Neue Debatten um Verhütung und Abtreibung in den USAFreier Zugang zur Pille - Kraftprobe im Kongress

Erstmals in der Geschichte der USA werden Frauen uneingeschränkten Zugang zur "Pille" ohne Krankenschein haben. Zugleich sorgt ein Votum im Kongress für Aufsehen.

Das Capitol in Washington
© Pixabay

Wieder einmal gibt es in den USA Schlagzeilen zu Debatten um Verhütung und Abtreibung. Ein halbes Jahrhundert nach Einführung der verschreibungspflichtigen Verhütungspille, sollen Amerikanerinnen auch im freien Verkauf Zugang zu einem solchen Präparat bekommen. Von Anfang kommenden Jahres an wird der irische Pharma-Hersteller Perrigo das Mitte Juli von der "Food and Drug Administration" (FDA) zugelassene Medikament "Opill" ohne Altersbeschränkungen anbieten.

"Es ist das erste Mal in der Geschichte, dass Millionen Menschen in den USA die Möglichkeit bekommen, ein rezeptfreies orales Verhütungsmittel zu erhalten", erklärt die bei der FDA zuständige Direktorin Patrizia Cavazzoni die historische Dimension der Entscheidung.

Nahezu zeitgleich machte eine weitere Nachricht die Runde, die auf den ersten Blick gar nichts mit den Themen Verhütung und Abtreibung zu tun zu haben scheint. Im Repräsentantenhaus lieferten sich Republikaner und Demokraten ein Kräftemessen bei der Debatte zum alljährlichen Gesetzentwurf zur Verteidigungspolitik. Die angespannte Sicherheitslage in der Welt macht eine schnelle Verabschiedung aus Sicht vieler Politiker dringlich. Die Republikaner drückten dabei, wie die "New York Times" berichtet, einige Änderungen auf einem ganz anderen Gebiet durch.

Mit jeweils knappen Mehrheiten beschloss das Repräsentantenhaus, eine Pentagon-Richtlinie aufzuheben, wonach Militärangehörige unabhängig von ihrem Einsatzort Zugang zu Abtreibungen gewährleistet wird. Weiter sollen Gesundheitsdienste für Transgender verboten und die Diversitätsschulung für Militärpersonal eingeschränkt werden.

Politische und gesellschaftliche Gegensätze zeigen sich auch im Umgang mit der Verhütungspille. Während diese in mehr als 100 anderen Staaten zum Teil schon seit langer Zeit ohne Rezept verkauft wird, haben Gegner in den USA - darunter die katholische Kirche - dies bis zuletzt verhindert. Mit dem vom Supreme Court vor etwas mehr als einem Jahr beendeten Recht auf straffreien Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen nahm der Druck auf die US-Regierung zu, mindestens die Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln zu verbessern.

Die USA liegen unter den westlichen Industrienationen mit vorn bei den unbeabsichtigten Schwangerschaften. Laut Statistik des zuständigen Centers for Disease Control - CDC - ist fast jede zweite Schwangerschaft nicht geplant. Das "Guttmacher Institut" schlüsselt diese Zahlen weiter auf. Demnach sind 18 Prozent der Schwangerschaften "überhaupt nicht" und 27 Prozent "später" gewollt.

Die Statistik zeigt auch, dass die Schere zwischen armen und besserverdienenden Frauen immer weiter auseinander klafft. Laut Guttmacher werden arme, junge und nicht weiße Amerikanerinnen deutlich häufiger ungewollt schwanger als der Rest der Bevölkerung. Vor dem jüngsten Urteil des Obersten Gerichts beendeten viele dieser Betroffenen ihre Schwangerschaft durch einen legalen Abbruch. Diese Möglichkeit steht Frauen in weiten Teilen des Südens und Mittleren Westens heute nicht mehr zur Verfügung.

Die Entscheidung der FDA macht nach Ansicht von Organisationen, die sich für die Selbstbestimmung der Frauen bei Fragen der Geburtenkontrolle starkmachen, einen im Alltag spürbaren Unterschied. Victoria Nichols, Leiterin des Projekts "Free the Pill" begrüßte den Beschluss - ebenso wie Ärzteverbände. Auffällig: Vor allem protestantische Abtreibungsgegner hielten sich mit Kritik an der freien Abgabe der Pille zurück.

Die Zulassung war im Mai von einem FDA-Beratergremium aus 17 unabhängigen Wissenschaftlern einstimmig empfohlen worden. Einzelne Kritiker innerhalb der Behörde und Vertreter der katholischen Kirche machten Sicherheitsbedenken geltend.

In einer gemeinsamen Stellungnahme vom November 2022 hatte die katholische Bischofskonferenz zusammen mit dem Zentrum für Bioethik sowie der katholischen Ärzte- und Schwesternvereinigung an das Panel appelliert, die Pille nicht in den freien Verkauf zu bringen. "Wir sind vehement gegen die nicht verschreibungspflichtige Abgabe von Opill." Die Behörde folgte jedoch dem Expertenrat, der das über ein halbes Jahrhundert auch als "Mini"-Pille bekannte Verhütungsmittel als medizinisch unbedenklich einstuft.

Unterdessen geht das Tauziehen um den Gesetzentwurf zur Verteidigungspolitik im Kongress weiter. Diese Woche soll der Senat darüber befinden. Beobachter erwarten, dass die Demokraten versuchen werden, die im Repräsentantenhaus verabschiedeten Regelungen zu Abreibung wieder rückgängig zu machen.

Von Thomas Spang und Joachim Heinz
© KNA. Alle Rechte vorbehalten.

Anzeige: In der Tiefe der Wüste. Perspektiven für Gottes Volk heute. Von Michael Gerber

Herder Korrespondenz-Newsletter

Ja, ich möchte den kostenlosen Herder Korrespondenz-Newsletter abonnieren und willige in die Verwendung meiner Kontaktdaten zum Zweck des E-Mail-Marketings durch den Verlag Herder ein. Den Newsletter oder die E-Mail-Werbung kann ich jederzeit abbestellen.
Ich bin einverstanden, dass mein personenbezogenes Nutzungsverhalten in Newsletter und E-Mail-Werbung erfasst und ausgewertet wird, um die Inhalte besser auf meine Interessen auszurichten. Über einen Link in Newsletter oder E-Mail kann ich diese Funktion jederzeit ausschalten.
Weiterführende Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.