Verwundet reifenSalutogenese und Resilienz als hoffnungsvolle Zukunftsperspektive

Welche Ressourcen und Kraftquellen braucht der Mensch, um gesund zu bleiben? Die Ärztin Monika Fröschl, Gesundheitswissenschaftlerin und Professorin an der Katholischen Stiftungsfachhochschule sowie an der Technischen Universität München, stellt die Begriffe Salutogenese und Resilienz vor.

In den letzten Jahrhunderten entscheidend von René Descartes (1596-1650) beeinflusst, hat sich ein mechanistisches Welt- und Menschenbild in den Humanwissenschaften entwickelt: der Mensch als Maschine, die bei Funktionsstörungen repariert werden muss, Teile ersetzend und Symptome bekämpfend. Eine Kriegführung gegen Krankheiten. In der Medizin, in der Psychologie und in den Sozialwissenschaften. Dies hat zu einem pathogenetisch-orientierten Gesundheitssystem geführt, das eigentlich ein Krankheitssystem ist. In der Neuzeit zeichnet sich erst seit den 1980er-Jahren ein Paradigmenwechsel ab. Aaron Antonovsky (1923-1994) führt mit seiner Frage „Was hält Menschen gesund?“ eine neue Sichtweise in die wissenschaftliche Welt ein. Fast parallel fragt Emmy Werner (* 1929) nach der Widerstandsfähigkeit von Kindern, die unter schwierigen Umständen aufwachsen, und entwickelt das Konzept der Resilienz.

Die Entdeckung der Selbstheilungskräfte

Der scheinbar einfache Wechsel des Blickwinkels von der Krankheit auf das Gesund- Sein, von den Risiken und Anforderungen zu den Ressourcen und Kraftquellen, von den Schäden zum Reifen und Wachsen ist doch revolutionär. Die Idee, die gesunden Anteile von Kindern, Männern und Frauen zu stärken und nicht die kranken zu bekämpfen, zeugt von einer veränderten Sichtweise: vom Kriegführen zur Stützung des Friedens. Vom behandlungsbedürftigen Objekt zum fähigen Subjekt. Von Expertendominanz zur Entdeckung der Selbstheilungskräfte.
Antonovskys „Kehrtwendung“, wie er es selbst nennt, beginnt 1970, als er in einer empirischen Studie israelische Frauen und ihre Anpassung an das Klimakterium untersucht. Dabei fällt sein Augenmerk auf Frauen, die im Konzentrationslager waren. 29 Prozent dieser Frauen verfügen über eine gute psychische Gesundheit. Wie kann eine Frau die unglaublichen Torturen im Konzentrationslager überleben und trotzdem gesund bleiben? Dieser entscheidenden Frage ist sein Grundlagenwerk „Health, Stress and Coping“ (1973) gewidmet. Der Begriff der Salutogenese wird geprägt. Salutogenese stellt die Frage nach der Entstehung von Gesundheit und Heil.
Zentral in seinem Konzept ist der Umgang mit den allgegenwärtigen Stressoren. Stressoren sind definiert als eine „von innen oder außen kommende Anforderung an den Organismus, die sein Gleichgewicht stört und die zur Wiederherstellung des Gleichgewichtes eine nicht-automatische und nicht unmittelbar verfügbare energieverbrauchende Handlung erfordert“ (Antonovsky 1979, 72). Von Bedeutung sind dabei insbesondere chronische Stressoren, wichtige Lebensereignisse und akute tägliche Widrigkeiten (Antonovsky 1997, 44). Auf diese Stressoren antwortet der Organismus mit Spannung. Diese Spannung kann sowohl negativ, neutral oder gar positiv sein (Antonovsky 1979, 94). Dabei sind zwei Aspekte zentral: Stressoren müssen nicht zwangsläufig zu gesundheitlich negativen Folgen führen, sondern können auch gesund sein. So kann das Immunsystem auf die Auseinandersetzung mit Keimen positiv im Sinne einer Immunstärkung oder eines Immungedächtnisses reagieren (als positive Spannung), aber bei aggressiven Viren wie HIV (AIDS-Virus) auch überfordert sein (als negative Spannung). Außerdem versteht Antonovsky die Auseinandersetzung mit Stressoren als alltägliches Phänomen, nicht als Ausnahme.
Der Spannung können generalisierte Widerstandsressourcen („Generalized Resistance Ressources“: GRR) entgegengesetzt werden (Antonovsky 1979, 99). Widerstandsressourcen sind potenzielle Ressourcen, die eine Person mobilisieren und dann bei der Suche nach einer Lösung für das instrumentelle Problem anwenden kann (Antonovsky 1997, 19). Er unterscheidet dabei psychosoziale und konstitutionelle GRR. Psychosoziale Widerstandsressourcen sind materielle Ressourcen, Wissen und Intelligenz, Ich-Identität, Coping-Strategien, soziale Unterstützung, Kontrolle, kulturelle Stabilität, magische Faktoren, Religion, Philosophie und Kunst und eine präventive Gesundheitsorientierung. Unter konstitutionellen generalisierten Widerstandsressourcen versteht er die körperliche Ausstattung unter Einbezug genetischer Faktoren (Antonovsky 1997, 200).

