Der stetige ÜbergangZur Theologie von Elmar Salmann

Er beherrscht die Kunst, zwischen Ufern zu vermitteln, die sich nicht berühren, oder, wie er es nennt, "Begrüßungsverhältnisse zwischen Welten" herzustellen, die eigentlich nicht miteinander sprechen würden. Heute feiert der Benediktiner und Theologe Elmar Salmann Geburtstag.

Elmar Salmann
© Simon Stubbs

Es gab einen Mann, der die Ellipse mehr liebte als den Kreis.

Er zog die Spannung zwischen Gegensätzen – seien sie konzeptueller, disziplinärer oder geschichtlicher Art – der Einseitigkeit vor, die ihm in keiner Form liegen wollten.  

Drei Themen lagen ihm besonders am Herzen: das Ich, die Welt und Gott.

Er lebte zwischen Italien und Deutschland, war Priester und Universitätsprofessor sui generis.

Er liebte das Denken und das Predigen und hatte die Gabe, die große Kultur in die Predigt einzubringen, als wäre die Literatur eine natürliche Nuance der Homiletik; und in der Vorlesung kommentierte er die großen Werke der abendländischen Geistesgeschichte, um die Exegese der christlichen Botschaft zu vollziehen.

Italien war seine Heimat, Deutschland seine Bestimmung.

Es wäre sicher aufschlussreich gewesen, seine Ansichten zu den soziokulturellen Entwicklungen der Achtundsechziger zu erfahren. Doch das Schicksal – über das er auch schrieb – wollte es, dass Romano Guardini am 1. Oktober desselben Jahres starb.

Lektüren

Im selben Monat beendete ein junger Student aus Hagen seine Bachelorarbeit mit dem Titel: "Ursprüngliche Gotteserkenntnis bei Thomas von Aquin und Karl Rahner". Er war, wie in Deutschland üblich, für ein Auslandsemester in Wien. Kaum zu glauben, dass diese maschinell getippten Seiten das Werk eines 20-Jährigen sind. Vorwort und Schluss der Qualifikationsschrift  lassen bereits den Professor erahnen, der viel später Hunderte von Promovenden haben sollten: eine präzise Fragestellung, ein klar umrissenes Beobachtungsfeld, nur selten ein einzelner Autor, eher eine genaue Konfrontation verschiedener Perspektiven.

Dass der junge Mann sehr begabt war, wusste man am Fichte-Gymnasium in Hagen. Jeder Lehrer dachte, er sei in seinem Fach vielversprechend – bis auf den Sportlehrer.

Überraschenderweise ist es Thomas von Aquin, der die Auseinandersetzung mit Karl Rahner gewinnt. Für den vom thomasischen Denken faszinierten Baccalaureus ist nämlich die "Prima secundae", also der erste Teil des zweiten Buches des "Summa theologiae", und damit die Erkenntnis aus der Erfahrung der ursprüngliche Weg zur Gotteslehre. Und doch lässt sich in diesem Wettstreit zwischen Praxis und Vision schon die Zukunft erahnen, die an anderen Ufern anlegen wird.

Dass der junge Mann sehr begabt war, wusste man am Fichte-Gymnasium in Hagen. Jeder Lehrer dachte, er sei in seinem Fach vielversprechend – bis auf den Sportlehrer. Mit der natürlichen Orientierungslosigkeit derer, die viel können, dachte Elmar, er könne Germanistik studieren, vielleicht Theaterwissenschaft oder gar Philosophie. Aber er konnte sich nicht vorstellen, Theologie zu studieren, geschweige denn ins Priesterseminar einzutreten. Daran  dachte jedoch jemand anderes.

