Die katholischen Philippinen wollen Scheidungen legalisieren"Schlüssel zur Befreiung in schwieriger Beziehung"

Die Philippinen sind neben dem Vatikan der einzige Staat weltweit, in dem Ehescheidungen rechtlich nicht möglich sind. Ein neuer Gesetzentwurf könnte dies nun ändern.

Eheringe
© Sandy Millar/Unsplash

Gut Ding will Weile haben. Diese Volksweisheit haben Regierungen und Abgeordnete auf den mehrheitlich katholischen Philippinen verinnerlicht, wenn es um gesellschaftspolitische Themen geht. So steht - mal wieder - die Legalisierung der Ehescheidung auf der Tagesordnung des Parlaments. Über eine solche Gesetzesinitiative hatte schon das vorherige Parlament beraten. Es gab viel Gezerre zwischen Befürwortern und Gegnern. Und die einflussreiche katholische Bischofskonferenz des Landes betrieb eifrig Lobbyarbeit, um einen legalen Weg zur weltlichen Ehe-Auflösung zu blockieren.

Viel Zeit haben die Parlamentarier nie für ihre gesetzgeberische Arbeit. Ihre Amtszeit beträgt drei Jahre. In dieser relativ kurzen Legislaturperiode sortiert man sich erst nach einem kräftezehrenden Wahlkampf - und bereitet sich dann schon auf den nächsten vor. Ein früherer Gesetzentwurf war vom Senat unter dem damaligen Präsidenten Rodrigo Duterte während der Corona-Pandemie zurückgewiesen worden. Und das, obwohl der zuständige Ausschuss des Repräsentantenhauses den Entwurf gebilligt hatte.

Gesetzesinitiativen verfallen jeweils mit dem Ende einer Legislaturperiode. So wurde das geplante Gesetz zur Ehescheidung nach der konstituierenden Sitzung des neuen Parlaments im Juni 2022 vom Abgeordneten und Oppositionsführer Edcel Lagman erneut auf die Tagesordnung gesetzt. Es muss nun wieder das gesamte parlamentarische Prozedere mit Ausschüssen, Anhörungen und Lesungen durchlaufen. Der wichtige Ausschuss für Familien hat dem Entwurf in diesem Frühjahr schon zugestimmt.

Scheidungen sind für Lagman "der Schlüssel zur Befreiung beider Geschlechter in einer schwierigen Beziehung". Ohne eine solche Option werde die Lebensqualität betroffener Paare und ihrer Kinder beeinträchtigt. Der gewiefte Politiker appelliert zudem an antikoloniale Ressentiments seiner Landsleute. Ehescheidungen, so Lagman, seien auf den Philippinen vor der Kolonialisierung durch das katholische Spanien normal gewesen und daher der philippinischen Kultur nicht fremd.

Die Volksfrömmigkeit der katholischen Philippiner ist im täglichen Leben allgegenwärtig. Kreuze prangen an Hochhäusern in Manila, Läden mit Jesus-, Madonnen- und Heiligenstatuen boomen, am Karfreitag lassen sich manche Gläubige selbst symbolisch ans Kreuz nageln, Autofahrer bekreuzigen sich, wenn sie an einem Gotteshaus vorbeifahren.

Mit ihren traditionellen Lehren dringt die Kirche gesellschaftlich aber immer weniger durch. Viele philippinische Katholiken halten die Ehe als Voraussetzung für ein Zusammenleben von Paaren inzwischen für unnötig. Das ergab kürzlich eine Umfrage im Auftrag des kirchlichen Senders Radio Veritas. Eine Mehrheit der 1.200 Teilnehmer antwortete "Nein" auf die Frage: "Sollten Paare zuerst heiraten, bevor sie zusammenleben?" Mit 48 Prozent war die Zustimmung in der Gruppe der 40- bis 60-jährigen noch am größten. In allen jüngeren Altersgruppen fiel die Antwort überwiegend negativ aus.

Der Chef von Radio Veritas, Pater Anton Pascual, bezeichnete das Ergebnis der Umfrage als "eine Herausforderung im Rahmen der kirchlichen Mission, die Gläubigen, insbesondere die nominellen Katholiken, über die Schönheit des Sakraments der Ehe zu evangelisieren".

Laut regierungsamtlichen Statistiken ist die Zahl der Eheschließungen auf den Philippinen seit mehr als zehn Jahren rückläufig. Experten sehen im Verbot von Ehescheidungen einen wesentlichen Grund für diesen Trend. Eine Ehe-Annullierung nach Kirchenrecht als einzige legale Trennungsoption ist oft aufwendig und teuer, weshalb viele Paare trotz faktischer Trennung auf dem Papier verheiratet bleiben.

Ex-Präsident Rodrigo Duterte, der nach Annullierung seiner Ehe seit vielen Jahren ohne Trauschein mit Lebensgefährtin Honeylet Avancena zusammenlebt, war stets gegen eine Legalisierung der Scheidung. Nachfolger Ferdinand Marcos Jr. ist jedoch grundsätzlich dafür.

Von Michael Lenz
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