Zentraler Begriff: Kohärenzgefühl

Der zentrale Begriff bei Antonovsky ist das Kohärenzgefühl („sense of coherence“: SOC): Es beschreibt, wie ein Phänomen als Widerstandsressource wirkt. Das Kohärenzgefühl soll dazu verhelfen, dass die Welt es wert ist, dass man sich trotz seines Leidens in ihr engagiert:

„eine globale Orientierung, die das Maß ausdrückt, in dem man ein durchdringendes, andauerndes, aber dynamisches Gefühl des Vertrauens hat, dass die eigene interne und externe Umwelt vorhersagbar ist und dass es eine hohe Wahrscheinlichkeit gibt, dass sich die Dinge so entwickeln werden, wie vernünftigerweise erwartet werden kann“ (Antonovsky 1997, 16).

Die drei zentralen Komponenten des Kohärenzgefühls sind: 1. Verstehbarkeit („comprehensibility“) als Ausmaß, in welchem interne und externe Stimuli als kognitiv sinnhaft erlebt werden. Eine Person glaubt, Stimuli sind vorhersehbar oder zumindest einzuordnen und erklärbar; 2. Handhabbarkeit („manageability“) als Ausmaß, in dem man wahrnimmt, dass man geeignete Ressourcen zur Verfügung hat, um den Anforderungen, die von den Stimuli ausgehen, zu begegnen. Auch der Glaube daran, dass Angehörige oder Bekannte oder Gott bei der Bewältigung Unterstützung leisten, ist in dieser kognitiv-emotionalen Komponente enthalten. Derjenige, der über ein hohes Maß an Handhabbarkeit verfügt, wird nicht ewiges Opfer sein; und 3. Sinnhaftigkeit („meaningfulness“, von Alexa Franke mit „Bedeutsamkeit“ übersetzt) als motivationales Element in dem Sinne, dass diese Anforderungen Herausforderungen sind, die Anstrengung und Engagement lohnen (Antonovsky 1997, 36).
Der Begriff Sinnhaftigkeit wurde von mir gewählt, da Antonovsky selbst ausführt, dass er bei der Formulierung dieser Komponente von Viktor Frankls Logotherapie stark beeinflusst war (Antonovsky 1997, 35). Diese Komponente hält er selbst für die wichtigste. Dabei ist es entscheidend, ob es bestimmte Lebensbereiche gibt, die von subjektiver Sinnhaftigkeit sind. Nicht jeder Mann und jede Frau muss beispielsweise die Lokalpolitik als bedeutsam erwählen.
Vier Bereiche hält er doch generell für das Erleben von Sinnhaftigkeit für entscheidend: die eigenen Gefühle, unmittelbare interpersonelle Beziehungen, die wichtigste eigene Tätigkeit und existenzielle Fragen wie Tod, persönliche Fehler oder Konflikte:

