LeserdebatteKirchenschwund und Glaubensverlust

Nominell wächst das Christentum weltweit, geistig jedoch schrumpft es wie noch nie in seiner Geschichte. Die Selbstgenügsamkeit mit dem Bestehenden „oben“ in den Kirchenleitungen wie „unten“ im Volk Gottes irritiert. Wir laden unsere Leserinnen und Leser herzlich dazu ein, sich an der Diskussion über den Zustand und die Zukunft der Kirche wie des christlichen Gottesglaubens zu beteiligen.

Nur keine Aufregung! Weiter mit geschäftiger Kirchenroutine! Nicht einmal in Gottesdiensten wurde selbstkritisch bedacht, warum auch im letzten Jahr die Kirchen wiederum drastisch geschrumpft sind, in Deutschland allein um 660 000 Personen. Der seit langem dramatische Trend setzt sich fort. Nur noch 45 Millionen der knapp 83 Millionen Bürger der Bundesrepublik gehören einer christlichen Gemeinschaft an. Bald wird es bloß die Hälfte sein – gegenüber siebzig Prozent im Wendejahr 1990. Doch die Kirchenleitungen wirken nach außen so, als ob nichts Schlimmes geschehe. Das treue Kirchenvolk gibt sich arglos seinen Gewohnheiten hin. Beschwichtigt wird der Niedergang damit, dass es sich halt um den üblichen demografischen Wandel handele. Wenn Paulus und seine Gefährten so gehandelt hätten, wäre die Christusnachfolge in den Kinderschuhen steckengeblieben, versumpft.

Kirche aber soll mit ihren leitenden Repräsentanten ein Geburtshelfer der Gottesgeburt im Menschen sein. Die geistliche personale Nähe bleibt wichtig. Auf den Priester kommt es sehr wohl an, auf den Pfarrer vor Ort, auf Mönche und Nonnen, die aus einer Atmosphäre des gläubigen Staunens leben, um andere dazu anzuregen, die Routine des Daseins zu unterbrechen, Ausschau zu halten nach dem Nicht-Trivialen, Nicht-Banalen. Ein Staunen freilich nicht gegen die Welt und den Weltsinn, sondern mit ihnen. Das Christentum ist eine geschichtliche Religion der Veränderung – oder es ist nicht. Wird es den Mut zur Geschichtlichkeit wiederfinden getreu jenen zeitgeschichtlichen Erfahrungen, die Menschen Tag für Tag machen? Alles Leben beginnt mit einer förderlichen Atmosphäre, auch das religiöse, das christliche Leben. Es ist die Atmosphäre des Staunens über das Vordergründige hinaus. Zu vieles wurde im Kirchenleben selber banal und trivial – und daher zusehends unglaubwürdig. Glaubwürdigkeit aber ist nicht herbeizupredigen oder herbeizumissionieren mit ein bisschen mehr Dozieren von Glaubens-Katechismus-Elementarwissen. Es sind zuerst innere Prozesse, die die Menschen ergreifen und bewegen.

Lesen Sie hier noch einmal den Artikel "Gläubiges Staunen".