Ökumenische Ehepastoral zwischen Zuspruch und VorbehaltKonfessionsverschieden oder konfessionsverbindend?

Die Seelsorge an/mit konfessionsverbindenden Ehepaaren ist durch grundsätzliche Spannungen gekennzeichnet: Offiziell wird als noch nicht möglich deklariert, was inoffiziell geduldet wird; ob Letzteres geschieht, hängt von dem jeweiligen priesterlichen Seelsorger vor Ort ab.

Die meisten Ehepaare haben mit ihren Familien - mit oder ohne ihre Seelsorger - einen Weg gefunden, so dass die Schere zwischen offizieller Regelung und gelebtem ökumenischen Alltag immer größer zu werden droht. 

„Es tut uns leid …“ 

„… dass wir die ungelösten ökumenischen Probleme auf dem Rücken der konfessionsverschiedenen Ehen und Familien austragen“. Dem Bischof, der dieses Bekenntnis ablegte, möchte ich entgegnen: „Nein, lieber Bischof, das muss dir nicht leidtun. Du ersparst den Betroffenen und dir Leid, wenn du offiziell genehmigst, was sich im ökumenischen Miteinanderleben an Gemeinsamem zeigt und was theologisch mit guten Gründen vertreten werden kann: die wechselseitige eucharistische Gastfreundschaft.“ Hier und da treffe ich noch evangelische Christen an, die aus Rücksicht auf den katholischen Priester ihre eigene Überzeugung zurückstellen und nicht zur Kommunion gehen. In den meisten Fällen allerdings haben die Menschen vor Ort, die bewusst eine christliche Ehe führen wollen, ihren Weg gefunden. In der Regel selbstverständlich akzeptiert in den Gemeinden und pastoral gestützt durch die Seelsorger/ innen. 

Argumentieren statt denunzieren! 

Das erfahre ich allerdings auch: Da kommt ein junger Vikar, der mit der Begründung „ich bin römischkatholisch“ unterbindet und verbietet, was sein Pfarrer ermöglicht hat. Und der Bischof kann sich nicht hinter den Pfarrer stellen, weil er dann in Rom denunziert wird. Demgegenüber ist ohne Abstriche festzuhalten: Es lassen sich hinreichende theologische Gründe dafür anführen, dass eucharistische Gastfreundschaft für konfessionsverbindende Ehen eine Selbstverständlichkeit sein kann. Wer sie kennt, braucht kein schlechtes Gewissen zu haben und kann seine eigene Verantwortung theologisch fundieren. Dass dies nicht schon von vornherein verdächtigt ist, zeigt die Tatsache, dass eine ganze Reihe von Bischöfen und Bischofskonferenzen, ja die offiziellen vatikanischen Regelungen Ausnahmen von dem Verbot der Kommuniongemeinschaft kennen. Wenn diese nicht reine Willkür sind, müssen sich theologische Gründe dafür anführen lassen. Dann darf, ja muss auch weitergefragt werden, was das, was in Ausnahmefällen gilt, für den ökumenischen „Dauerzustand“ der konfessionsverbindenden Ehe bedeutet. 

Ehegemeinschaft und Kirchengemeinschaft 

Die vatikanische Rechtsposition ist seit dem Konzil durch zwei Prinzipien bestimmt: (1) Solange es keine Kirchengemeinschaft gibt, ist auch eine Eucharistiegemeinschaft nicht möglich. (2) „Um des Heils der Seele willen“ kann es im Einzelfall und für einzelne Personen Ausnahmen geben. Es wird zwar der Gedanke der Eucharistie als Communio, als Sakrament der Gemeinschaft und der Einheit wieder reduziert auf den Empfang der Gnade. Dabei müssen wir nicht stehen bleiben, denn es ist durchaus möglich, von einer Sakramententheologie, die stärker die Sakramente als Feiern der Kirche versteht, den Gedanken weiterzuverfolgen, ob es nicht in Ausnahmefällen eben doch Eucharistiegemeinschaft, Abendmahlsgemeinschaft geben kann. In den Gemeinden wird gefragt, ob wir denn im Eucharistieverständnis noch kirchentrennende Unterschiede haben. Wenn die Gläubigen dann erfahren, dass es eine gemeinsame Basis gäbe, wenn die Ergebnisse ökumenischer Dialoge, und zwar in klassischen Kontroversfragen wie Realpräsenz und Opfercharakter, rezipiert würden und dass in der Regel auch ein durch Ordination übertragenes Amt den Vorsitz bei der Eucharistie/beim Abendmahl führt, dann erstaunt das, weil der Zusammenhang von Kirchengemeinschaften und Abendmahlsgemeinschaft nicht präsent ist. Aber es ist auch möglich, den Leuten zu vermitteln, dass die Kirchen hierin unterschiedliche Positionen haben, selbst wenn sich die Gläubigen dies nicht zu eigen machen können oder wollen. 

