Anregungen zu einer angemessenen ElternarbeitIm Mittelpunkt steht das Kind

Im Zentrum der Vorbereitung auf die Erstkommunion stehen die Kinder: Dieser Satz klingt zunächst als Selbstverständlichkeit. Doch mit Blick auf die katechetische Landschaft der vergangenen Jahre zeigt sich, dass diese Aussage durchaus nicht von allen ungeteilt übernommen wird.

Es sind verschiedene - teilweise sehr wertvolle - Ansätze entwickelt worden, bei denen das Primärziel zum Sekundärziel geworden ist und andere Ziele an erste Stelle gerückt wurden. So konzentrierte sich das Interesse solcher katechetischer Ansätze beispielsweise zunächst auf die Familie. Solche Ansätze, um die sich in den vergangenen Jahren vor allem der Tübinger Religionspädagoge Albert Biesinger verdient gemacht hat, haben durchaus ihren Wert und können als Bereicherung der katechetischen Arbeit betrachtet werden, da sie auf einen „blinden Fleck" zahlreicher katechetischer Konzepte hingewiesen haben. Denn tatsächlich kann eine Katechese, bei der Kinder im Zentrum stehen, nur dann gelingen, wenn das Kind im Rahmen seiner entwicklungspsychologischen Entwicklungsstufe und seiner sozialen Bezüge betrachtet wird. 

Diese Bedeutung einer aktiven Elternarbeit beziehungsweise der familienkatechetischen Konzepte liegt auf der Hand angesichts einer pastoralen Situation, in der die Eltern ihre Kinder in eine religiöse Praxis einführen lassen, die sie selbst für sich nicht für wichtig halten, eventuell sogar ablehnen beziehungsweise zumindest jeglichen Bezug zu dieser Praxis verloren haben. Dies zeigt sich zum einen daran, dass die Kinder, die zur Erstkommunionkatechese angemeldet werden, weder über religiöses Wissen noch über religiöse Erfahrungen verfügen. Zum anderen werden sie in vielen Fällen auch von den Eltern bei ihrer Annäherung an die christliche Praxis alleingelassen, wenn sie etwa von den Eltern zum Gottesdienstbesuch geschickt werden, ohne dass die Eltern selbst die Kinder begleiten. 

Dennoch besteht bei manchen dieser Ansätze die Gefahr, dass das Kind als die Hauptperson im Rahmen der Erstkommunionkatechese ein wenig aus dem Blick gerät. Aus diesem Grund konzentriert sich der gerade erschienene Erstkommunionkurs „Gott lädt uns alle ein" unmissverständlich auf das Kind als die zentrale Hauptperson und bietet die sicherlich sinnvollen familienkatechetischen Elemente als Zusatzmodule an. Eine eigene Arbeitshilfe dazu ist in Vorbereitung. 

Inhalte der Sakramentenkatechese 

Wesentlich zur Erneuerung und Verlebendigung der Erstkommunionkatechese haben das Zweite Vatikanische Konzil und die Würzburger Synode beigetragen, die mit ihren Impulsen dazu angeregt haben, dass die Kinder in kleinen Gruppen von Müttern (und auch Vätern) und in einem lebendigen Kontakt mit ihren Familien auf das Sakrament der Eucharistie vorbereitet werden. In diesen Gruppen sollen drei wesentliche Ziele verfolgt werden: 

Zum einen: Die Kinder werden angeregt, im Rahmen der Erstkommunionvorbereitung die eigene Meditationsfähigkeit zu entdecken und zu kultivieren. Darauf aufbauend werden Anregungen gegeben, wie die Kinder spirituelle Erfahrungen sammeln und eine eigene Gebetspraxis einüben können. Dies geschieht in besonderer Weise in den Wegstrecken „Leben spüren". 

Zum anderen: Den Kindern wird grundlegendes christlich-religiöses Wissen vermittelt. Dies ist heute notwendiger denn je, da nicht mehr davon ausgegangen werden kann, dass dieses Wissen den Kindern im Rahmen ihrer Primärsozialisation aufgeschlossen wird. Dies geschieht in besonderer Weise in den Wegstrecken „Bibel teilen". 