„Konsistente Erfahrungen schaffen die Basis für die Verstehbarkeitskomponente, eine gute Belastungsbalance diejenige für die Handhabbarkeitskomponente und, weniger eindeutig, die Partizipation an der Gestaltung des Handlungsergebnisses diejenige für die Bedeutsamkeitskomponente“ (Sinnhaftigkeit).

„Wenn Partizipation an Entscheidungsprozessen zu Bedeutsamkeit führen soll“, muss „sie sich auf Aktivitäten beziehen, die sozial anerkannt sind“ (Antonovsky 1997, 93 f.). Das Negativ-Beispiel ist die typische Hausfrau: Ihr Handeln ist verstehbar und handhabbar, aber sozial wenig anerkannt und wird daher nicht (immer) als sinnhaft erlebt.
Es ergeben sich folgende Unterschiede bei Personen mit hohem versus niedrigem Kohärenzgefühl: Wird eine Anforderung als Stressor eingeschätzt, dann interpretiert die Person mit hohem Kohärenzgefühl den Stressor wahrscheinlicher als irrelevant oder günstig. Bei Personen mit hohem Kohärenzgefühl werden durch einen Stressor (ob positiv oder negativ) Emotionen hervorgerufen, die eine motivationale Handlungsbasis schaffen, bei niedrigem Kohärenzgefühl tritt eine Paralyse ein.
Auch die Wahrnehmung des Problems hängt vom Kohärenzgefühl ab: ob als großer Berg von schwierigen Aufgaben oder als Herausforderung. Daraus folgt dann ein anderer instrumenteller Umgang:

„Das Ausmaß, in dem man mit der generalisierten Erwartung an die Welt herangeht, dass Stressoren bedeutsam und verstehbar sind, legt die motivationale und kognitive Basis für das Handeln und dafür, dass die Umwandlung von Anspannung in Stress verhindert wird.“

„Eine Person mit einem hohen Kohärenzgefühl wählt aus dem Repertoire generalisierter und spezifischer Widerstandsressourcen, das ihr zur Verfügung steht, die Kombination aus, die am angemessensten zu sein scheint“ (Antonovsky 1997, 127-130). Eine Person mit starkem Kohärenzgefühl kann mit ihrem Rentenantritt ihre eigene Rolle in der Welt bezahlter Arbeit ausklingen lassen, während sie sich in neuen Lebensbereichen wie kommunaler oder künstlerischer Tätigkeit engagiert (Antonovsky 1997, 38 ff.).
Personen mit einem hohen Kohärenzgefühl befinden sich auf dem Gesundheits- Krankheits-Kontinuum nahe an der Gesundheit, wobei Antonovsky die Begriffe Gesundheit und Krankheit nie explizit definiert. Gesundheit befindet sich auf einem multidimensionalen Kontinuum mit den beiden extremen Polen einer vollständigen Gesundheit („health-ease“) und extremer Krankheit („dis-ease“) (Antonovsky 1979, 69).

