VOM GROSSEN UND GANZEN – FOLGE 6Mut zur Veränderung

ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp zu Gast im Podcast.

In einer Bibliothek sitzen CIG-Redakteur Moritz Findeisen, ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp und Akamdiedirektor Achim Budde gemeinsam an einem Tisch und blicken zur Kamera
Zur Podcastaufnahme in der Bibliothek der Katholischen Akademie in Bayern: CIG-Redakteur Moritz Findeisen, ZdK-Präsidentin Irme Stetter-Karp und Akamdiedirektor Achim Budde© Sophia Haggenmüller

Mit der sechsten Folge rundet sich die erste Staffel unseres Podcasts Vom Großen und Ganzen. Wie kaum eine andere Institution stehen die Kirchen über den Dingen – und sind doch mittendrin. So zieht sich eine Frage wie ein roter Faden durch das Gespräch mit Irme Stetter-Karp: Welche Rolle will und kann die Kirche in der heutigen Gesellschaft noch spielen? Für die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ist der Rückzug in sakrale Sonderräume oder der moralisch erhobene Zeigefinger keine Option. Die Kirche müsse eine ebenbürtige Haltung finden und die Menschen so ansprechen, „dass sie verstehen können: Da will mir jemand helfen, dass mein Leben gelingen kann. Für Belehrung ist einfach kein Raum.“ Eine besondere Bedeutung misst Stetter-Karp offenen Orten wie Familienzentren, Kitas und Bibliotheken in kirchlicher Trägerschaft zu, in denen die Kirche nicht als Missionarin, sondern als Mitgestalterin einer offenen Gesellschaft auftreten solle. Es beeindrucke sie, dass trotz zunehmender Kirchenverdrossenheit immer noch viele Menschen, gerade auch junge, ihre Zeit und Energie für die Gemeinschaft einsetzen. Studien zeigen, dass Christinnen und Christen überdurchschnittlich oft ehrenamtlich aktiv sind – „ein Kapital“, das besser gepflegt werden müsse.

In einer Zeit, in der autoritäre und demokratiefeindliche Tendenzen zunehmen, sieht die Laienpräsidentin auch eine klare politische Verantwortung der Kirchen: Sie fordert, die Scheinlösungen der extremen Rechten im öffentlichen Raum zu „dekodieren“ und ihnen mit Aufklärung und Haltung zu begegnen. Dabei betont Stetter-Karp, dass das ZdK keine parteipolitische Linie verfolge. „Wir bilden mit unseren 230 Delegierten ein großes Spektrum der Meinungen ab.“ Auch fänden sich Themen, die dem Laiengremium wichtig sind und zu denen es sich äußere, nicht mehr nur in einer Partei. Gerade diese Pluralität sei ein Ausdruck demokratischer Reife.

Deutlich wird in der Podcastfolge aber auch: Die Kirche kann ihr gesellschaftliches und humanes Potenzial nur entfalten, wenn es ihr gelingt, die eigenen Krisen zu überwinden. Stetter-Karp nennt vor allem zwei Baustellen, an denen sich die Glaubwürdigkeit der Kirche entscheiden werde: die Aufarbeitung des Missbrauchs und die Rolle der Frauen. Es wäre „eine Verbesserung, wenn Frauen der Eucharistie vorstehen könnten“, sagt sie mit Nachdruck. Nicht nur um der Gleichberechtigung willen, sondern weil die Verkündigung durch Frauen reicher und vollständiger würde. Die Kirche müsse sich fragen lassen, wie lange sie noch an einem Modell festhält, bei dem Berufung und Begabung durch Geschlecht begrenzt sind. „Wir lassen Gemeinden verhungern“, sagt sie, „weil wir das, was wir für essentiell halten – die Eucharistie –, nicht mehr überall anbieten können.“ Die Orden und kirchlichen Verbände böten hier eine gute Schule, da in ihnen Gleichberechtigung, Gewaltenteilung und demokratische Beteiligung seit langer Zeit vorgelebt würden. Nur auf diesem Weg sei sie als Frau je in ein Wahlamt in der katholischen Kirche gekommen.

In Bezug auf die internationale Dimension des synodalen Prozesses zeigt sich Stetter-Karp vorsichtig optimistisch. Gespräche mit dem Vatikan hätten sich verbessert, auch wenn kulturelle Missverständnisse den Austausch erschwerten. So dächten Menschen aus Südamerika etwa beim Ausdruck „System“ zuerst an staatliche Korruption und nicht an strukturelle Hemmnisse innerhalb der Kirche. Doch ließen sich Missverständnisse im vertrauensvollen Gespräch ausräumen.

Getragen sind die Äußerungen der ZdK-Präsidentin von Ruhe und einer großen spirituellen Tiefe, die nicht in Dogmatik, sondern in Erfahrung gründet: erhebende Kindheitserlebnisse in den Bergen, der frühe Verlust der Mutter, Konfrontation mit Armut. „Wenn ich an Gott denke oder an Ganzheit, an heiles Leben, dann denke ich zuerst gar nicht an Materielles, sondern an die Frage, wie sich Würde zeigt“, so Stetter-Karp.

Hören Sie hier das ganze Gespräch:

 

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