Ökumenischer KirchentagMünchen leuchtet - und die Hoffnung

Der zweite Ökumenische Kirchentag in München hat die Sehnsucht nach der Einheit der Christen neu geweckt und zudem den Willen beflügelt, Wissen, Glauben und Handeln im Horizont moderner Welterfahrung besser zu vernetzen.

Fünf Tage Grau in Grau, häufig Nieselregen, die Temperaturen oft im einstelligen Bereich. Das Wetter meinte es nicht gut mit den rund 130 000 Besuchern des zweiten Ökumenischen Kirchentags in München. Fast schien es so, als wollte es mit den Kirchen wetteifern, wer denn die ungünstigere Prognose hervorbringe. Die zum Großereignis versammelten Gläubigen konnten sich dem nicht entziehen. Zugleich aber ließen sie erkennen, dass man sich gerade in ungünstigen Zeiten wappnen und manchem widerstehen kann. „Damit ihr Hoffnung habt" hieß das Leitwort. Eine nüchterne Vision von Heilung und Versöhnung mitten in realer Bedrängnis. Dazu gaben die über 3000 Veranstaltungen zwischen Messegelände, Olympiazentrum und Innenstadt vielfach Gelegenheit. Zum Beispiel: der Skandal sexuellen Missbrauchs.

Hitzig war die Debatte nicht nur, weil mit Norbert Denef ein Opfer die zentrale Veranstaltung zu diesem Thema lautstark als „Lügentheater" bezeichnete und versuchte, Klaus Mertes am Reden zu hindern. Der Jesuitenpater, der die meist Jahrzehnte zurückliegenden Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Geistliche am Berliner Canisius-Kolleg öffentlich gemacht und damit den Anstoß dafür gegeben hatte, dass sich immer mehr Opfer meldeten, stellte sich der Kritik: „Ja, Sie haben Recht, nicht ich habe das Schweigen gebrochen, sondern die Opfer." Hitzig war die Debatte aber vor allem, weil die Vertreter der katholischen Kirche offen um den richtigen Weg aus der gegenwärtigen Krise hin zu einer hoffnungsvollen Zukunft stritten.

Eine tiefere Ursache für den Missbrauch und vor allem das jahrzehntelange Vertuschen sieht Mertes in der kirchlichen Sprachlosigkeit bei Sexualität und im hierarchischen Machtgefälle. Der Theologe und Psychotherapeut Wunibald Müller thematisierte das Problem der „monosexuellen Männergemeinschaft" des zum Zölibat verpflichteten Klerus. Das ziehe auch Personen mit unreifer Sexualität an, ein Risikofaktor. Frauen wären eine Bereicherung für die Priesterschaft: „Was nur halb ist, würde ganz werden."

Der Beauftragte der Bischofskonferenz für sexuellen Missbrauch, Bischof Stephan Ackermann von Trier, der wegen seiner Aufklärungsarbeit große Sympathien hat, warf Müller und Mertes allerdings vor, die Opfer für ihre anderen kirchlichen Reformanliegen zu benutzen: „Die Opfer geraten aus dem Blick, wenn wir jetzt über Kirchenpolitik reden." Dafür erntete er Unmut im Publikum. Doch lobte er ebenso die kritische Öffentlichkeit als Korrektiv: „Ohne sie wären wir nicht so weit, wie wir jetzt sind." Dafür bekam Ackermann Applaus, denn er gilt als ein Hoffnungsträger für den offenen innerkirchlichen Dialog.

Die Moral der Wirtschaft

Hoffnung in Krisen suchen auch Arbeitnehmer, die von Rationalisierung und schlecht bezahlten Jobs betroffen sind. Hoffnung suchen genauso Arbeitgeber, die sich in der großen, wiederholten Finanzkrise um ihr redliches Wirtschaften von den Spekulationen und platzenden Blasen an den Börsen betrogen sehen. „Die Moral ist unter die Räder gekommen", klagte Wilhelm Bonse-Geuking, Vorstandsvorsitzender der RAG-Stiftung Deutsche Steinkohle.