Eines Tages drückte ihm sein Deutschlehrer Herr Dr. Weinand – ein liberaler Mann, immer mit Krawatte, tausend Meilen von der Kirche entfernt – ein altes zuckerpapierfarbiges Buch aus den Dreißigerjahren in die Hand: "Das Wesen des Katholizismus" von Karl Adam. Bei seinem Erscheinen war das Buch ein großer Erfolg. Eine ausgezeichnete Lektüre für diesen jungen Gymnasiasten, dachte sich der Lehrer. Karl Adam legte nämlich in leichter Sprache dar, was die Schultheologie noch allzu formelhaft vertrat: Das "Lebensprinzip" des Katholizismus ist ein Ereignis, ein Leben, das in der Kirche weiter pulsiert: der fortlebende Christus. Er ist das Wesen, dessen Hüterin die katholische Kirche sei. Und "katholisch" bedeutet hier: aufnahmefähig, das heißt, die Vielheit in einem elliptischen Raum in Beziehung zu bringen, also geordnet und universal zugleich.

Mit einer Unbefangenheit, wie sie nur der Evidenz eigen sein kann, argumentierte Adam, dass die Erkenntnis Gottes nur möglich sei, weil er sich selbst zur Erkenntnis dargeboten hat. Ein Primat des Handelns vor der Theorie, der später auch die Bachelorarbeit von Salmann inspirieren sollte. Die Seiten, auf denen von der Ellipse die Rede ist, sind am stärksten unterstrichen. Der junge Leser malt Kreise, Striche und Ausrufezeichen an die Ränder des Textes, wie ich dem Originalexemplar entnehmen kann, das mittlerweile wie ein Wächter über die anderen Bände meiner Privatbibliothek wacht. Dieser Lektüre folgt unmittelbar eine andere: "Die Religion" (1956) von August Brunner, ein Werk, in dem die Idee der Repräsentation eine tragende Rolle für das Religionsverständnis spielt.

In seinem letzten Schuljahr lernte Elmar die Konsequenzen des Totalitarismus kennen, als er seinen Vater auf einer Geschäftsreise nach Osteuropa begleitete. Es war die Begegnung mit der bitteren Realität eines "totalitären Absoluten". Für eine Seele wie die seine war die Synopse zwischen den beiden Absoluten unvermeidlich. Das Prinzip, von dem Adam und Brunner sprachen, trat in seiner ganzen Unausweichlichkeit wieder in Erscheinung. Ihre Vision war in der Tat die eines Absoluten, das nach Repräsentation verlangte, aber es war ein vitales, umfassendes, lebensförderliches Prinzip, das totalisierend, aber nicht totalitär war: "ein freisprechendes Absolutes" – wie Salmann später sagen würde. Ein Gedanke, der im Priesterseminar in der Entdeckung der Trinität Gestalt und Fleisch annehmen sollte.

Vertreter einer aussichtslosen Sache

Im Paderborner Priesterseminar, wie überall in Europa, waren es Jahre des Übergangs: Von der Theologie als Lektüre der "Summa theologiae" zur neuen nachkonziliaren Theologie, deren Vertreter Heribert Mühlen (1927–2006) war; von der "Seelsorge", wie die Arbeit des Priesters gemeinhin definiert wurde, zur "Pastoral"; von der sakralen Aura des Stellvertreters des Göttlichen zum Zelebranten, der sich nicht mehr zur Apsis, sondern an das Volk wendet; von der Orgel, die mit ihren Registern und dem Pedalbass einen riesigen Raum füllen konnte, zur E-Gitarre und zum Schlagzeug. Es waren die Jahre der Achtundsechziger-Kulturrevolution, die unter anderem zu einem großen Aderlass im Klerus führte: Von den 45 Seminaristen seines Jahrgangs wurden am Ende nur acht zum Priester geweiht.

Sein Vater versäumte es nicht, darauf hinzuweisen, dass der junge Dauphin eine aussichtslose Sache vertrat. Er gehörte einer Partei an, die schon vor den Wahlen verloren hatte. Aber das störte Elmar nicht im Geringsten. Der Gewinn in der Wette war unwahrscheinlich, und darin lag ihr Reiz: Am 8. Dezember 1972 wurde er vom Paderborner Kardinal Lorenz Jäger (1892–1975) zum Priester geweiht. Dieser bat den frisch geweihten Priester, als Zeremonienmeister zu fungieren und ihm bei den Liturgien im alten romanischen Dom auf Schritt und Tritt zu folgen. Seine Hauptaufgabe war jedoch die Seelsorge in der Psychiatrie in Paderborn und in der kleinen Pfarrgemeinde in Balve.

