Das Symbol der Tür ist im christlichen Glauben allgegenwärtig: Tür, Tor, Pforte, Eingang – das hat etwas Einladendes. "Ich bin die Tür", sagt Jesus im Johannesevangelium: "wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden" (10,9). Die Werbefirma, die 1500 Jahre später Papst Alexander VI. Borgia beraten hat, die "Heilige Pforte" im Petersdom zum Heiligen Jahr 1500 unter heiligen Riten aufzubrechen, ist nicht bekannt, hat damit aber den Vogel abgeschossen. Seither wird diese Pforte in den Jubeljahren neu in Szene gesetzt und zieht Millionen von Gläubigen und Neugierigen an. Man kann sich nur wundern, dass erstmals mit der Knautschpuppe "Luce" ein zusätzlicher Werbeträger des Jubeljahres 2025 geschaffen wurde, offenbar weil man meinte, die Heilige Pforte sei irgendwie zu wenig.
Alle vier päpstlichen Basiliken – Sankt Peter, Sankt Paul vor den Mauern, Santa Maria Maggiore und die Lateranbasilika – haben eine Heilige Pforte. Mancher fragt sich: Durch einen Türrahmen zu gehen, was soll das bringen? Diese Irritation scheint sogar durch die offiziellen Dokumente hindurch. Papst Franziskus würdigt in seiner Ankündigungsbulle des Heiligen Jahres 2025 die Heiligen Pforten, aber in den Ausführungsbestimmungen zur Gewinnung des Jubiläumsablasses fehlen sie, obwohl doch gerade das Durchschreiten sozusagen ein objektives Kriterium dafür sein soll.
Von Jerusalem nach Rom
Natürlich dienen die Heiligen Pforten dazu, Pilger nach Rom zu locken. Aber sie haben auch etwas mit der Verehrung von Heiltümern und Reliquien zu tun. Im Mittelalter übertrug man viele Erinnerungsstätten von Jerusalem nach Rom. Das hängt den Kreuzzügen und dem Lateinischen Königreich von Jerusalem zusammmen. So kam zum Beispiel die Erzählung auf, Kaiserin Helena habe die Heilige Stiege zum Lateran gebracht, Heilige Erde zum Campo Santo Teutonico getragen und die Goldene Pforte in den Petersdom überführt.
Die Goldene Pforte war ursprünglich ein zugemauertes Stadttor Jerusalems auf der Seite des Kidrontals. Es war aus Sicherheitsgründen verschlossen, hatte aber für den Personenverkehr eine kleine Nebentür. An der Goldenen Pforte sei Anna und Joachim die Geburt ihres Kindes Maria angekündigt worden. Albrecht Dürer hat die Begegnung von Anna und Joachim an der Goldenen Pforte in einem Holzschnitt festgehalten, auf dem das vermauerte Stadttor samt dem Seiteneingang zu sehen ist.
Dieses Tor wurde nun nach seiner Übertragung nach Rom im Petersdom zu einem biblischen Erinnerungsort, den man genauso aufsuchte wie eben die Heilige Stiege des Lateran oder den "Blutacker" des Campo Santo Teutonico. Es blieb aber nicht bei einer biblischen Erinnerung. Sondern die zugemauerte Pforte wurde zum Symbol der unbefleckten Empfängnis Mariens oder einfach der jungfräulichen Gottesmutter. Gott bahnt sich auf wunderbare Weise den Weg zu den Menschen. Er durchbricht wunderbarerweise Mauern und Wälle (vgl. Ps 18,30).
Im alten Petersdom in Rom lag genau hinter der Heiligen Pforte eine berühmte Marienkapelle. In ihr bewahrte man das Schweißtuch der Veronika (das Sudarium) auf - also ebenso eine Reliquie aus dem Heiligen Land! Christus soll sich mit diesem Tuch auf seinem Weg zur Kreuzigung sein blutiges Gesicht abgetrocknet haben, so dass man auf dem Tuch sein wahres Antlitz zu sehen glaubte. Diese Reliquie war ungeheuer populär. Jeder Römer ging in den Petersdom, um zuerst dort auf der rechten Seite das Veronikatuch zu sehen. Dort stand an der Eingangswand ein der Gottesmutter Maria geweihter Altar, der von einem Bogen umrahmt wurde. Wegen dieses scheinbaren Türrahmens kam die Legende auf, dies sei die "Goldene Pforte" aus Jerusalem: das zugemauerte Tor, das Symbol der jungfräulichen, unbefleckt empfangenen Gottesmutter.
Der alte Marienhymnus des "Sei gegrüßt, Himmelskönigin" preist Maria als "Pforte, aus welcher der Welt das Licht aufgegangen ist". Auch Papst Franziskus hat in seiner Predigt zum 1. Januar 2025 die Mariensymbolik der Heiligen Pforte hervorgehoben.
Papst Alexander VI. ließ nun erstmals zum Heiligen Jahr 1500 diese angebliche Tür aufbrechen. Seither also gehen die Pilger zu den Heiligen Jahren durch die "Goldene" Pforte – erst später spricht man von der "Heiligen" Pforte -, um in den Genuss des vollkommenen Ablässe zu gelangen. Der alte Marienhymnus des "Sei gegrüßt, Himmelskönigin" preist Maria als "Pforte, aus welcher der Welt das Licht aufgegangen ist". Auch Papst Franziskus hat in seiner Predigt zum 1. Januar 2025 die Mariensymbolik der Heiligen Pforte hervorgehoben: "Gott wurde im Schoß Marias einer von uns, und wir, die wir die Heilige Pforte zum Beginn des Jubiläums geöffnet haben, werden heute daran erinnert, dass ,Maria die Tür ist, durch die Christus in diese Welt eingetreten ist' (Ambrosius, Brief 42,4)".