Wertschätzende und beziehungsorientierte KommunionkatecheseZeit-Raum für und mit Gott

Zeiten und Räume haben sich in unserer „spätmodernen“ Welt grundlegend verändert - ein Prozess dessen Ende nicht absehbar ist. Auch Kinder und Familien sind massiv davon betroffen. Wie kann unter diesen Bedingungen Kommunionkatechese heute noch gelingen?

Die Kindheit hat sich in unserer Zeit - wohl im Vergleich zur Kindheit der meisten Leser/innen dieser Zeilen - radikal verändert. Sie ist Medien-Kindheit, Leistungs- Kindheit, Konsum-Kindheit geworden. Am wenigsten dafür können die Kinder selbst, denn wir Erwachsenen bereiten ihnen die Welt so, wie sie die Kinder vorfinden. Die Veränderung hat alle Bereiche des Lebens erfasst. Die Familien und ihre Kinder leben in ganz eigenen Zeiträumen, die von den Bedingungen ihres Alltags vorgeprägt sind: soziale Verhältnisse, Berufstätigkeit der Eltern, Allgegenwärtigkeit der Medien, Wohnraum, Betreuungssituation, Kindergarten, Schule, Stadtteil. 

Trend zur Minimallösung in der Kommunionvorbereitung 

Katholisch getaufte Kinder und ihre Familien werden im Kindesalter von meist 8 oder 9 Jahren zur Vorbereitung und Feier der Erstkommunion eingeladen. Bundesweist sind es jährlich etwa eine viertel Million Kinder. Wenn sie sich anmelden, bringen sie all das mit, was oben angedeutet wurde und was die Bedingungen unserer veränderten Gesellschaft erfordern. Können wir als Kirche da noch landen, noch zusätzliche Forderungen stellen, die die ohnehin schon überlasteten Familien noch mehr in Bedrängnis bringen - zeitlich, kräftemäßig, ressourcenabhängig? 

Konsequenz ist vielfach der Trend zur Minimallösung, zum kleinsten gemeinsamen Nenner in Vorbereitung und Durchführung. Das scheint den Kindern mit ihren Familien, aber auch den Haupt- und Ehrenamtlichen mit ihren knappen Ressourcen am meisten entgegenzukommen: zeitsparend, effizient, effektiv. Doch was - oder auch wer - bleibt am Ende wirklich „hängen“? Gibt es nachhaltige Impulse, die den Menschen von der Erstkommunionkatechese und -feier mit auf den Weg gegeben werden können? Hat Kommunionkatechese eine Wirkung? 

Empirische Erforschung der Situation vor Ort 

Derzeit wird erstmals in einer groß angelegten, bundesweiten Studie die Situation der Kommunionkatechese auf breiter Linie empirisch erforscht. Dabei sind Religionspädagog/innen von den Universitäten Tübingen, Dortmund, Frankfurt (St. Georgen), Bonn und Soziolog/innen von der Universität Heidelberg beteiligt. Kinder, Eltern, Katechet/innen und Verantwortliche in den Gemeinden werden befragt, wie sie ihre Arbeit und Erfahrungen einschätzen: vorher, kurz nach der Erstkommunion und ein Jahr später. Dabei spielen auch die Erwartungen an Kommunionvorbereitung, die Glaubenszugänge und Wertorientierungen eine Rolle. Erste Ergebnisse lassen aufhorchen. 

Offensichtlich ist es so, dass Erstkommunionkatechese keineswegs wirkungslos ist - im Gegenteil! Man darf nur nicht den regelmäßigen Kirchgang als einzigen Indikator für gelungene Bemühungen um Erstkommunion hernehmen. Wer dies erwartet, wird immer wieder aufs Neue enttäuscht. Natürlich ist es erstrebens- und wünschenswert, wenn sich Kinder und ihre Familien im Laufe des Kontakts zur Gemeinde dort wenigstens ein Stück weit einwurzeln. Beheimatung in einer heimatlos gewordenen Welt ist ein wichtiges Ziel aller katechetischen Bemühungen. 

Aber dennoch hat sich unter der Oberfläche, sozusagen subkutan, in den Köpfen und Herzen der Kommunikand/innen und ihren Bezugspersonen viel getan, auch wenn sie nicht (mehr) regelmäßig in der Gemeinde auftauchen. Doch die Wirkung ist abhängig von der Art und Weise der Vorbereitung und von dem Konzept, das sich die Gemeinde gewählt hat. 