Schließlich: Auch wenn dieser Aspekt heute oft in den Hintergrund tritt, handelt es sich bei der Feier der Erstkommunion um einen Ritus, der ursprünglich im Rahmen der Initiation angesiedelt ist. Nicht zuletzt aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Kinder im Rahmen der Katechese die Erfahrung einer christlichen Gemeinschaft (zunächst in ihrer eigenen Vorbereitungsgruppe, dann aber auch in ihrer Pfarrgemeinde und mit Blick auf die Gesamtkirche) machen. Diese Erfahrung wird in zahlreichen Wegstrecken des Erstkommunionkurses „Gott lädt uns alle ein" vermittelt. In liturgisch verdichteter Form geschieht dies in besonderer Weise in den Wegstrecken mit dem Fokus „Glauben feiern". 

Kinder müssen sich die Welt und das ganze Leben neu erschließen und sind es nicht gewohnt, Sinnfragen mit fertigen Antworten „abzublocken". Vielmehr besteht ihr Leben noch darin, mit weit geöffneten Augen durch's Leben zu schreiten und dabei permanent Antworten auf ganz profane oder auch existenzielle Fragen ihrer eigenen Existenz zu stellen. Und dabei nach plausiblen Antworten zu suchen. Diesem Anspruch der Kinder will der Erstkommunionkurs „Gott lädt uns alle ein" gerecht werden, wenn er das Kind in den Mittelpunkt stellt. Aber er sieht auch die Familien, in denen die Kinder heute leben. 

Familien fördern - nicht überfordern 

Für viele Familien, die ihre Kinder zur Vorbereitung auf die Erstkommunion anmelden, stellt es heute eine große Herausforderung dar, das alltägliche Leben zu organisieren und zu bewältigen. Die Flut der Ansprüche, denen sich eine Familie ausgesetzt fühlt, ist in den letzten Jahrzehnten ständig gestiegen. Dies führt dazu, dass sich vor allem die Eltern angesichts des Erwartungsdrucks überfordert fühlen: 

Es gibt die Forderungen, die am Arbeitsplatz formuliert werden. Die erwerbstätigen Eltern müssen diesen Erwartungen gerecht werden, um die Existenz ihrer Familie zu sichern. Daneben gibt es die Ansprüche, mit denen die Schule an die Eltern herantritt. Die Eltern müssen sich um die schulische Entwicklung ihrer Kinder kümmern und sollen in vielen Fällen aktiv am Schulleben teilnehmen. Darüber hinaus haben viele Eltern selbst den Anspruch, den Kindern ein attraktives Freizeit- und Familienprogramm zu gestalten. Es werden Ausflüge organisiert, Urlaube geplant, kleinere Events (Kinobesuch, Schwimmbad, Fußball …) eingeplant. Wenn die Kinder in Vereinen Mitglied sind, haben auch die Vereine die Erwartung, dass sich die Eltern aktiv in das Vereinsleben einbringen. 

Darüber hinaus haben Eltern meist das berechtigte Bedürfnis, dass sie auch ihre Partnerschaft aktiv gestalten und weiterentwickeln möchten. Sie möchten Zeit füreinander haben und sich nicht nur in der Rolle als „Mutter" beziehungsweise „Vater", sondern auch als Partner füreinander erleben. Diese Ansprüche an die eigene Partnerschaft sind keine Luxuserwartungen, sondern letztlich die Voraussetzungen dafür, dass die Partnerschaft auch künftig gelingen kann und die Familie auf einem stabilen Fundament steht. 

Und schließlich gibt es noch das Bedürfnis der Eltern, dass sie für sich selbst Zeit haben. Dass es ihnen gelingt, gelegentlich zu einem Buch zu greifen, persönliche Kontakte zu pflegen, Sport zu treiben, Zeit für einen Spaziergang zu finden oder auch einfach einmal die Oase im Alltag zu entdecken, in denen sie durchatmen und nur für sich selbst da sein können. 

Angesichts dieser zahlreichen Ansprüche, mit denen sich Eltern heute konfrontiert sehen, liegt es auf der Hand, dass sich ein Großteil der Mütter und Väter in der turbulenten Familienphase überfordert fühlen. Und nun kommt auch noch die Kirchengemeinde mit dem Anspruch, dass die Eltern sich aktiv an der Erstkommunionvorbereitung ihrer Kinder beteiligen. Zunächst einmal fällt auf, dass viele Väter angesichts dieses zusätzlichen Anspruchs „die weiße Fahne hissen" und nur schwer für eine Mitarbeit an der Erstkommunionkatechese zu gewinnen sind. Meist gelingt es bestenfalls, die Frauen aktiv in die Erstkommunionvorbereitung einzubinden. Angesichts der tatsächlichen Überforderung der Eltern ist es wichtig, dies nicht nur kritisch zu betrachten, sondern vor allem einen wertschätzenden und entlastenden Blickwinkel einzunehmen. 