An der Klostertüre

Doch der Ruf zum Ordensleben, der ihn seit den ersten Monaten des Priesterseminars wie einen Unterstrom begleitet hatte, tauchte nun mit neuer Kraft auf. Die Faszination für den Primat des Göttlichen, die Seelsorge und die Kultur waren unwiderstehlich und lenkten ihn nun in die Richtung abseits von der Erfahrung von 68, des Stilwandels in der kirchlichen Praxis, des langsamen Untergangs der klassischen Welt.

Wenige Monate nach seiner Priesterweihe, 1973, klopft er an die Tür des Benediktinerklosters Gerleve zwischen Coesfeld und Billerbeck in Westfalen. Er betritt einen Mikrokosmos, in dem Raum und Zeit einer unverrückbaren Ordnung folgen, die vom nüchternen Gesang der römischen Graduale kadenziert wird. Und wenn der Chor verstummt, wird die Zeit der Arbeit und dem Studium gewidmet. So schrieb er zum Vergnügen und für den persönlichen Gebrauch eine Geschichte der Spiritualität von Origenes bis Teilhard de Chardin; und aus dieser Studie entstand das Projekt einer Doktorarbeit über die Beziehung zwischen Theologie und Mystik, zwischen Modernismus und Neuscholastik in den Zwanziger- und Dreißigerjahren. Die Dissertation, die er 1979 bei Peter Hünermann in Münster verteidigte, trägt den Titel: "Gnadenerfahrung im Gebet. Zur Theorie der Mystik bei Anselm Stolz und Alois Mager".

Gebet und Kultur also, aber er war auch Seelsorger: Neben seiner Dissertation widmete er sich der Orientierungsarbeit für Jugendliche, der Begleitung von Menschen in Krisen und dem Gästebetrieb.

Aber hinter der nächsten Ecke wartete etwas Neues auf ihn. Es war kein Glück, sondern der Moment, in dem Talent auf Gelegenheit traf. Und wir wissen, wer Talente schenkt und Gelegenheiten inmitten der extremen Zufälligkeit des Lebens ermöglicht. Wir befinden uns im Jahr 1981: Am päpstlichen Athenaeum Sant'Anselmo in Rom wird ein Professor für Dogmatik gesucht. Elmar Salmann klang vielversprechend, dachte Magnus Löhrer (1928–1999). Und so kam es dann auch: 1982 wurde Elmar Salmann Professor für Theologie, später Ordinarius für Philosophie, und beriet im selben Jahr das Bistum Münster bei der Erstellung eines theologischen Profils der Coesfelder Mystikerin Anna Katharina Emmerick im Hinblick auf ihre Heiligsprechung.

Italienische Reisen

Ab 1988 erhielt er auch Lehraufträge an der päpstlichen Universität Gregoriana, von 1989 bis 2001 war er Dekan für Philosophie in Sant'Anselmo, von 1992 bis 2002 Delegierter des Athenaeum für das liturgisches Institut "Santa Giustina" in Padua, 1997 Mitbegründer des Instituts für Philosophie und Mystik auf dem Aventin. Von 1995 bis 2005 war er Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Trentiner Kulturinstituts. Bald begann auch sein außerakademisches Engagement.

Ab 1996 wurde er von Kardinal Carlo Maria Martini als Referent für das Gespräch mit Nichtglaubenden (die berühmte "Cattedra dei non credenti") eingeladen. Martini war begeistert von der Theorie der Inspiration der Heiligen Schrift, die Salmann in seinem Buch "Der geteilte Logos" vorschlägt. Er gestand, dass er das Buch auch im Auto gelesen habe, zusammen mit dem Fahrer auf seinen vielen Fahrten durch die Erzdiözese Mailand. Und weil der Band so schwer war, habe er ihn sogar in zwei Teile zerrissen, nicht zuletzt, weil der Titel es nahelegte: "Der geteilte Logos". Nach Rom, Trient und Padua war Mailand also sicherlich das zweite bedeutende Ziel von Salmans Reisen in jenen Jahren.

