KontaktabbruchDie Kirchen und die AfD vor der Europawahl

Für den Chef der Diakonie können sich überzeugte AfD-Wähler "nicht zur Kirche zählen" und sind als Angestellte unerwünscht. Auch die katholische Kirche zieht die Brandmauer hoch. Das könnte zur weiteren Verhärtung und Einkapselung der Partei und ihrer Anhängerschaft führen.

AfD-Logo
© Harald Oppitz/KNA

Demnächst ist Europawahl. In meinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es Sympathisanten aller möglichen Parteien. Ich frage normalerweise nicht direkt nach, was jemand wählt, aber wenn man über Politik spricht, merkt man, wie die Menschen denken. Ich kenne Grünen-, FDP-, Union- und SPD-Wähler genauso wie Freunde der proeuropäischen Kleinpartei "Volt" und Anhänger der Linken.  Ich habe auch mit Leuten zu tun, die – vermutlich – mit der AfD sympathisieren, darunter auch solche, die sich als Katholiken verstehen.

Die AfD ist keine Alternative

Für mich ist die AfD keine Alternative, nicht für Deutschland und erst recht nicht für Europa. Ihr Vorschlag einer Rückabwicklung der Europäischen Union halte ich für genauso verfehlt wie ihre Parteinahme für Russland und die Unklarheit bezüglich der europäischen Westbindung. Seit Jahrzehnten punkten populistische Parteien überall in Europa mit wohlfeiler EU-Kritik und verkennen, dass die europäische Integration dem Kontinent eine Phase nie gekannter Stabilität und Prosperität beschert hat. Wir halten das für selbstverständlich. Aber für die Menschen in der Ukraine oder in Georgien ist die blaue Flagge mit den zwölf Sternen ein Zeichen der Hoffnung auf ein Leben in Freiheit, Frieden und Wohlstand. Nachdem am vergangenen Donnerstag die Berliner Philharmoniker in der Oper der georgischen Hauptstadt Tiflis Beethovens 5. Sinfonie gespielt hatten, ließen Menschen Europa-Flaggen von den Logen herab, um ihren Protest gegen die Regierung Ausdruck zu verleihen.

Ich glaube auch, dass die AfD keine Alternative für Christen ist. Es gibt ein Video, in dem der AfD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Maximilian Krah, mit dem Thüringer AfD-Mann Björn Höcke diskutiert. Darin sagt Höcke, er wünsche sich einen neuen Glauben, "der das Heilige aus dem Christentum und das Heldentum aus dem Heidentum vereint". Und Krah, der selbsterklärte Katholik, widerspricht nicht!

Darüber rede ich auch mit AfD-Sympathisanten. Wenn es nach Rüdiger Schuch geht, sollte ich aber wohl besser den Kontakt zu ihnen abbrechen. Schuch ist Präsident der Diakonie, des evangelischen Wohlfahrtsverbandes also, mit über 600.000 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber Deutschlands. Schuch sagte in einem Interview: "Wer die AfD aus Überzeugung wählt, kann nicht in der Diakonie arbeiten", ja, der könne "sich im Grunde auch nicht mehr zur Kirche zählen, denn das menschenfeindliche Weltbild der AfD widerspricht dem christlichen Menschenbild".

BDKJ: Kein Segen für AfD-Politiker

Auch die katholische Kirche hat sich deutlich von der AfD distanziert. Bei ihrer Vollversammlung im Februar stellten die deutschen Bischöfe fest, die AfD vertrete einen "völkischen Nationalismus", der zu Feindseligkeit gegenüber Migranten und mangelnder Solidarität mit Geflüchteten führe und nicht mit dem christlichen Menschenbild und der Menschenwürde vereinbar sei. Die Partei sei für Christen nicht wählbar.

Was würde wohl Papst Franziskus zur kirchlichen AfD-Brandmauer sagen? Würde er Björn Höcke empfangen, wenn dieser Ministerpräsident von Thüringen wäre? 