Die folgenden Kriterien einer gelingenden Kommunionkatechese wollen nicht der Weisheit letzten Schluss darstellen, zumal die erwähnte empirische Studie noch nicht vollständig ausgewertet ist. Sie wollen Impulse zur Reflexion des eigenen Kommunionkonzepts geben, wobei jede Gemeinde bzw. Seelsorgeeinheit sich für ihre jeweiligen Bedingungen eine eigene Konzeption entwickeln muss. Ein Allheilmodell gibt es nicht, auch keine Einheitskatechese. Aber es gibt Chancen und sinnvolle Akzente, die den Verantwortlichen helfen können, ihr Kommunionkatechesekonzept zu reflektieren und gegebenenfalls zu verbessern. 

Kinder und Familien sind es wert 

Wertschätzung der Kinder und Familien: Eigentlich ist ein wertschätzender Umgang mit den Menschen, die mit Kirche in Berührung kommen, eine Selbstverständlichkeit. Wie anders kann das Evangelium zum Leuchten kommen als in der konkreten Wertschätzung jedes und jeder Einzelnen? Was sie mitbringen, ist wertvoll, auch wenn es nicht ein vorzeigbares, allen sichtbares, „reichhaltiges“ Glaubensleben ist. Vielleicht bringen sie nur „kleine Münzen“ mit, die aber vor Gott genau so viel wert sind, wie etwas, das nach außen groß und reich erscheint. Die „Logik“ des Reiches Gottes ist anders. Jesu schätzt die kleine Gabe der armen Witwe noch höher als die der Reichen (Mk 12,41-44). Wenn Menschen in der Kommunionvorbereitung spüren, dass sie angenommen sind, auch wenn sie keine „Vorzeigechristen“ sind, haben sie schon etwas Entscheidendes vom Evangelium erfahren. Kinder und Familien sind es wert, dass man Zeit und Kraft für sie investiert. Wenn sie spüren, dass sie, so wie sie sind, wertgeschätzt werden, dass man sie nicht vereinnahmen will, sondern ermutigen und stärken, dann sind sie auch bereit, einen Teil ihrer Zeit für einen Lernprozess zu investieren, von dem sie auch profitieren. Glaubenskommunikation in der Familie stärken: Der Grundsatz aller kommunionkatechetischen Überlegungen lautet: Nicht das Kind geht zur Erstkommunion, sondern die Familie. Die Kommunionkinder sind in ihrem Alter noch stark auf ihre Bezugspersonen fixiert, mit denen sie zusammenleben. Kommunionkatechese, die ausschließlich die Kinder im Blick hat, verliert den grundlegenden sozialen Zusammenhang der Lebenswelt der Kinder aus den Augen. Werden die Eltern bzw. Bezugspersonen einbezogen, teilweise oder intensiver, je nach Ausrichtung des Konzepts, dann gilt es, sie zu ermutigen, ihre eigenen Glaubenszugänge zu reflektieren und mit den Kindern in einen Austausch über Glaubensfragen zu kommen. 

Ein Elternpaar sagte in der oben erwähnten empirischen Studie: „Wir haben angefangen ihr ’n bisschen mehr zu erklären.“ Gemeint ist ihre Tochter auf dem Weg zur Erstkommunion. Angeregt durch Impulse aus der Elternarbeit haben sie - obwohl sie sich bisher nicht besonders religiös definierten - mit ihrem Kind über die Bedeutung von religiösen Festen wie Ostern und Weihnachten gesprochen; aber auch der Tod einer Schulfreundin gab Anlass, über Gott nachzudenken. Das war neu und kannte die Familie bisher nicht. Durch die Vorbereitung auf die Erstkommunion können Kinder und Eltern in der Wahrnehmung ihrer Gottesbeziehung ermutigt werden. So werden sie befähigt, den Austausch über Fragen des Glaubens zu vertiefen. Dabei lernen nicht nur die Kinder. Auch die Eltern können für ihr Glaubensleben neue Impulse gewinnen. 

Ein Netz ohne Fische? 

Beziehungsnetze schaffen: Im Zeitalter der digitalen Netzwerke gilt nicht selten das Motto: „Speisung der Fünftausend ohne Fisch und ohne Brot - allein mit dem Netz.“ Doch das „Netz“ im Sinne von WorldWideWeb als solches befriedigt unser Grundbedürfnis nach menschlicher Nähe, Zuneigung und Anerkennung auf lange Sicht nicht. Kommunionkatechese gelingt dann, wenn sie eine neue, personorientierte Netzwerkstruktur aufbaut, die Menschen in den Gemeinden „verlinkt“. Wichtig in unserer Zeit ist, dass bei Einladungen zum Mitmachen und Dabeisein nicht ein bestimmtes Familienmodell den Ton angibt, sondern die Angebote für verschiedene Familienformen offen sind, seien es die leiblichen oder sozialen Eltern, Alleinerziehende oder Nichtverheiratete. Auch wenn Kirche die Familie mit leiblichen Eltern und Kindern als besonders schützenswerte Einheit favorisiert, sind ihre Beziehungsnetze für Menschen offen, die in anderen Kontexten leben. 