Salutogene Orientierung

Antonovskys Ansatz ist deshalb herausragend, weil er anspruchsvoll und deutlich genug ist, um eine echte Diskussion hervorzurufen. Das Konzept beinhaltet Wissen aus verschiedenen Disziplinen und bietet sich daher für eine interdisziplinäre Zusammenarbeit an. Aus meiner Sicht ist der Begriff der „Widerstands“-Ressourcen eher defizitär, aber aus Antonovskys oft pessimistischem Blickwinkel verständlich: ein Leben voller Widrigkeiten braucht Widerstandsressourcen. Darüber hinaus ist die Salutogenese oft nur ein modernes und griffiges Schlagwort für Bestehendes. Es wird von Ressourcen gesprochen, aber defizitär gedacht und vor allem gehandelt: Salutogenese wird gesagt, nach pathogenetischen Grundsätzen gehandelt.
Die Salutogenese eignet sich als grundlegendes Konzept für gesundheitswissenschaftliche Projekte und Studien. Sie bietet einen soliden Hintergrund für die Formulierung von Zielen. Die Salutogenese impliziert dabei eine Gesund-Seins-Perspektive, wobei das salutogene Paradigma auch die Autonomie der involvierten Personen betont.
Eine schöne Metapher fasst die salutogenetische Orientierung bildlich zusammen: An einem Fluss kurz nach einer Biegung werden ertrinkende Menschen herausgezogen. Medizin, Soziale Arbeit und Pflege widmen sich hingebungsvoll dieser Aufgabe. Sie schauen aber nicht darauf, was vor der Flussbiegung passiert. Ob etwa jemand oder etwas die Frauen und Männer in den Fluss stößt. – Der Fluss ist der Fluss des Lebens. Die Salutogenese stellt die Frage wie Mann oder Frau ein guter Schwimmer bzw. eine gute Schwimmerin wird, um im Fluss des Lebens bestehen zu können (Antonovsky 1997, 91 f.).
Emmy Werner hat ab den 1980er-Jahren ihre Forschung zur Resilienz begonnen, die Antonovskys Ansatz nahe steht. Zusammengefasst könnte es werden unter der Überschrift: Gedeihen trotz widriger Umstände (Welter-Enderlin 2006). Dabei leitet sich der Begriff vom Lateinischen „resilire“ (abprallen), daraus englisch „resilience“ (Spannkraft, Elastizität, Strapazierfähigkeit) ab. Ursprünglich beschreibt er aus der physikalischen Materialkunde die Eigenschaft, nach äußerer Einwirkung wieder in die ursprüngliche Form zurückzukehren. Dieser Begriff wurde in den letzten Jahren fast inflationär in den Sozialwissenschaften bis hin zur Ökonomie übernommen. Hier soll es darum gehen, die Widerstandskraft trotz belastender Lebensereignisse damit zu bezeichnen.
Zu den ersten Studien, die belegten, dass personale Faktoren und soziale Unterstützung, aber auch spirituelle Kräfte zu dieser Widerstandskraft führen, gehört die Kauai-Längsschnittstudie (Werner 1992). 698 Kinder, die alle 1955 auf der hawaianischen Insel Kauai geboren wurden, wurden in ihrer Entwicklung zum erwachsenen Menschen begleitet. Knapp dreißig Prozent dieser Kinder, die in schwierigen Lebensumständen wie Armut, Komplikationen bei der Geburt oder psychischer Erkrankung der Eltern geboren und aufgewachsen sind, zeigten sich als junge Erwachsene kompetent, selbstbewusst und fürsorglich (Werner 2006, 30). Im Alter von vierzig Jahren war keine Person arbeitslos, auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen oder mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Auch chronische Gesundheitsprobleme waren signifikant seltener. Als Kinder zeigte sich diese „resiliente“ Gruppe aktiv, liebevoll, freundlich und gesellig. Selbst als Kleinkinder wussten sie sich zu helfen:

„Im fortgeschrittenen Jugendalter hatten diese Probanden den Glauben an ihre eigene Wirksamkeit entwickelt und waren überzeugt, dass sie die Probleme, mit denen sie konfrontiert waren, durch eigenes Handeln bewältigen konnten“ (Werner 2006, 32).

Als weiterer sehr wesentlicher Faktor zeigte sich eine enge Bindung zu einer Bezugsperson wie Großeltern, älteren Geschwistern, Tanten und Onkeln, aber auch Lehrern und Lehrerinnen oder Nachbarn. Die Familien der Kinder waren meistens religiös.
Selbst bei der Gruppe, bei der es im Jugendalter zu Schwierigkeiten kam, führte „die Eröffnung von Chancen“ (Werner 2006, 33) zu dauerhaften positiven Veränderungen. Solche Chancen waren Bildung an Hochschulen oder im Beruf, eine stabile Partnerschaft oder die aktive Beteiligung in einer Glaubensgemeinschaft.

