KontaktschuldHallow-App und christliche Influencer in der Kritik

Wer in der Öffentlichkeit selbstbewusst zu seinem Glauben steht, gerät schnell unter Beschuss. Doch viele der Argumente gegen christliche Fußballer, Rapper, Influencer oder die erfolgreiche Gebets-App Hallow folgen einem bedenklichen Muster.

Johannes Hartl
© Rudi Töws

Christen, die ihren Glauben offen und bekenntnisfroh leben: Es muss etwas zutiefst Besorgniserregendes an dieser Vorstellung sein. Der Eindruck entsteht zumindest, wenn man einer Reihe öffentlichkeitsstarker Artikel und Sendungen der letzten Monate glaubt.

Der BR, der SPIEGEL und der Deutschlandfunk widmeten der katholischen Gebets-App Hallow im Frühjahr jeweils ausführliche kritische Berichte. In der Tagesschau wurde im Mai ein Beitrag unter dem Titel "Religiöse Fußball-Influencer für Evangelikale" ausgestrahlt und das ZDF-Format "Frontal" legte im Juni unter der Überschrift "Likes im Namen Gottes? Wie Influencer für Freikirchen werben" nach.

Was haben alle der genannten Beiträge gemein? Zunächst wird ein Phänomen erfolgreicher und selbstbewusster christlicher Kommunikation im öffentlichen Raum dargestellt. Hallow, eine weltweit sagenhaft erfolgreiche Gebets-App – oder auch Fußballer, die sich offen zu ihrem christlichen Glauben bekennen. Beim ZDF sieht man die christlichen Rapper "O'Bros" bei einem ihrer Auftritte. Tausende junge Menschen, die zu einem Open-Air-Gottesdienst versammelt sind und zwei Jungs, die ansteckend von ihrem Glauben berichten: Wer hier etwas Unverdächtiges vermutet, wird vom ZDF bald eines Besseren belehrt.

Reizwort "Mission"

Nach einer anfänglich positiven Darstellung wenden sich alle genannten Artikel danach der Problematisierung zu. Christliche Sportler seien zum Beispiel auch missionarisch aktiv und wollten in Schulen für ihren Glauben werben. Die Musik im Off wird leicht bedrohlicher. Tatsächlich verberge sich, und nun steht die Gefahr überdeutlich vor Augen, hinter dem fröhlich christlichen Gewand nicht selten konservative Sexualmoral. Blankes Entsetzen. Auch im ZDF-Beitrag liegt genau hier der Hase im Pfeffer: Tatsächlich gäbe es Freikirchen, die eine ebensolche Sexualmoral verträten, ferner gehe es aktiv um Missionierung. Die zugeschaltete evangelische Theologin ordnet ein: problematisch würde es dann, wenn Absolutheitsansprüche formuliert würden. Wohin all das führen könne, liegt auf der Hand: der Rechtsrutsch in den USA als mahnendes Beispiel. Außerdem gibt es christliche Influencer, die politisch dezidiert rechts denken und das Thema "Abtreibung" verbinde ohnehin Christen mit der politischen Rechten.

Nun sollte es grundsätzlich niemanden verwundern, dass Christen missionieren, dass sie mehrheitlich gegen Abtreibung sind (und das schon seit 2000 Jahren) und dass sie tatsächlich einen Absolutheitsanspruch formulieren, wenn sie sich zu Jesus als Herrn bekennen. Bei den Beiträgen über die Hallow-App wird es noch abenteuerlicher: Weil Silicon-Valley-Milliardär Peter Thiel in die Gebets-App investiert hat und jener eifriger Trump-Supporter ist, liegt selbstredend auch der Verdacht auf der Hand, Hallow habe mit beigetragen, Katholiken zu Trump-Wählern zu machen. Wer diese Zusammenhänge nicht sieht, muss wohl blind sein. Auch im ZDF-Beitrag geht es schließlich um die konservative ARC-Konferenz in London und die dadurch zweifelsfrei bewiesene Achse hin zur amerikanischen Politik.

Nach derselben Logik müssten auch all die zahlreichen Kirchenvertreter, die jemals Greta Thunberg priesen, nun der Nähe zur Hamas verdächtigt werden.

Was in all diesen Beiträgen auffällt, ist die völlig unbekümmerte Verwendung des logischen Fehlschlusses guilt by association (Kontaktschuld). Also: weil Person X die Person Y kennt oder auf derselben Veranstaltung wie jene gesprochen hat, müssen die beiden gemeinsame Sache machen. Oder: weil in den Kreisen, in denen X sich bewegt, es auch Personen gibt, die Einstellungen von Person Y teilen, sind alle Teil einer subversiven Bewegung. Nach derselben Logik müssten auch all die zahlreichen Kirchenvertreter, die jemals Greta Thunberg priesen, nun der Nähe zur Hamas verdächtigt werden.

Als ultimatives Feindbild am Ende immer: Donald Trump und seine rechten Freunde in Silicon Valley. Das mitunter hanebüchen herbei konstruierte Negativ-Framing verschleiert nur oberflächlich den Charakter solcher Theoriebildung.

Eine Erinnerung an die Coronazeit: Hinter höchst diversen, auf den ersten Blick harmlosen Phänomenen ein koordiniertes internationales Netzwerk am Werk zu wähnen, das unter Steuerung ausländischer Milliardäre etwas ganz Gefährliches plant, war in der Vergangenheit eher eine typische Argumentation rechter Verschwörungstheorien. Am Ende war es immer Bill Gates oder George Soros. Fällt den Verfassern oben zitierter Beiträge nicht auf, dass sie den exakt selben Mustern verfallen? Etwas mehr Differenzierung und etwas weniger Aktivismus, bitte.

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