In den größeren pastoralen Räumen, die wir heute vorfinden, kann ein katechetischer Lenkungskreis etabliert werden, der befähigte Männer und Frauen aus den einzelnen Gemeinden als „Brückenbauer“ findet, sie schult - z.B. durch Unterstützung der Katholischen Bildungswerke und Dekanate - und ihnen verantwortliche Aufgaben für die Organisation und Durchführung der Erstkommunionvorbereitung vor Ort überträgt. Solche Ehrenamtliche sind dabei keine „Notlösung“ aufgrund von Personalmangel, sondern entsprechen dem Prinzip der Gemeindekatechese, die nicht eine Katechese für die Gemeinde, sondern der Gemeinde und mit der Gemeinde darstellt. Ein solches Konzept ist auch ein Baustein im größeren Kontext von Gemeindeentwicklung. 

Zeit geben, Zeit lassen: Katechese - egal in welcher Form und mit welcher Altersgruppe - braucht Zeit. Das Katechumenat der Alten Kirche dauerte nicht selten drei Jahre. Katechese, so auch die Kommunionkatechese, muss den Menschen Zeit lassen, sich auf das Evangelium einzulassen, neue Gesichtspunkte und Glaubensformen kennen zu lernen, sie für sich auszuprobieren, um die Chance zu haben, sie sich anzueignen. Wir nehmen den Kindern und Eltern nicht Zeit, wir geben sie ihnen: Zeit zur Stille, Zeit zur ruhigen Betrachtung, Zeit zum Nachdenken, Zeit zum Gespräch, Zeit zum Einüben, Zeit miteinander, Zeit mit Gott. 

Ich kenne Gemeinden, die zusätzlich zum wöchentlichen Treffen der Kommunionkinder und monatlichen Treffen der Eltern zu einzelnen Wochenenden einladen, bei dem die Kommunionkinder von mindestens einer Bezugsperson begleitet werden. An diesen Wochenenden gibt es Stilleübungen, Mediationsübungen, Kindertreffen, Kinder-Eltern-(Bezugspersonen)- Treffen, Gespräche, Bibelkreise, Informationsrunden, Katecheseeinheiten, Gebete, Gottesdienste. Die Gemeinden geben als Rückmeldung: Ein solches Wochenende ist anstrengend, aufwändig, aber unwahrscheinlich bereichernd - für alle Beteiligten. 

Zeiträume schaffen 

Räume eröffnen: Kommunionkatechese sollte kein verlängerter Schulunterricht sein, weshalb es problematisch ist, ihn beispielsweise in das Nachmittagsangebot einer „Offenen Ganztagsschule“ zu integrieren. Katechese muss neue Räume aufschließen. Viele Kinder - ebenso wie ihre Familien - haben keine Erfahrungen im Raum der Gemeinde. Der Kommunionweg sollte sie hinführen zu Gemeinderäumen und zum Kirchenraum. Gemeinderäume können als Begegnungsräume zwischen Menschen erfahren werden. Der Kirchenraum kann als Begegnungsraum zwischen Gott und Mensch mit kirchenraumpädagogischen Konzepten, die die Spiritualität der Menschen und die Tiefendimension des Raumes umgreifen, erschlossen werden. Der Gottesdienstraum kann durch Wegegottesdienste für Kinder und Angehörige einladend eröffnet werden. 

Zeit-Raum für und mit Gott: Katechese schafft und ermöglicht einen Zeit-Raum, ja Katechese ist ein Zeit-Raum, in dem für die Gottesbeziehung und Christusbeziehung Zeit gegeben und Raum eröffnet wird. In diesem Zeitraum können Schritt für Schritt die Beziehungen der Beteiligten zu sich selbst, zu anderen Menschen, zur Welt, in der wir leben und zu Gott bzw. Jesus Christus besprochen, erfahren und vertieft werden. Denn schließlich ist die Eucharistie, zu der die Kommunionkatechese hinführt, ein Beziehungsereignis ersten Ranges, in dem alle Beziehungskreise des Glaubens in verdichteter Form zusammenkommen. Wird Kommunionkatechese beziehungsorientiert und in wertschätzender Weise organisiert bzw. realisiert, können Kinder und ihre Beziehungspartner die befreiende Beziehung Gottes zu uns Menschen anfanghaft erleben und - so ist die Hoffnung - in ihrem Leben immer weiter vertiefen. 

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