Für einen Bewusstseinswandel sei mehr notwendig als nur neue gesetzliche Regeln, ist der ehemalige Bundesminister und heutige Geschäftsführer der WAZ-Mediengruppe Bodo Hombach überzeugt. Eine Weltgemeinschaft wie die Kirche könne durchaus Hoffnung für die Überwindung der derzeitigen Blockade von Wirtschaft und Politik bieten. Das sehen ebenso Betriebsräte und Gewerkschaftler. Lediglich Bischof Franz-Josef Overbeck von Essen gab zu bedenken, dass die Kirche längst nicht mehr alle Menschen in der pluraler werdenden Gesellschaft erreicht. Es sind wohl eher einzelne Christen und Initiativen, wie Hombach anmerkte, die sich in die Gesellschaft politisch-sozial einbringen. Als Beispiel wurde die „Gemeinsame Sozialarbeit" der beiden Kirchen mit der Essener Ruhrkohle AG und Opel in Bochum genannt. Seit 1997 sind allein im Bergbau acht von zehn Arbeitsplätzen abgebaut worden - und das sozialverträglich. Die Kirchen saßen mit Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern an einem Tisch. Gemeinsam wurde nach neuen Stellen gesucht, wurden Umschulungen und Seminare organisiert, so dass rund zwei Drittel der Entlassenen heute Arbeit und Auskommen haben. „Es ist aber auch wichtig, dass die Kirchen mitbekommen, wie heute die Menschen ihre Haut zu Markte tragen", sagte Walter Wendt-Kleinberg vom „Haus Villigst - Institut für Kirche und Gesellschaft in der Evangelischen Kirche", das wie die „Kommende Dortmund - Sozialinstitut des Erzbistums Paderborn" an der „Gemeinsamen Sozialarbeit" beteiligt ist.

Dass wirtschaftliche Zwänge gesellschaftliche Veränderungen beschleunigen oder verhindern, zeigte sich auch bei Debatten über Geschlechtergerechtigkeit und das neue Rollenverständnis von Frau und Mann. Das traditionelle Modell, nach dem Männer - zum Beispiel als Soldaten oder Stahlarbeiter - hart, wortkarg und zupackend die Familie allein ernähren und sie mit Autorität führen, gibt es so nicht mehr, erläuterte der Berliner Jungen- und Männerforscher Stephan Höyng. Viele niedrige Löhne lassen eine Alleinernährerschaft nicht mehr zu, und die sich wandelnden Berufe - zum Telefonieren und E-Mail-Schreiben braucht es keine körperliche Kraft - haben den Wunsch nach mehr Gleichheit begünstigt.

München beheimatet internationale Spitzenforschung und Spitzentechnologie. Das hat auch den Ökumenischen Kirchentag geprägt. Mit einem eigenen Zentrum Wissenschaften wurde ein entsprechender Schwerpunkt gesetzt. Hochkarätige Persönlichkeiten kamen. Denn gewaltige Umwälzungen im Verständnis von Natur, Mensch und Technik werden Glauben wie Kultur nachhaltig verändern. Es geschieht längst, etwa in der Hirnphysiologie. Chemische Stimulationen oder chirurgische Eingriffe ins zentrale Steuerungsorgan für Fühlen, Denken, Leben lindern bereits schwerste Leiden. Dabei kommt eine große Frage ins Spiel, was menschliche Identität, Personalität, Ich-Bewusstsein eigentlich ausmacht - und ab wann der Mensch manipuliert wird.

„Ich glaube an das Gehirn"

Der Kölner Neurochirurg Volker Sturm etwa hat bahnbrechende Erfolge bei der Behandlung des ungewöhnlichen Tourette-Syndroms erzielt. Der Patient kann in solchen Fällen zum Beispiel willentlich nichts dagegen tun, dass er sich unaufhörlich selbst beißt, schlägt und seltsame Laute ausstößt. Durch das Einpflanzen einer Elektrode ins Gehirn und entsprechende elektrische Reize wurde Heilung möglich. Für Sturm ist klar: Erst die vermeintliche „Manipulation" gibt dem Betroffenen die Willensfreiheit zurück, die Fähigkeit, selbstbestimmt zu handeln.

Der Münchener Psychiater und Neurologe Hans Förstl sieht sogar schon Chancen, Nervenkrankheiten lange vor dem Ausbruch im Prozess ihrer Entstehung zu entdecken und vorbeugend einzugreifen. Sein Bekenntnis: „Ich glaube an das Gehirn. Ich glaube aber nicht, dass unsere Methoden ausreichen werden, um es zu begreifen."

Der Frankfurter Hirnforscher Wolf Singer hofft, dass die neurologischen Erkenntnisse unser Bild vom Menschen humanisieren. Das Fehlverhalten des Einzelnen sei nicht vorschnell mit Schuld gleichzusetzen. Für Singer wird das Gehirn durch eine lange Vorgeschichte geprägt. Jeder Mensch nimmt seine Welt anders wahr, je nach Vorwissen und Einflüssen, um die man oft gar nicht weiß. Das erfordere eine neue Art von Toleranz: „Jeder hat das Recht, für wahr zu halten, was er so wahrnimmt." Was ich mir zugestehe, muss ich genauso bei anderen akzeptieren. Wahrheit ist Wahrheit, auch wenn sie sich „von außen" als Wahrheiten im Plural zeigt.

