Kirchen als GastgeberSchutzräume

Vielerorts steht man vor verschlossenen Kirchentüren. Angesichts der Hitze startet die Evangelische Kirche in Deutschland eine Aktion, die in mehrfacher Hinsicht Vorbild sein kann.

Portträt Michaela Pilters
© Privat

Der Sommer ist da. Und er ist heiß, für viele unerträglich heiß. Die Kommunen arbeiten in unterschiedlicher Weise daran, Maßnahmen zu ergreifen, um die Folgen der Klimaerwärmung abzumildern. Von Hitzewarnsystemen über Hitzeaktionspläne, Begrünung und Dämmung gibt es eine Vielfalt von Ideen, die sinnvoll und notwendig sind. Für den Einzelnen ist es gut, wenn er oder sie sich in eine kühle Wohnung zurückziehen kann. Aber nicht jeder hat dieses Privileg. Vor allem wohnsitzlose Menschen haben es diesbezüglich schwer. Nicht überall gibt es Parks mit schattenspendenden Bäumen, und in klimatisierten öffentlichen Räumen sind sie nicht gerne gesehen.

Die Evangelische Kirche in Deutschland hat jetzt angekündigt, einen Beitrag zum Hitzeschutz leisten zu wollen, indem sie die Gemeinden auffordert, ihre Kirchen auch (wochen-)tagsüber offen zu halten. Kirchen seien „nicht nur Orte des Glaubens, sondern auch des Schutzes - gerade an heißen Tagen“, heißt es in der Erklärung. Seit Jahrhunderten haben Menschen in den Kirchen Schutz gesucht, vor allem in kriegerischen Auseinandersetzungen oder mit der Bitte um Asyl. Warum also nicht auch vor Hitze? Die meist kühlen Räume sind ein guter Grund, die katholischen wie evangelischen Kirchentüren offen zu halten. Ein niederschwelliges Angebot (im wahrsten Sinn des Wortes), dessen Potenzial auch anderweitig genutzt werden kann. Zeichen der Gastfreundschaft, die uns Christen aufgegeben ist.

Es hat mich immer gestört, dass es vielerorts nicht möglich war, auch außerhalb der Gottesdienstzeiten eine Kirche zu besuchen. Zugegeben, es gibt die Erfahrungen mit Vandalismus. Aber verschlossene Türen sind auch ein Signal der Abgrenzung, der mangelnden Bereitschaft, für Menschen da zu sein und ihnen beizustehen. Egal, ob aus touristischer Neugier, um ein Gebet zu verrichten oder eine Kerze anzuzünden, wer eine Kirche betreten will, sollte dies auch tun können. Im Idealfall trifft er dort sogar auf Menschen, die Auskunft geben können oder zumindest einen attraktiven Schriftenstand.  Wenn jetzt das Hitzeargument dazu führt, die bisherige Praxis zu ändern, soll es mir recht sein.

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