Der Blick auf Ressourcen

Gemeinsam ist den beiden Ansätzen der konsequente Blick auf die Ressourcen von Menschen, dabei auch auf die Kraftquellen im Bereich der Spiritualität: Antonovskys Komponente der Sinnhaftigkeit im Kohärenzgefühl und die empirischen Belege für die stärkende Wirkung von Glauben und der Mitgliedschaft in einer Gemeinde bei Emmy Werners Forschungsergebnissen.
Erst im letzten Jahrzehnt wurde verstärkt die Frage gestellt, was das Konzept der Resilienz für Erwachsene bedeutet (BzgA 2012). Ein schönes Bild verwenden Ann S. Masten und Jelena Obradovic (2008), die von einem „Regenschirm-Konstrukt“ sprechen, unter dem verschiedene Facetten der Widerstandskraft angesiedelt sind.
So kann Resilienz zum ersten als (Stress-)Resistenz verstanden werden. Resiliente Individuen bleiben nach Konfrontation mit einem belastenden Lebensereignis vergleichsweise stabil. In den Studien von George Bonanno (2002) wiesen nahezu die Hälfte der Betroffenen nach dem Tod eines nahen Angehörigen keine schwerwiegende Trauerreaktion auf. Auch kann Resilienz schnelle Regeneration (BzgA 2006, 25) bedeuten. Nach einer kurzfristigen Belastung durch ein schwerwiegendes Ereignis kann das Individuum relativ schnell wieder in den Alltag zurückkehren. Dieser „normative Anpassungsprozess“ beruht auf dem Prinzip der Homöostase, der selbstregulativen Fähigkeit eines Systems, einen stabilen Zustand zu bewahren und wieder herzustellen. Ein drittes Konzept fokussiert auf die Fähigkeit zur Rekonfiguration. Personen sind nach einem traumatischen Ereignis in der Lage, Handlungsweisen oder zentrale Kognitionen zu verändern. Dies wird in der Fachliteratur als „Posttraumatische Reifung“ beschrieben (BzgA 2006, 26): Verwundet reifen. Mit (verheilten) Wunden weiter gut leben.
Dieses Phänomen wird in vielen Zeugnissen der frühen Menschheitsgeschichte sowie in Märchen und Mythen beschrieben. Aus dem Buch Ijob wird deutlich, dass verschiedene Versuche von außen zunächst wirkungslos sein können und dass letztendlich erst die Umkehr im Sinne einer Hinwendung zu Gott die tatsächliche Wende bringt. Ijob, der sich im Prolog zweifach im Leid bewährt (Zenger 2016, 418), wendet sich fragend-klagend an Gott. Er fordert im Dialogteil Gott zu einer Antwort heraus (31, 35). Am Ende antwortet JHWH aus dem Wettersturm (38-41). Seine Freunde dagegen können ihn nicht wirklich unterstützen, weil sie rationalisierend über Gott reden, statt ins wirkliche Mit-Leid zu kommen. Erst in der Hin-Wendung zu Gott wird Ijob innerlich und äußerlich wiederhergestellt. Er kommt zu einer tiefen Erfahrung Gottes auf einem „Weg, der vom Glauben (1,1) zum Schauen (42,5) führt“ (Zenger 2016, 430).
In einem psychologischen Modell von Lawrence Calhoun und Richard G. Tedeschi (2006) treten entscheidende Veränderungen zu einem gelingenden Leben in fünf Dimensionen auf: Es ergeben sich neue Wege, es verändern sich Beziehungen zu anderen, die Wertschätzung des Lebens und die persönliche Stärke nehmen zu, religiöse Einstellungen verändern sich.
Insbesondere über eine stärkere Wertschätzung des Lebens berichten viele Menschen. Momente und Dinge, die vorher als selbstverständlich wahrgenommen wurden, wie das Lächeln eines Kindes oder der Tau am Baum, werden als wertvoll und bedeutsam erlebt und führen zu Glücksgefühlen. Es ist wichtig, am Leben zu sein, Anfordernisse und Ziele treten in den Hintergrund. Wichtige Beziehungen werden intensiviert und als erfüllend erlebt. Es kristallisieren sich die tatsächlich wesentlichen Beziehungen heraus. Neue erfüllende Lebensformen, Arbeitsmöglichkeiten oder Tätigkeiten zeigen sich, selbst wenn körperliche Einschränkungen vorhanden sind. Der Glaube verstärkt sich, Spiritualität wird bedeutsamer, und existenzielle Fragen wie die nach dem Sinn des Lebens rücken mehr in den Mittelpunkt des Interesses. Die persönliche Stärke wird mit den Worten beschrieben: „Ich bin verletzlicher als ich dachte, aber stärker, als ich es mir je vorstellen konnte“ (BzgA 2012, 41). „Denn wenn ich schwach bin“, schreibt Paulus an die Gemeinde in Korinth, „dann bin ich stark“ (2 Kor 12,10).
Damit es dazu kommt, benötigt das Individuum im Sinne des Kohärenzsinns von Antonovsky das Verstehen, die Handhabbarkeit und zuletzt als Wesentliches die sinnhafte Einordnung.