Schöpfergott und Zerstörer

Die Wahrheit über den Menschen wird durch die vielen Wahrheiten allerdings nicht geklärt. Manchmal drängt sich der irritierende Eindruck auf, unser Gehirn sei nichts anderes als nur eine besonders komplexe Rechenmaschine, die sich selbst programmiert und weiterentwickelt. Die ­Ergebnisse der Künstliche-Intelligenz-Forschung verändern unser Verständnis von Autonomie, manchmal verstörend. Der Münchener Wissenschaftstheoretiker und Philosoph Klaus Mainzer verweist auf Entwicklungen in der Robotik: Elektronische Systeme werden fähig, über Rückkoppelung, Vernetzung und Vergleich „selbstständig" zu lernen, sich „kreativ" selbst neu- und weiterzuprogrammieren. Forscher diskutieren inzwischen über „Eigenverantwortung" künstlicher Intelligenzsysteme und darüber, Roboter in der Krankenpflege einzusetzen. Können Roboter so etwas wie Seele, Selbstbewusstsein, Ich-Gefühl entwickeln? Die Science-Fiction-Phantastereien von früher sind auf dem Boden seriöser Forschung gelandet. Die Baseler Theologin und Ethikerin Christina Aus der Au Heymann zweifelt allerdings, ob vermeintliche Ähnlichkeiten zwischen Maschine und Mensch wirklich Ähnliches sind. Das Ich zeichne sich dadurch aus, dass etwas für es zur Bedeutung werden kann.

Das Materie-Geist-Problem präsentiert sich heftig auf der Bühne der Wissenschaften. Oft paradox. Der Münchener Kernphysiker und Träger des Alternativen Nobelpreises Hans-Peter Dürr erläuterte seine Einsicht, dass es Materie, wie wir sie uns landläufig vorstellen, gar nicht gibt. Manche Leute würden ihn bedauern, er sei doch arm dran, dass er sich fünfzig Jahre mit etwas befasst habe, was es gar nicht gibt. Aber - so Dürr: „Es war nicht nutzlos, es hat Weltbilder verändert."

Daher geben wir die Sehnsucht nicht auf, dem „Wunder des Lebens einige Geheimnisse abzuringen". Patrick Cramer, Leiter des Genzentrums der Ludwig-Maximilians-Universität untersucht Objekte der Zelle, die nicht einmal ein Millionstel Millimeter klein sind. Plötzlich hat - zum Beispiel - die Bierhefe viel mit dem Homo sapiens gemeinsam. Das Integrative, Steuernde sei, so meint er, vielleicht doch das erahnte „Wunder des Lebens". Der Jesuit, Theologe, Biologe und Naturphilosoph Christian Kummer rät allerdings zu mehr Skepsis. „In den Genen steckt der Inbegriff des Menschen gar nicht drin." Man müsse die Vernetzungen betrachten. „Das Lebendige ist noch einmal eine Nummer größer, als wir es uns über mechanistische Modelle vorstellen, die wir aber brauchen."

Groß ist das Leben auch für den Berliner Molekularmediziner Detlev Ganten, aber eben auch chaotisch, zerstörerisch, ein Produkt aus komplexer Zufälligkeit und statistischer Wahrscheinlichkeit. Im Lauf von gut dreieinhalb Milliarden Jahren Evolutionsgeschichte sei allzu viel ins Leere gelaufen, zerstört worden, in einem unaufhörlichen Drama von Katastrophen. Das berührt nicht zuletzt das harmonisch-religiöse Bild eines göttlichen guten Schöpfers. Doch der Schöpfer-Gott ist, gemessen an den evolutiven Fakten, ebenso radikal ein „Zerstörer".

Kummer bedauert eine enorme Berührungsangst der Theologen und kirchlichen Amtsträger gegenüber Naturwissenschaftlern gerade dann, wenn es ungemütlich wird. Aus ärztlicher Sicht verlangt der Hämatologe und Krebsforscher Wolfgang Hiddemann von seinen Kollegen eine Horizonterweiterung. Leben sei umfassender als nur Molekularbiologie und Eiweißchemie. „Es ist sehr viel Beziehung - zu anderen Menschen, zur Umwelt, zu Gott." Hiddemann erwähnt den Göttinger Hirnforscher Gerald Hüther, der den „Einfluss der Liebe auf die Evolution" betont.

