Kirche vor der Herausforderung AfDDen Versuch wert

Es bleibt für die Kirche die Hauptaufgabe, den demokratischen Rechtsstaat in seiner bewährten bundesrepublikanischen Ausprägung auf allen Ebenen engagiert und gleichzeitig selbstkritisch zu verteidigen.

Ulrich Ruh
Ulrich Ruh, Ehemaliger Chefredakteur der Herder Korrespondenz© Christian Klenk

In meiner Herkunfts- und Wohngemeinde, einer Kleinstadt im mittleren Schwarzwald, konnten die Nationalsozialisten auch nach der Machtergreifung nur schwer Fuß fassen – sie bezog ihre Widerstandskraft aus ihrer starken katholischen Prägung, unterstützt durch mutige Geistliche. Auch anderswoim damaligen Deutschen Reich war das katholische Milieu für den Nationalsozialismus vor und nach 1933 ein eher schwieriges Pflaster. Das setzte sich auch in den relativ schlechten Wahlergebnissen für rechtsnationale Gruppierungen wie die NPD in der Bundesrepublik fort.

Inzwischen stehen die Katholiken und ihre Kirche vor der Herausforderung durch die „Alternative für Deutschland“, die sich aktuell auf einem Umfragehoch befindet, gerade auch in ostdeutschen Bundesländern. Die religiös- kirchliche Situation hat sich allerdings massiv verändert: Der einstige katholische Block mit seinen Verbänden und Gruppierungen existiert nur noch in Restbeständen; die Kirchenbindung ist bei den meisten Katholiken weitgehend verdampft. Das macht nicht nur der CDU/CSU strukturell gehörig zu schaffen, sondern betrifft auch den Spielraum für die katholische Positionierung im Blick auf die neue Partei AfD.

Die katholische Kirche verfügt hierzulande nur noch über eine sehr eingeschränkte Mobilisierungskraft. Es bleibt für sie dennoch die Hauptaufgabe, den demokratischen Rechtsstaat in seiner bewährten bundesrepublikanischen Ausprägung auf allen Ebenen engagiert und gleichzeitig selbstkritisch zu verteidigen, nicht zuletzt auch gegen programmatische und praktische Relativierungsversuche von Seiten der AfD. Dazu gehört eine offensive und intelligente Auseinandersetzung mit ihren problematischen Auffassungen etwa zu Europa oder zur Migration, die durchaus auch auf Katholikentagspodien stattfinden kann. Die Kirche sollte dabei ihre politisch-ethischen Kompetenzen nicht überschätzen und muss darauf vertrauen, dass sich zumindest einige Katholikinnen und Katholiken finden, die sich in Gesellschaft und Politik mit guten Argumenten auch angesichts der speziellen Herausforderung AfD Gehör verschaffen können. Es wäre den Versuch wert.

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