PolitikFörderung von Betroffenen-Initiativen stößt auch auf Kritik

Jemand hält Geldscheine in der Hand
© Christian Dubovan/Unsplash

Anfang Januar riefen Opfer sexualisierter Gewalt zur Gründung eines Netzwerkes für Betroffene aus allen Kontexten solcher Gewalt auf. Seit vergangenem Jahr erhält zudem der "Eckige Tisch", der sich als Sprachrohr für Opfer aus dem katholischen Tatkontext versteht, eine jährliche Unterstützung. Auch dies stößt auf Kritik. Vor allem bei vergleichbaren Gremien aus dem kirchlichen Bereich, die sich vergeblich um eine solche Förderung bemühen. Aber auch bei den Initiatoren des Netzwerks rumort es. Während beim Netzwerk unklar ist, wie es nach der Anschubfinanzierung weitergeht, hat der "Eckige Tisch" eine längerfristige Zusage.

Seit dem Bekanntwerden des Missbrauchsskandals in kirchlichen und anderen Einrichtungen ist es Wunsch vieler Betroffener, sich in Deutschland stärker zu vernetzen und sich auszutauschen. Ein erster internationaler Kongress fand vor knapp zehn Jahren in Berlin statt. Seitdem gab es immer wieder Anläufe, sich zusammenzuschließen - abseits von Gremien, in denen Betroffene ausschließlich eine Beraterfunktion haben.

Zu Jahresbeginn gab es nun einen ersten Aufschlag. Ein Kernteam rief Opfer von Missbrauch auf, sich zu melden und an einem solchen Netzwerk mitzuwirken. Noch in diesem Jahr soll ein entsprechender Verein gegründet werden, zum Jahresende soll ein erster digitaler Kongress stattfinden. "Wir machen niemandem Konkurrenz, sondern schließen mit unserer Idee eine Lücke", formulierte die Mitinitiatorin Tamara Luding zum Start.

Damit hat sie recht: Bewusst wenden sich die Initiatoren an Opfer aus allen Kontexten, in denen sexueller Missbrauch vorkommt. Diejenigen, die mitwirken wollen, sollen auch entscheiden, wie der neue Zusammenschluss konkret arbeiten soll. Das Netzwerk ist auch ein Herzensprojekt der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Kerstin Claus. Ihre Stelle leistet eine Anschubfinanzierung von 300.000 Euro in diesem Jahr. Darüber hinaus ist die Förderung nicht gesichert.

Dagegen kann der "Eckige Tisch2 längerfristig planen: Der Opferverein erhält bis auf Weiteres eine finanzielle Förderung von jährlich rund 400.000 Euro. Diese Zusage gab der Bundestags-Innenausschuss bereits im vergangenen Sommer. Sie kam, so betont es der Sprecher des "Eckigen Tischs", Matthias Katsch, auch für den Verein selbst sehr überraschend.

Insider meinen, ein begünstigender Faktor sei möglicherweise gewesen, dass Katsch und der stellvertretende Vorsitzende des Innenausschusses, Lars Castellucci, sich gut kennen: Castellucci ist kirchen- und religionspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, zudem haben beide als SPD-Kandidaten in Baden-Württemberg für einen Sitz im Bundestag kandidiert, Katsch allerdings ohne Erfolg.

Katsch selbst hatte sich zuvor jahrelang bei verschiedenen Stellen um eine finanzielle Unterstützung des "Eckigen Tisches" bemüht und nur Absagen kassiert. Nach der überraschenden Zusage musste der Verein in aller Eile Anträge stellen und in der Hauptstadt Räume für eine Geschäftsstelle suchen.

Über die Förderhöhe des "Eckigen Tisches" dürfte nicht nur das geplante Netzwerk irritiert sein. Katsch selbst hatte sich zunächst für dessen Gründung engagiert. Auch hatte er maßgeblichen Anteil am Zustandekommen des Kongresses vor zehn Jahren, sich dann aber zurückgezogen.

Bei der Vorstellung des Netzwerkes bemühten sich die Initiatoren zu erklären, dass alles im Einvernehmen gelaufen sei. Hinter den Kulissen ist aber Unmut zu spüren, auch von der Stelle der Missbrauchsbeauftragten. Schließlich seien gerade in diesen Zeiten die finanziellen Mittel mehr als knapp, heißt es.

Verärgert reagierte auch der Verein "Missbits", zu dem sich Opfer aus dem Bistum Trier zusammengeschlossen haben und der keine entsprechende Förderung erhält. Eine Anfrage an das Bundesinnenministerium blieb nach dessen Angaben bislang unbeantwortet, auf einen an das Bistum gestellten Antrag kamen bislang lediglich Nachfragen zurück.

So bleibt abzuwarten, wie sich die Betroffenen in Zukunft aufstellen. Nach der Förderzusage für den Eckigen Tisch sprach Castellucci von einem Beschluss "mit großer Signalwirkung". Bislang gibt es diese Wirkung nur für den Eckigen Tisch. Bereits Ende Februar will er seine Geschäftsstelle im Stadtteil Schöneberg eröffnen.

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