Es gibt keine Region Italiens, in der er nicht einen Vortrag gehalten, an einer Debatte teilgenommen, eine Lektion erteilt oder gepredigt hätte: an Universitäten, in Bibliotheken, in Theatern, Klassenzimmern, auf Kanzeln, auf Plätzen, in Klöstern, Gemeinde- oder in Exerzitienhäusern.

Eine Topografie aller seiner italienischen Reisen wäre ein hoffnungsloses Unterfangen. Ich würde mich hüten, dies zu versuchen, nicht zuletzt, um bei dem Protagonisten nicht einen gewissen Unmut zu wecken – ein enger Verwandte der Nervosität, die ihn wie ein alter Freund begleitet. Es gibt keine Region Italiens, in der er nicht einen Vortrag gehalten, an einer Debatte teilgenommen, eine Lektion erteilt oder gepredigt hätte: an Universitäten, in Bibliotheken, in Theatern, Klassenzimmern, auf Kanzeln, auf Plätzen, in Klöstern, Gemeinde- oder in Exerzitienhäusern. Vom Norden bis in den Süden und bis auf die Inseln: In dreißig Jahren haben viele sein impressionistisches Italienisch genossen, das manchmal spielerisch, aber immer erhellend war; sie haben sich von seinem unwiderstehlichen melancholischen und begnadeten Humor inspirieren und von seinen treffenden Phänomenologien zwischen Leben und christlichem Mysterium belehren lassen, alles mit der Großzügigkeit und dem Desinteresse eines Grandseigneurs. Der Überraschungseffekt war immer garantiert, der Redner Salmann enttäuschte nie.

Salmann schreibt nie gegen etwas, sondern eher mit und über etwas hinaus.

Dann gibt es auch diejenigen, die ihn vor allem durch seine Schriften kennengelernt haben. Das Ergebnis deines ersten Schaffens sind die Kapitel der ersten Ausgabe von "Presenza di Spirito. Il cristianesimo come gesto e pensiero" (Padua 2000), eingeleitet von einem einsichtsvollen Vorwort über den "Stil" – ein Begriff, der erst viel später von Christoph Theobald zum theologischen Thema gemacht werden sollte.

Das Buch, das in Italien am meisten Aufsehen erregte, war jedoch ein anderes mit dem unglücklichen Titel "Contro Severino" (Casale Monferrato 1995). Ein Titel, der sicher nicht zu seinem Stil passt. Denn Salmann schreibt nie gegen etwas, sondern eher mit und über etwas hinaus. Und tatsächlich war dieser Titel die Idee eines genialen Verlegers, des später berühmt gewordenen Vito Mancuso. Ohne Wissen des Autors versah er das Buch mit dem Etikett "Contro Severino" und traf er damit einen Nerv der damaligen Aufmerksamkeitsökonomie. Die Kritik des Philosophen Emanuele Severino am Abendland und am Christentum hatte in der Tat großen Erfolg in der öffentlichen Debatte. Doch nur wenige hatten den Mut, seine epistemisch starken, aber phänomenologisch schwachen Ableitungen aufzuzeigen – und genau das war eines der Themen, die Salmann in diesem Buch behandelte.

Dass eine solche Veröffentlichung "Gegen Severino" eine lebhafte Debatte auslösen und sich somit verkaufen konnte, war unbestritten. Die Rezensionen von Emanuele Severino und Umberto Galimberti auf den Seiten der linken Tageszeitung "Repubblica" waren feurig. Doch das Ziel von Mancuso war erreicht: Das Buch war in den Lagern des Piemme-Verlags in kurzer Zeit ausverkauft. Und im Gegenzug wurde Elmar Salmann in jenem Italien bekannt, in dem sich die Berlusconi-Philosophie "Hauptsache, man redet darüber" bereits durchgesetzt hatte.