Wertschätzende Perspektive 

Zunächst einmal zum wertschätzenden Blickwinkel: Es ist erfreulich, dass sich heute immer noch so viele Eltern, obwohl sie selbst den engen Kontakt zur Kirche und zu ihrer Gemeinde verloren haben, dafür entscheiden, ihre Kinder zur Erstkommunionkatechese anzumelden. Denn natürlich gibt es viele Argumente, die aus der Sicht der Eltern dagegensprechen würden, diesen Weg für ihr Kind zu wählen. Die Eltern sind selbst nicht mehr in einem christlichen Selbstverständnis aufgewachsen, fühlen sich selbst von der Kirche in ihrer eigenen Lebensweise nicht mehr verstanden und akzeptiert, finden auf ihre religiösen Fragen keine befriedigenden Antworten, haben zu einzelnen von der Kirche vertretenen Positionen andere Ansichten oder sind gar selbst in ihrer eigenen Biographie von Vertretern der Kirche verletzt worden. Dies trifft nicht zuletzt für Eltern zu, die bereits eine gescheiterte Beziehung hinter sich haben und nun in einer neuen Beziehung beziehungsweise Familie von der Kirche nicht die Akzeptanz erfahren, die sie sich wünschen und oftmals aufgrund ihrer eigenen Biographie auch verdient haben. Die Tatsache, dass die Eltern ihre Kinder dennoch zur Vorbereitung auf die Erstkommunion anmelden, ist angesichts dieser Lebenssituation zu- nächst einmal positiv zu würdigen und kann als Ausdruck einer Sehnsucht verstanden werden, dass die Eltern den Kindern mehr als das auf den Weg geben möchten, was eine vordergründige, materialistisch ausgerichtete Welt ihnen bieten kann. Letztendlich drückt sich darin eine Sehnsucht aus, den Kindern das „mehr im Leben", das sich in einem religiösen Leben und einer lebendigen Beziehung zu Gott ausdrückt, vermitteln möchten. Es ist wichtig, den Eltern nicht reserviert entgegenzutreten, sondern ihnen diese wertschätzende Haltung immer wieder neu zu vermitteln. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Eltern sich überhaupt für eine eigene Glaubensreflexion und eine aktive Beteiligung an der Erstkommunionvorbereitung öffnen können. 

Wichtig ist darüber hinaus, den Eltern entlastende Angebote zu machen. Dies kann dadurch geschehen, dass die Elternangebote im Rahmen der Erstkommunionvorbereitung nicht als zusätzliche Ansprüche von den Eltern empfunden werden, sondern dass diese so gestaltet sind, dass die Eltern in der Wahrnehmung dieser Angebote den bereits vorhandenen Ansprüchen gerecht werden können. 

Ansätze einer Familienkatechese 

Konkret bedeutet dies beispielsweise, 

  • dass ein Familientag im Rahmen der Erstkommunionvorbereitung geplant wird, der den Vätern die Möglichkeit gibt, einen attraktiven Tag mit ihren Kindern zu erleben;
  • dass ein Wochenende geplant wird, bei dem die Mütter es als wohltuend erleben, dass sie nicht kochen müssen, sondern selbst einmal bekocht werden;
  • dass ein Familienwochenende geplant wird, bei dem es auch eine „Zeit der Zweisamkeit" für die Eltern gibt und sie in dieser Zeit die Möglichkeit finden, sich - vielleicht zum ersten Mal seit langer Zeit - über ihre eigenen Glaubensfragen auszutauschen;
  • dass im Anschluss an einen Familiengottesdienst im Rahmen der Erstkommunionvorbereitung ein gemeinsames Mittagessen der Familien stattfindet, in dessen Rahmen (ohne einen zusätzlichen Abendtermin nach einem langen Arbeitstag) das Konzept der Erstkommunionvorbereitung erläutert wird.

Wenn es gelingt, einen wertschätzenden und einen entlastenden Faden in die Elternarbeit der Erstkommunionvorbereitung einzuweben, werden die Eltern die Zeit der Erstkommunionvorbereitung ihrer Kinder nicht als zusätzliche Überforderung erleben, sondern als ein familiengerechtes religiöses Angebot, das sie tatsächlich als Bereicherung ihres oft so turbulenten Lebens empfinden. 

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