Sakramente als Wegbegleitung 

Theologisch kann weitergefragt werden, ob nicht auch katholischerseits die Sakramente Sakramente auf dem Weg sind. Sogar die Taufe, die nur einmal gefeiert wird (traditionell gesprochen: gespendet und empfangen wird), ist eine, die ein Leben lang immer wieder realisiert werden muss; das Sakrament setzt in ein Leben hinein. Und die Eucharistie ist par excellence Wegzehrung, Sakrament auf dem Weg. Also darf gefragt werden, ob wir uns nicht den Gedanken stärker zu eigen machen müssen, zumindest für die sog. Ausnahmefälle, also im Blick auf die Situationen, in denen wir sagen, dass dort aus Gewissensgründen schon jetzt eine Abendmahlsgemeinschaft sein darf, ja, vielleicht auch, dass wir sagen müssen, da müsste sie eigentlich sein. Da ist die Verweigerung unter Umständen ein stärkeres Unrecht, als wenn sich jemand etwas herausnimmt. Das heißt: Die theologische Begründung für das erste Prinzip ist nicht so zwingend, dass man sagen müsste, es sei überhaupt keine Eucharistiegemeinschaft möglich. Das sagen ja auch die offiziellen Dokumente nicht. Und die entscheidende Anfrage lautet, ob diese eher individuelle, private Begründung der Ausnahmen ausreicht oder ob der pastorale Blick theologisch zu weiten ist. 

In der Verantwortung der Ortskirchen und ihrer Bischöfe 

Nicht in allen Teilen der Weltkirche stellt sich das ökumenische Problem in der gleichen Dringlichkeit, falls es sich überhaupt stellt. Von daher ist es ganz bedeutsam, dass das schon im Codex selber festgehalten ist, dass die Diözesanbischöfe und die Bischofskonferenzen hier eine Verantwortung haben. Was das Heil der Seelen betrifft, also den Punkt, an dem die Ausnahmeregelungen ansetzen, so lautete die ursprüngliche Formulierung „in gravierenden Notfällen“. Traditionell wird darunter verstanden: in Todesgefahr oder einer anderen schweren Notlage wie Gefängnis, Kriegsgefahr. Das sind eigentlich mehr die Fälle äußeren Drucks, äußerer Gewalt (die selbstverständlich „innere“ Auswirkungen haben). Das ist aber bis hin zur Enzyklika Ecclesia de Eucharistia geweitet worden in die Richtung, dass es um eine schwere geistliche Not gehen soll. Also nicht nur äußere Unmöglichkeit, obwohl das immer mit erwähnt wird („wenn ein evangelischer Christ seinen Amtsträger nicht erreichen kann, dann …“). Aber es ist doch die Frage, und manche Bischöfe haben das ja für sich in Anspruch genommen zu sagen: Wir müssen auf das, was geistliche Not heißt, gerade auch im Blick auf konfessionsverbindende Ehen und Familien noch einmal ganz neu hinblicken. 