Auch Glauben beeinflusst die Evolution, vor allem die unseres Wissens. Für den Berliner Philosophen Volker Gerhardt kommt redliches Glauben ohne Wissen nicht aus. Glauben ist für ihn jedoch ein Akt des Überschreitens, auf Zukunft bezogen, im Bewusstsein unserer dauernden Abhängigkeit als „Kinder Gottes". Jeder Fortschritt des Wissens mache uns klar, dass wir nie alles wissen. Der Glaube kompensiere das. Er zeige uns im Zugriff auf Zukunft denkend auf, dass wir über unsere Unzulänglichkeiten hinaus Hilfe brauchen. Der Glaube lockt das Geistige, was uns schließlich mit dem Göttlichen in Verbindung bringt. Glaubend greifen wir voraus auf eine Sicherheit, die wir nie haben werden, die uns aber eine vertrauensvolle Beziehung ermöglicht auf eine Kraft und Macht, ohne die wir nichts ausrichten können. So wird Glauben mit Wissen zu einem kommunikativen Prozess. Für Gerhardt heißt das mit Blick auf Paulus: „Vermittlung von Geist zu Geist, zu anderem Geist."

Glauben mit Küng und Lesch

Nach einer Zeit der Verkürzung des Lebens auf einen Materialismus kehrt anscheinend das Geistige in die Wissenschaften zurück. Das Geistige steht nicht gegen das Materielle, sondern gibt der materiellen Verfasstheit eine offene Perspektive. Hoffnung eben - und Verantwortung. Der Münchener Astrophysiker Harald Lesch bekennt sich ohne Umschweife zum Glauben, denn: „Was soll ein Astrophysiker anderes machen." In den Naturwissenschaften gehe es nicht um Entzauberung der Natur, vielmehr lebe die Forschung vom Zauber der Natur. Das geschieht über ein kritisches Lesen mit den Mitteln und Modellen, die wir empirisch-mathematisch zur Verfügung haben. Mit jedem neuen Wissen wird das Rätsel des Kosmischen, von Sein und Zeit größer. Die kritische Sicht, die ihn als Forscher bewegt, habe er von klein auf auch religiös erfahren und entsprechend eingeübt. Als „Protestant vom Scheitel bis zur Sohle" musste er evangelischem Selbstverständnis gemäß lernen, die Heilige Schrift immer wieder kritisch neu zu lesen. Nichts anderes geschehe in der Wissenschaft.

Das bewegt moderne Christen. Das bewegte auch jene 7000 Zuhörer, die zu der - auf dem Messegelände größten und völlig überfüllten - Veranstaltung mit Hans Küng und Harald Lesch gekommen waren. Küng sprach in berührenden Worten darüber, wie wir unseren Glauben leben können. Für den bedeutenden Theologen wächst Glauben aus einem „kritischen Vertrauen zum Sinn unseres Lebens, zu den Mitmenschen, zur Wirklichkeit überhaupt … Denken wir nicht zu klein von Gott. Der Schöpfer dieses unabsehbaren Makro- und Mikrokosmos und des Evolutionsprozesses von 13,7 Milliarden Jahren ist nicht über oder außerhalb der Welt. Er ist in unserer Welt. Und zugleich in meinem Herzen. Ich kann meine Augen zum Himmel erheben und beten ‚Gott in der Höh sei Preis und Ehr', kann aber auch nach innen schauen und sagen: ‚mein Gott', ‚lieber Gott'. So ist für mich Gebet zu diesem Gott, der uns Vater und Mutter in einem ist, so ist für mich auch Gottesdienst in aufgeklärtem Glauben möglich und sinnvoll." Redlich.

Küng sieht die Zukunft des Christentums in einer Neuausrichtung auf einen befreienden Christusglauben. Christliches Leben sei zugleich „Leben im Geist Christi, der Gottes Geist ist … So glaube ich an den Heiligen Geist, in mir und in der Gemeinschaft der Glaubenden, der Kirche, aber - da er weht, wo er will - auch in der Welt." Christ sein heißt für Küng in überzeugender Weise ebenso Kirche sein. Daher wünscht er eine „zweite Reformation, nicht zur Spaltung, sondern zur Einheit der Kirche". Es war wie ein bewegendes Testament, das Küng aus langer Lebens- und Glaubenserfahrung in München vorlegte.

