Kirchengeschichte Aus der Tiara wurde die Jakobinermütze

Von Revolution zu Revolution - Ende des 18. Jahrhunderts brachten die Franzosen die Republik nach Rom, zum Leidwesen des Papstes, der in Gefangenschaft geriet. Am Ende konnten weder Papst noch Republik lange überleben.

Blick auf die Stadt Siena (Toskana)
© Pixabay

Der Papst und Rom - nicht immer war das in der Vergangenheit eine friedvolle Zusammenarbeit. Heutzutage kämen wohl maximal noch ein paar Anarchisten auf die Idee, den Papst vertreiben und den Vatikanstaat aufheben und in die Stadt Rom eingliedern zu wollen. Doch die Geschichte kennt mehrere Beispiele, in denen das Kirchenoberhaupt gezwungen war, die Stadt zu verlassen.

Kaum eines war allerdings so nachhaltig wie die Verschleppung von Pius VI. und die Ausrufung der Römischen Republik durch die französischen Revolutionstruppen im Februar 1798. Selten musste ein Papst eine schmachvollere Niederlage hinnehmen. Seiner vollständigen Entmachtung durch die Aufhebung des Kirchenstaates musste er tatenlos zusehen.

Für Pius VI. war dies nicht die erste schmerzliche Niederlage durch die Franzosen. Bereits 1791 - also noch inmitten der Revolution - ging der Kirchenstaat seiner Besitztümer im sonnigen Rhone-Tal im Süden Frankreichs verlustig. Avignon mit seinem mächtigen Papstpalast, die Weinberge von Chateauneuf du Pape - alles verloren.

Doch war dies nur ein Vorgeschmack: Am Kriegsschauplatz in Norditalien übernahm 1796 der korsischstämmige General Napoleon Bonaparte den französischen Oberbefehl. Nacheinander fielen Bologna, Ferrara und Ancona - alles ehemalige Besitztümer des Kirchenstaates - an die Franzosen. Unterstützt wurden die Truppen der jungen Republik dabei auch von italienischen Radikalen, die die Ideale der Revolution verwirklichen und die kirchliche Herrschaft auf der Halbinsel beenden wollten.

Nach einem kurzzeitigen Waffenstillstand im Februar 1797 rückten die Franzosen auf Rom vor. Am 10. Februar 1798 nahmen sie die Stadt ohne größere Widerstände ein. Fünf Tage später, am 15. Februar 1798, wurde die Römische Republik ausgerufen. Damit endete nach über 1000 Jahren die Geschichte des Kirchenstaates - zumindest vorläufig. Der römische Adler blieb im Wappen der Republik erhalten. Doch statt einer Tiara, der Papstkrone, prangte nun die rote Jakobinermütze auf seinem Haupt.

Die Republik nahm eine Verfassung nach französischem Vorbild an. Eine Gewaltenteilung zwischen einem Direktorium als Regierung und zwei Parlamentskammern wurde eingeführt. In einem Punkt herrschte große Uneinigkeit zwischen Römern und Franzosen: Wie sollte mit dem Kirchenoberhaupt verfahren werden? Während die Italiener das Papsttum unter den Schutz der Republik stellen wollten, wähnten die Franzosen es als stete Gefahr.

Pius musste folglich seine Stadt räumen. Die Besatzer drängten das Kirchenoberhaupt zunächst in die Toskana. Doch lange konnte Pius sich des milden Klimas dort nicht erfreuen: Nach einer anfangs erfolgreichen Gegenoffensive der Österreicher in Oberitalien waren die Franzosen bestrebt, den Papst in ihrer Hand zu behalten. Angeblich auf einer Trage wurde er als Gefangener über die Alpen nach Valence im mittleren Rhonetal gebracht.

Der Römischen Republik war kein langes Leben vergönnt. Schon am 30. September 1799 nahmen neapolitanische Truppen Rom wieder ein. Für König Ferdinand IV. von Neapel - ein entfernter Verwandter des in der Revolution enthaupteten französischen Königs Ludwig XVI. - war es ein leichtes, die noch ungefestigte Republik umzustoßen. Rom war nun bereit, wieder zur Kirche zurückzukehren.

Doch war Pius VI. am 29. August 1799 in Valence gestorben - nach einem 24-jährigen Pontifikat, das bis dato längste nachweisbare. Das Konklave, das im Frühjahr 1800 zusammenkam, tagte ersatzweise in Venedig. Aus ihm ging Luigi Chiaramonti als Sieger hervor. Im Juli kehrte er als Pius VII. nach Rom zurück. Noch 70 Jahre, bis zur italienischen Einigung 1870, durfte der Kirchenstaat danach weiter existieren.

Und noch ein kurioser Fakt: Der Leichnam Pius' VI. wurde erst im Februar 1802 nach Rom zurückgeführt, so dass sein Nachfolger die Trauerfeier für den verstorbenen Papst halten konnte. Ein höchst ungewöhnlicher Vorgang in der Geschichte des Papsttums. Er konnte sich jüngst aber wiederholen: bei der von Papst Franziskus geleiteten Begräbnisfeier seines Vorgängers, Papst Benedikt XVI..

Von Johannes Senk
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