Der multiperspektivische Gott

Ist schon das Italienisch des westfälischen Theologen begehrt, so ist sein Goethe-Deutsch noch geschliffener. 1986 erschien in der Reihe "Studia Anselmiana" "Neuzeit und Offenbarung. Studien zur trinitarischen Analogik des Christentums". Es war seine Habilitation, der Beweis seiner theologischen Kompetenz, welche durch ein Trio von unbestrittener Qualität bestätigt wurde: Peter Hünermann, Magnus Löhrer und Ghislain Lafont. Die im Titel angekündigte Umkehrung, Neuzeit und Offenbarung, bestimmt auch die hermeneutische Perspektive des Buches: Es geht darum, die Offenbarung aus der kritischen Instanz der Moderne zu betrachten. Doch die Überraschung liegt um die Ecke, wenn Salmann freie Hand hat. Die systematische Entfaltung der Probleme erfolgt nämlich nach einer doppelten Umkehrung, so dass das Christentum, nachdem es die Prüfung der modernen Vernunft bestanden hat, seine Fähigkeit, Philosophie anzuregen, nicht verliert, ja sogar seinen Bedeutungsüberschuss an ihr zeigt.

Jemand hat einmal gesagt, dass jeder wirkliche Denker in seinem Werk immer das gleiche Problem behandelt, nur aus verschiedenen Blickwinkeln. Auf diesen Seiten bildet die Trinität den Magnetpol seiner systematischen Überlegungen. Das Zentrum der Untersuchung liegt in den Kapiteln V und VII, wo Salmann das trinitarische Problem des "apriorisches Wir" aufgreift und sich die Lehre seines damaligen Paderborner Dogmatikprofessors zu eigen macht.

Den philosophischen Implikationen, die sich aus der Vision eines multiperspektivischen Gottes in seiner Einheit ergeben, ist das Werk "Der geteilte Logos. Zum offenen Prozess von neuzeitlichem Denken und Theologie" (Rom 1992) gewidmet, das vielleicht die letzte Magna charta der Salmann‘schen Denkform darstellt.

Wer sich gerne auf spekulative Abenteuer einlässt, wird diese Seiten mit angehaltenem Atem lesen. Der Autor beweist seine profunde Kenntnis der wichtigsten Denktraditionen (ontologisch, transzendental, jüdisch, dialektisch, paradox, dialogisch, phänomenologisch, experimentell) und nimmt jedes Paradigma an, um den nexus mysteriorum zu lesen und den Überschuss einer Wahrheit herauszustellen, die der Ursprung des Denkens und nicht sein Ergebnis ist.

Neben den von Salmann verfassten Büchern gibt es auch die ungeschriebenen Bücher, nämlich etwa hundert Dissertationen und viele Lizenziate, die er angeregt oder begleitet hat.

Um die Nachfrage der Studierenden zu bewältigen, die ihn um die Betreuung ihrer Qualifikationsarbeiten baten, sah er sich bald gezwungen, seine Lizentiatsseminare sowohl an der Gregoriana als auch in Sant'Anselmo abzusagen. Sein wöchentliches Lehrpensum umfasste bis zu 16 Stunden Vorlesungen: die klassischen Traktate am Athenäum (Schöpfungs-, Gnaden, Sünden-, Gotteslehre); die verschiedenen Vorlesungen an der Gregoriana: über Anselm und Thomas, über die Metaphern der Erlösung, über den französischen Augustinismus des 17. Jahrhunderts, über den deutschen Idealismus, über Erfahrung und Reflexion.

Salmann hat sich nie auf einen theoretischen Ansatz festgelegt, sondern eine Vielzahl von Ansätzen gefördert, eine "Palette von Logiken", wie er es gerne ausdrückt. Und wer sich nicht auf einen Ansatz festlegte, hat keinen "Schülerkreis". Er wollte keine Rückversicherung, sondern das Entstehen neuer Resonanzen.

Diejenigen, die das Glück hatten, ihn als Doktorvater zu haben, wissen, dass eine Promotion bei ihm mehr war als eine intellektuelle Erfahrung. Es war mehr als die scholastische Beziehung zwischen Lehrer und Schüler. Es war so etwas wie ein sachlicher Dialog zwischen Vater und Sohn, aber mit Bezug auf die dritte Person: auf jenes "Sie", das zu jenem exquisiten Sinn für Distanz gehörte, von dem auch Bonhoeffer spricht. Und in diesem Dialog ging es vor allem um die Lebbarkeit und damit auch um Maß und Proportion des Werkes.