Ehe ist Kommunion

Auch das ökumenische Denken und ökumenische Leidenschaft kehren zurück. Der Münchener Kirchentag hat viele Menschen guten Willens und engagierten Handelns zusammengeführt, denen es nicht gleichgültig ist, wie und ob es mit dem Christentum weitergeht, und die auch dort nicht aufgeben, wo Lehramt und Theologie heute eher müde, lustlos dahinstolpern oder lieber Dienst nach Vorschrift machen, die dann als „Tradition" verklärt wird. „München" weckte neu auch die Frage, ob es nicht doch eine Verständigung über die geistlichen Ämter geben könnte und ob nicht längst mehr möglich ist an Leben am gemeinsamen Tisch des Herrn.

Das betrifft besonders die konfessionsverschiedenen Ehepartner, die sakramental leibhaftig die Einheit der Kommunion des faktisch geteilten Liebens, Hoffens und Glaubens leben. Der große Ökumeniker Otto Hermann Pesch sagte es deutlich: Die konfessionsverbindende Ehe ist die „Keimzelle der Kirchengemeinschaft". Oder drastisch gewendet: Der sakramentale Ausschluss etwa der evangelischen Mutter oder des evangelischen Vaters bei der Erstkommunion des Kindes sei ein „seelsorgliches Verbrechen an dem Kind".

Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, versprach, sich in diesen Fragen energischer für Lösungen einzusetzen. „Wir haben da durchaus offene Ohren auch in Rom gefunden." Der amtierende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Nikolaus Schneider, erklärte: „Kirche ist kein Selbstzweck. Wir haben gemeinsam den Auftrag, dass die Welt glaube."

Das Brot vom Odeonsplatz

In der bayerischen Metropole mit einem bemerkenswerten Anteil orthodoxer Christen weitete sich die katholisch-evangelische Ökumene diesmal sinnlich spürbar aus. Besonders bewegend war eine orthodoxe Vesper, verbunden mit einem Ritus des Brot-Teilens. An und neben tausend Tischen vom Odeonsplatz bis weit die Ludwigstraße hinab versammelten sich die Leute zu einer Speisung der 20000. Bei nur sieben Grad Celsius harrten sie über zwei Stunden aus, sangen, beteten, brachen miteinander das von den Liturgen gesegnete, in großen, schweren Körben an die Tische gebrachte Brot und tunkten es ein in heilendes Öl, aßen und wurden satt. Auf den Tischen standen Krüge mit Wasser und Becher, daneben lagen Äpfel.

Gebt ihr ihnen - den Hungernden - zu essen. Das geistliche Wort Jesu gewann in diesem großen leiblichen Akt eine geistliche Dichte, welche die meisten Teilnehmenden wohl nicht erwartet hatten. Still, andächtig, gelöst, fröhlich nahmen sie das einfache Mahl zu sich, gaben Passanten davon ab oder steckten Teile ein für Verwandte, Freunde und Kranke daheim. Viele waren emotional zutiefst gerührt. Eine Kommunion ohne eucharistische Kommunion. Und doch war diese Speisung der jesuanischen Speisung der Volksmenge so nah, dass viele sich fragten, ob es nicht doch eine Brücke geben könnte von der weltlichen Nahrung zu jener Seelenspeise, die wir alle brauchen für unser Leben wie Sterben - und für unser Hoffen über alles Diesseitige hinaus. München leuchtete an diesem Abend in Grau, vielleicht doch auch zur Erleuchtung jenes Geistes, den das Christsein für seine Zukunftsfähigkeit braucht.

Der evangelische Präsident des Ökumenischen Kirchentags, der Transplantationsmediziner Eckhard Nagel, meinte: „Wir haben einen Traum geträumt, und der Traum ist Wirklichkeit geworden. Die Ökumene hat ein neues Gesicht bekommen." Der katholische Kirchentagspräsident Alois Glück: „Die Ungeduld des Kirchenvolkes im Hinblick auf weiterhin strittige Fragen ist unverkennbar. Der Dialog zwischen Kirche und Amt, Laien und Fachtheologen muss weitergehen." Der griechische orthodoxe Metropolit Augoustinus ermutigte: „Im Hören auf das Zeugnis der frühen Kirche werden wir nach jenen Möglichkeiten der legitimen Vielfalt - etwa was die Frage der kirchlichen Ämter betrifft - Ausschau halten!" Die Schwierigkeiten, die es in der Ökumene noch gibt, könnten mit Gottes Hilfe überwunden werden, erklärte Robert Zollitsch. Und Nikolaus Schneider stellte fest: „Ökumene ist Realität unseres Lebens, sie verändert schon jetzt unsere Kirchen." Was am Odeonsplatz geschah, - „das war die Vorspeise. Sie macht Appetit auf das Hauptgericht."

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