Zur Distanzierung von den Inhalten der Partei kommt zunehmend auch die Distanzierung von ihren Vertretern. Nachdem kirchliche Verantwortliche schon seit einiger Zeit betonen, dass AfD-Leute nichts in Kirchengremien zu suchen hätten, wurde im Bistum Trier ein saarländischer Landtagsabgeordneter der Partei aus dem Verwaltungsrat einer Kirchengemeinde entlassen. Abgeordnete der AfD werden nicht mehr zum jährlichen Michaelsempfang des Katholischen Büros in Berlin eingeladen. Soeben hat der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) beschlossen, dass Politiker der AfD keinen Segen der Sternsinger mehr erhalten sollen.

Was würde wohl Papst Franziskus zur kirchlichen AfD-Brandmauer sagen? Würde er Björn Höcke empfangen, wenn dieser Ministerpräsident von Thüringen wäre? Franziskus trat jedenfalls schon mit der als "Postfaschistin" geltenden italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni auf, mit der ehemaligen ungarischen Staatspräsidentin Katalin Novak von der Fidesz-Partei oder mit dem ultra-libertären argentinischen Präsidenten Xavier Milei. Er traf sich aber auch mit sozialistischen Autokraten wie Nicolás Maduro aus Venezuela oder dem vormaligen Präsidenten Boliviens, Evo Morales, der ihm bei einer Begegnung lächelnd ein Kruzifix in Form von Hammer und Sichel überreichte. Die päpstliche Gesprächsbereitschaft kennt keine Grenzen.

Den Wählern kollektiv die Kirchentür weisen?

Dagegen ähnelt der AfD-Kurs der deutschen Kirche eher der Logik konservativer Bischöfe in den USA, die katholische Politiker der Demokratischen Partei vom Kommunionempfang ausschließen, wenn diese sich für ein "Recht auf Abtreibung" einsetzen. An eine "Bioethik-Brandmauer" denkt in Deutschland wiederum niemand. Man setzt auf Gespräche. Beim Erfurter Katholikentag sitzt die grüne Bundesfamilienministerin Lisa Paus auf einem Podium zum Thema Abtreibung. Paus möchte den Paragrafen 218 aus dem Strafgesetzbuch streichen. Der von katholischen Laien gegründete Verein "Donum vitae", der sich erklärtermaßen "für den Schutz des Lebens ungeborener Kinder" einsetzt und sich erst kürzlich für eine Beibehaltung des Paragrafen 218 ausgesprochen hat, feiert am Rande des Katholikentags sein 25-jähriges Bestehen. Auch bei dieser Veranstaltung ist ein Auftritt von Lisa Paus geplant. Vielleicht hofft man, Paus bei der Gelegenheit zu überzeugen, dass eine Streichung des Abtreibungsparagrafen der falsche Weg ist?

Die Isolation und der Ausschluss der Partei und ihrer Anhängerschaft verstärkt nur deren Einkapselung und bestätigt sie in ihrer Opfererzählung.

Wer das aber für möglich hält, kann der ausschließen, dass man bei Gesprächen und Veranstaltungen – etwa zur Flüchtlings- und Migrationspolitik – auch auf AfD-Leute mäßigend einwirken könnte? Man mag das bei den führenden Köpfen der Partei für aussichtslos halten. Man könnte auch befürchten, dass AfD-Vertreter sich die entsprechenden Einladungen als Ausweis ihrer Seriosität und gesellschaftlichen Akzeptanz ans Revers heften. Andererseits verstärkt die Isolation und der Ausschluss der Partei und ihrer Anhängerschaft nur deren Einkapselung, bestätigt sie in ihrer Opfererzählung und führt zu weiterer Verhärtung. Das gilt umso mehr für den Vorschlag von Diakonie-Präsident Schuch, der Wählerschaft der Partei kollektiv die Kirchentür zu weisen.

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