Salmann hat sich nie auf einen theoretischen Ansatz festgelegt, sondern eine Vielzahl von Ansätzen gefördert, eine "Palette von Logiken", wie er es gerne ausdrückt. Und wer sich nicht auf einen Ansatz festlegte, hat keinen "Schülerkreis". Er wollte keine Rückversicherung, sondern das Entstehen neuer Resonanzen.

Seine Freude bestand darin, die Freiheit eines jeden zu fördern, jeden zu ermutigen, seinen eigenen Interpretationsstil und seine eigene Denkform zu finden, seinen eigenen einzigartigen Zugang zur "Landschaft des Mysteriums" zu entdecken.

Alles, was er geschrieben hat, sein Denkstil, seine Art, die große Tradition zu interpretieren, seine Studenten zu begleiten und ihre Publikationen mit großzügigen Vorworten einzuleiten, setzt einen liberalen Geist voraus, einen mitfühlenden Blick für das große Potenzial und die großen Ambivalenzen von allem und jedem. 

Und so war sein Ton nie denunziatorisch, wie der von jemandem, der der alten, vergangenen Welt nachtrauert. Vielmehr war es eine Stimme, die mit der Distanz des von weit her Kommenden nicht ohne Wehmut das Gewesene beschrieb und mit Zuversicht und nicht ohne Humor auf das entstehende Neue blickte. Und vielleicht lauteten deshalb seine allerletzten Worte an jenem fernen Mittwoch, an dem er seine letzte Vorlesung an der Gregoriana hielt: "Der Mensch dachte und Gott lachte".

Dass ein solcher Mann für viele Interpretationen empfänglich ist, liegt auf der Hand. Für die Postmodernen ist er "zu modern", für die Klassizisten ein Beispiel für die Kapitulation vor den Möglichkeiten des "schwachen Denkens". Für die Traditionalisten ist er ein "subversiver Anti-Ratzingerianer", für die Liebhaber des Zweiten Vatikanischen Konzils eines der letzten Exemplare eines untergegangenen Katholizismus. Für die Nostalgiker der Missa Romana ein Dissident, der die praenotanda des Messbuchs allzu lässig adaptiert. Für die Vertreter der "Nulltoleranz" in Sachen Chorpräsenz ein zu aktiver Freischärler mit extraterritorialen Flügen. Und das paradoxe Hin und Her zwischen gegensätzlichen Urteilen könnte so weitergehen.

Elmar Salmann ist "weder konservativ noch liberal, eher klassisch und freisetzend". Mit diesen Worten verabschiedete er sich am 3. März 2012 vom Athenaeum Sant’Anselmo. Bei den langen Vorbereitungen, die diese Wahl begleiteten, ließ sein römisches Auftreten an das des bekannten "förmlich Reisenden" von Giorgio Caproni denken:

Freunde, es wird wohl besser
sein, wenn ich anfange, mein
Gepäck herunterzuholen.
Ich weiß zwar nicht recht,
wann ich eintreffen soll
und welche Stationen
vor meiner noch kommen,
aber nach allem, was mir
von der Gegend bekannt ist,
sagen mir sichere Zeichen,
daß ich mich bald von euch trennen muß.
Bitte entschuldigt die kleine Störung,
die ich verursache ...

Es war ein früher Abschied – aus Großzügigkeit sich selbst und der Kirche gegenüber, in die er zurückkehrte: "Leicht muss man sein: mit leichtem Herzen und leichten Händen, halten und nehmen, halten und gehen …", schrieb Hofmannsthal in Der Rosenkavalier.

Inzwischen ist Salmann in Deutschland auf dem besten Wege, die Resonanz Italiens zu erreichen. Sein Stil erinnert in gewisser Weise an Guardini, an einen neuen praceptor germaniae nach 68.

Predigt und Seelsorge sind sein tägliches Brot. Sein Kloster ist wie ein Hafen, an dem jede und jeder für eine Weile andocken und Erleichterung auf seiner Lebensreise finden kann. In den letzten zehn Jahre ist er wie ein Handlungsreisender in Züge ein- und ausgestiegen, um ein offenes und ermutigendes Wort zu sprechen, wo immer er eingeladen wurde.

