"Eigene und fremde Wunden heilen"Den Glaubensweg geht niemand allein

Das Smartphone ist für viele Menschen zum ständigen Begleiter geworden. Auch wenn das Kloster keine handyfreie Zone ist, kennt man dort andere Formen der Begleitung, die nicht ablenken, sondern zum Wesentlichen führen. Benediktinerinnen und Benediktiner geben diese Erfahrung gerne weiter: als geistliche Begleiter vieler Menschen.

Manuela Scheiba
© privat

Die spätantike Benediktsregel spricht am Ende des Kapitels über die Demut davon, dass Mönche nicht nur im Herzen demütig sein sollen. Vielmehr müsse ihr ganzer Leib zum Ausdruck dieser monastischen Grundhaltung werden. Wo der Mönch auch "sitzt, geht oder steht, halte er sein Haupt immer geneigt und den Blick zu Boden gesenkt" (RB 7,63). Recht gewöhnungsbedürftig für heutige Benediktinerinnen und Benediktiner! Viele Zeitgenossen scheinen jedoch mit einer "Kultur des gesenkten Blicks" kein Problem zu haben – zumindest während der Beschäftigung mit dem Touchscreen ihres Mobiltelefons. Spitze Zungen sprechen gar vom "Smartphone als Stofftierersatz" für Erwachsene, die dringend etwas zum Festhalten brauchen!

Dauernde Erreichbarkeit wird zum Stressfaktor. Selbst nachts vermag ein grell aufleuchtendes Display Menschen aus dem wohlverdienten Schlaf zu reißen.

Das Smartphone ist in der Tat für viele zum treuen Begleiter geworden. Wir lassen uns von ihm wecken, Top-Nachrichten anzeigen, Zugverbindungen heraussuchen, an Termine, Geburts- und Namenstage erinnern oder zu mehr Bewegung (Schrittzähler!) auffordern. Fotos von – zugegeben – oft reichlich banalen Tagesereignissen schicken Menschen heute in alle Welt. Das gespannte Warten auf Likes oder Feedback lenkt ab, mindert die Konzentration bei Arbeit oder Studium und stiehlt kostbare Zeit. Dauernde Erreichbarkeit wird zum Stressfaktor. Selbst nachts vermag ein grell aufleuchtendes Display Menschen aus dem wohlverdienten Schlaf zu reißen. Klöster sind in unserer Zeit keine extradigitale Zone. Smartphones, die vielfach den (Arbeits-) Alltag von Nonnen und Mönchen begleiten und spürbar erleichtern, können auch etwas "Totalitäres" an sich haben. Das Smartphone in unserer Hand – hat es nicht vielmehr uns in der Hand?!

Intensive Weggemeinschaft

Begleitung ist ein wichtiger Aspekt benediktinischen Mönchtums. Neu in die Gemeinschaft eintretende Frauen und Männer werden durch eine eigens für sie verantwortliche, geistlich erfahrene Schwester oder einen Bruder in die klösterliche Lebensform eingeführt und über viele Jahre hinweg in persönlichen Gesprächen begleitet. Auch der Abt, die Äbtissin sowie die Brüder und Schwestern, die ihren Aufgaben und ihrer Kompetenz entsprechend bei der Ausbildung der Novizen mitwirken, stehen den Neuen bei ihrer geistlichen Suche und in allem Auf und Ab zur Seite. In Jahren intensiver Weggemeinschaft reift schließlich die Lebensentscheidung zur Bindung an Gott und die konkrete Kommunität. Der Novize oder die Novizin gibt sich vertrauensvoll in Gottes Hände, mit den Worten des alten benediktinischen Professliedes aus Psalm 119,116: "Nimm mich auf, o Herr, dann werde ich leben. Lass mich in meiner Hoffnung nicht scheitern." Die ganze Gemeinschaft stimmt in diesen Gesang ein. Sie wiederholt ihn als Bekräftigung der Auf- und Annahme der Schwester oder des Bruders und der Zusage bleibenden Weggeleits.

Das Leben in einer klösterlichen Gemeinschaft ist ein von Anfang bis zum Ende begleitetes Leben.

Auch nach der feierlichen Ablegung ihrer Gelübde haben Mönche und Nonnen regelmäßig Gelegenheit, Fragen der Arbeit sowie des persönlichen und gemeinschaftlichen geistlichen Lebens mit ihren Kloster-Oberen zu besprechen. Hilfe oder Rat kann zudem von anderen erfahrenen Brüdern und Schwester erbeten werden, die es verstehen, "eigene und fremde Wunden zu heilen", wie es Benedikt in seiner Regel formuliert (RB 46,6). Auch Äbte und Äbtissinnen brauchen Begleitung. Die Last ihres Dienstes teilen sie vertrauensvoll mit den "Seniorat", einer Gruppe zuverlässiger, erfahrener Mönche und Nonnen. Ebenso werden anderen Brüdern und Schwestern in verantwortlichen oder arbeitsintensiven Aufgabenbereichen Helfer zur Seite gestellt. Kranke und Alte bedürfen der besonderen Betreuung und Sorge.

Das Leben in einer klösterlichen Gemeinschaft ist ein von Anfang bis zum Ende begleitetes Leben. Getragen von dieser prägenden Grunderfahrung werden viele Benediktinerinnen und Benediktiner selbst zu einfühlsamen geistlichen Begleitern von Menschen, die als Gäste oder Suchende ins Kloster kommen.

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