Ein Paradefall „geistlicher Not“ 

Der Straßburger Bischof Elchinger, der als Koadjutor am Zweiten Vatikanischen Konzil teilnahm, hatte 1972 für seine Diözese im Elsass erklärt, dass die konfessionsverschiedene Ehe in seinem Bistum der geistliche Notfall schlechthin ist. Das heißt: Wenn Menschen in ihrem Kirchlich-Christsein-Wollen Not erfahren, dann ist es die Not, die sich in konfessionsverbindenden Familien zeigt, getrennt zum Tisch des Herrn gehen zu müssen. Im Interesse einer zumindest ortskirchlichen Regelung können die „Pastoralen Weisungen“ von Bischof Elchinger ein Modell sein, weil sie das Juristische, das Pastorale und das Theologische miteinander verbinden: Das Juristische: 
Menschen, die unter dieser schweren geistlichen Not leiden, sollen beim Ordinariat um Dispens nachfragen. Pastoral verantwortet sind Elchingers „Weisungen“, indem er danach fragt, was „geistliche Not“ bei seinen Diözesanen bedeutet. Er fühlt sich verantwortlich für die Menschen, damit diese ihr Christsein leben können. Theologische Begründung: Sakramente sind Sakramente auf dem Weg des Christseins. Christen in konfessionsverbindenden Ehen und Familien sind als Christen miteinander auf dem Weg. Weiter argumentiert der Bischof: Weil es ein Sakrament der Liebe ist, deswegen können wir die Wechselseitigkeit nicht verbieten, ja die Einseitigkeit (nur die evangelischen Christen dürfen zu uns kommen, umgekehrt ist das nicht möglich) wäre ein Verstoß gegen das Gebot der Liebe, die in den Sakramenten der Ehe wie der Eucharistie in besonderer Weise präsent ist. Aber der Bischof behauptet nicht undifferenziert, ab sofort seien evangelisches Abendmahl und katholische Eucharistiefeier einfach dasselbe. Also heißt es: „Der Katholik wird am evangelischen Abendmahl in dem Wissen teilnehmen, dass diese Feier auf eine geheimnisvolle und wirkliche, wenngleich schwer zu bestimmende Weise ihm Anteil geben wird an der einen eucharistischen Wirklichkeit, von der er gemäß seinem Glauben mit Sicherheit weiß, dass es ihn in ihrer ganzen sakramentalen Fülle im Schoße seiner eigenen Kirche erlangt.“ Und weiter: „Wenn ein Katholik am protestantischen Abendmahl teilnimmt, empfängt er Christus so, wie dieser sich vergegenwärtigt in dieser Gemeinschaft.“ Da kann ich unterstellen, dass Christus da keine Abstriche macht und bei den Lutheranern nur halb präsent ist, was theologisch ohnehin schwer zu denken ist. Aber immerhin bleibt hier ein gewisser Spielraum für Differenzierungen. Trotz bestehender theologischer Reserven gilt: „Selbst wenn die sakramentale Feier unvollkommen ist und objektiv einen Mangel aufweist“ (das ist der defectus ordinis, das Fehlen bzw. der Mangel im Amtsverständnis, von dem das Zweite Vatikanum spricht), „sind den Gläubigen doch nicht alle Früchte der Eucharistie entzogen.“ Theologisch bedeutet dies, dass es letztlich nicht an dem ordentlichen Spender (traditionell gesprochen: an dem Priester) hängt, dass sich überhaupt ein Gnadengeschehen vollzieht. Das ist zwar der Normalfall, dass Gott durch seinen Diener handelt, aber Gott lässt sich ja - so könnten wir formulieren - nicht aussperren. „Diese Gewissheit macht es Katholiken möglich, davon auszugehen, dass ich in der Tat die Fragen der gegenseitigen Teilnahme am Abendmahl stellen könnte.“ Wir sehen also, wie Bischof Elchinger ganz vorsichtig diesen Weg für seine Diözese bahnt. 

„Vom Heil der Seele“ zu „Hauskirche“ (P. Neuner) 

Das, was Peter Neuner seit langem beharrlich vorbringt, ist m.E. der richtige Weg, von dem rein individuellen, ja fast individualistischen Konzept „Heil der einzelnen Seele“ zu dem zu kommen, was sich mit „Hauskirche“ verbindet. Dafür können wir uns ja auf das Konzil stützen mit seinen Leitworten vom Gemeinsamen Priestertum, der Teilhabe aller Gläubigen am Hirtenamt, am Prophetenamt, am Priesteramt Jesu Christi, dem Volk Gottes, das gemeinsam auf dem Weg ist. Kirche verwirklicht sich vor Ort, d. h. theologisch am Ort, und dies beginnt im Alltag der Einzelnen und Gruppen, wie selbstverständlich in Ehe und Familie. Frau und Mann sind sich wechselseitig Zeugin und Zeuge des Evangeliums, sie bezeugen es gemeinsam weiter. Als Eltern sind sie die ersten Lehrerinnen und Lehrer im Glauben für ihre Kinder, als „Tischmütter“ und Firmbegleiter/innen auch für andere Kinder und Jugendliche und auch dadurch schon für die Gemeinde. Christsein ist immer auch ekklesiale Realität. Was die Kirchenkonstitution und das Ökumenismusdekret über das Leben der Kirche(n) sagen, gibt an und vor, was „Kirche im eigentlich Sinn“ ausmacht. Wesentliche Grundvollzüge geschehen in Familien, Gemeinschaften und Gemeinden. Deshalb ist die Frage berechtigt, ob nicht da, wo so viel an gelebter Kirchengemeinschaft zu finden ist, eine Verweigerung der Eucharistie, wenn die Leute ernsthaft in einer geistigen Notlage sind und das in ihrem Gewissen geprüft haben, noch verantwortet werden kann. Es gibt also gute Gründe dafür, einer Ausnahme vom generellen Rechtssatz zu folgen, der ja schon im Recht steht. Bischöfe handeln nicht gegen das Recht, sondern im Sinne des Gesetzes, wenn sie für ihre Diözese eine solche Regelung der wechselseitigen eucharistischen Gastfreundschaft für konfessionsverbindende Ehen und Familien in Kraft setzen. 

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