Dass auch Deutschland das Christentum noch neu entdecken kann, ist eine Tatsache.

Vielleicht wird eines Tages ein akribischer Theologiestudent eine Dissertation vorlegen, in der er sich über den Terminkalender des Wandermönchs beugt, als materiellen Beweis für die Existenz Gottes oder zumindest für die immer aktuelle Sehnsucht nach ihm.

Die Kunst, zwischen Ufern zu vermitteln

Es gibt einen Mann, der die Ellipse mehr liebt als den Kreis.

Er zieht die Spannung zwischen den Gegensätzen der Einseitigkeit vor, die er in all ihren Formen ablehnt, und er liebt es, sie so weit auf der Reibungsfläche zuzuspitzen, bis jede Polarität gezwungen ist, sich auf die andere zu beziehen.

Er hat zwischen Deutschland und Italien gelebt und ist dann in seine Heimat zurückgekehrt.

Er ist ein Theologe sui generis: Er zieht den Essay dem Traktat vor, ohne je auf begriffliche Klarheit zu verzichten; die Hermeneutik der Ontologie, ohne den Vorrang der Wahrheit außer Acht zu lassen; die Mystik der Philosophie, ohne die Analogien zwischen Aufklärung und Erleuchtung zu vernachlässigen; er bevorzugt das Urteil, das nicht über die Wirklichkeit gesprochen ist, sondern auf ihrer Basis beruht.

Seine Freude ist es, die Lebenswertigkeit zu fördern und das Leben zu unterstützen, auch bei aller Wissenschaftlichkeit; die Kontingenz – eine nahe Verwandte des Notwendigen – zu segnen; den Raum der Zeit bevorzugen, wenn es überhaupt möglich ist, beide voneinander zu trennen.

Wo also ist das Geheimnis seiner Persönlichkeit zu suchen, wenn nicht in der anfänglichen Intuition des jungen Mannes, der von einem allumfassenden, aber nicht totalitären Absoluten verzaubert wurde?

Er schätzt die Kultur mehr als die Gelehrsamkeit, die große Literatur mehr als die Zuglektüre, Musik und Kunst vielleicht mehr als Bücher, die christliche Weisheit mehr als die Psychologie, den Humor mehr als die Gewohnheit, sich selbst zu ernst zu nehmen. Er verehrt den dreieinigen Gott zutiefst, ohne den Gott der Philosophen allzu sehr herabzusetzen. Er wollte keiner Ideologie folgen, außer der, nicht ideologisch zu sein. Und doch gelang ihm all das ohne vorgeplante Absicht, als könnte er sich auf einen untrüglichen Kompass verlassen, der ihn tamquam naturaliter leitete.

Wo also ist das Geheimnis seiner Persönlichkeit zu suchen, wenn nicht in der anfänglichen Intuition des jungen Mannes, der von einem allumfassenden, aber nicht totalitären Absoluten verzaubert wurde? Kann man es ihm je verübeln, dass er dem Ruf eines solchen Gottes gefolgt ist? Einem Gott, der größer ist, als man sich vorstellen kann: eine differenzierte Einheit der Liebe, die in drei unermesslichen personalen Perspektiven lebt und atmet.

Und was wäre, wenn seine Hermeneutik – die Kunst, zwischen Ufern zu vermitteln, die sich nicht berühren, oder, wie er es nennt, "Begrüßungsverhältnisse zwischen Welten" herzustellen, die an sich nicht miteinander sprechen würden – sich genau daraus ableiten würde?

Bezeugen kann ich wohl, wie geistreich meine persönliche Begegnung mit Elmar Salmann war, der unter anderem einen originellen Stil zeitgenössischer Theologie in Italien eingeführt hat. Aber hier angelangt, muss ich aufhören.

Ich ahne, dass es sich nicht um einen Vorsatz, sondern um eine tiefe Vision handelte. Einen Mann, der versuchte, zwischen vielen und Unendlichem zu vermitteln – den vermittelt man nicht mit wenigen Worten – und soll es auch nicht mit vielen versuchen.

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