bin, dass die Kinder vor allem auch heute also ein bisschen gemein. Ich habe tatsächlich immer den Fokus Kind und die Erwachsenen müssen halt einfach damit leben.

Thilo Bergmann: Haben Sie einen Tipp an die pädagogischen Fachkräfte, wenn es ums Thema Lesen geht?

Maike Giebner: Sich nicht sträuben. Also, ich habe tatsächlich, ich bin schräg gegenüber von der Fachschule für Sozialpädagogik, dort werden Erzieher ausgebildet.  Und die kommen nicht unbedingt. Sich einfach zu öffnen für dieses Medium Buch, das würde ich mir sehr wünschen, gerade für die junge Generation.  Traut euch, geht in die Buchhandlung, schaut euch die Bücher an,  probiert euch aus. Also, das ist dieses Ding.  Wenn man nicht mit Buch aufgewachsen ist, sich trotzdem zu trauen,  da einfach mal  was auszuprobieren und dann wird man ganz schnell merken, dass die Kinder Freude dran haben und dann springt hoffentlich auch der Funke über so auf die pädagogischen Fachkräfte, die  einen anderen Schwerpunkt haben und vielleicht dann trotzdem auch Lust am Buch bekommen, weil die Kinder hat man sofort im Boot. Das ist wirklich, das ist so diese Erwachsenen Schiene. Jeder hat einen anderen Schwerpunkt und es gibt sehr, sehr viele  tolle pädagogische Fachkräfte und die einen sind musisch begabt und die anderen haben ein unglaubliches Einfühlungsvermögen und die dann gibt's die Theater Leute und es ist so, also das ist der Wahnsinn, was es alles gibt. Aber ich finde das Buch geht  bei manchen Leuten so ein bisschen unter und das würde ich mir einfach wünschen, dass sich die Leute trotzdem zutrauen,  in die Buchhandlung zu gehen und sich da auch ruhig beraten zu lassen und dann in die Kindergärten gehen und ausprobieren und gucken oder gerne auch meine Tipps annehmen und mal schauen und hoffentlich dann Freude dran.

Thilo Bergmann: Sehr schön. Wunderbar. Frau Giebner, das war's schon. Sie müssen jetzt noch den Laden aufsperren. Gleich geht's los. Da kommt die Kundschaft. Vielen Dank, dass Sie die Zeit gefunden haben.

Maike Giebner: Wünsche Ihnen auch eine schöne Woche und danke für das Gespräch.

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