Zukunftsweisende Fragen

Resilienz und Salutogenese im gesamten Lebensverlauf zu betrachten, insbesondere auch bei älteren und alten Menschen, wird angesichts des demografischen Wandels von Bedeutung sein. Welche Bewältigungsreserven haben ältere Frauen und Männer? Damit ist das Potenzial gemeint, mit dem auch in späteren Lebensjahren Veränderung und Wachstum möglich ist, trotz lebensverändernder Ereignisse wie Tod des Partners oder multiple chronische Krankheiten (Werner in Welter-Enderlin 2006, 40).
Die wissenschaftliche Betrachtung von Resilienz und Resilienzförderung über die Lebensspanne zeigt hier erste praxisrelevante Ergebnisse auf. So hängt die Lebenszufriedenheit im Alter stark von den Bildungsaktivitäten über die gesamte Lebensspanne, dem Maß sozialer Teilhabe und der (körperlichen) Aktivität in einem gesunden Maß ab (Rönnau-Böse 2015, 136) ab. Als wohl wesentlichste Ressource zeichnet sich zudem das Verfügen über tragfähige freundschaftliche Beziehungen ab.
Welche Bedeutung kommt spirituellen Ressourcen zu? Wie kann eine kulturübergreifende Perspektive angesichts der großen Migrationswellen unserer Zeit aussehen? Welche Interventionsmöglichkeiten bietet das Resilienzkonzept? Zusammenfassend einige zukunftsweisende Fragen, die mit dem hoffnungsvollen Konzept einer salutogenetisch orientierten Resilienzforschung neue tragfähige Antworten versprechen könnte:

„Resilienz bedeutet somit einen Schutzmechanismus, der Menschen schwierige und bedrohliche Situationen überleben und bewältigen lässt, Kraft gibt, antreibt und persönliche Reifung fördert“ (Reddemann 2013, 25).

Dazu bedarf es der Kraft der Imagination und tatsächlich der Bereitschaft zum Beschreiten neuer Wege. Oder, im Bild von Antonovsky: gute Schwimmer und Schwimmerinnen zu werden.

Praxis-Perspektiven von salutogener Resilienz: Immer wieder aufstehen

Einige Aspekte der Selbstsorge für eine Förderung von Resilienz und damit Gesund- Sein zeichnen sich heute bereits ab (Berndt 2016, 102-104): ein soziales Netz, das fördert, aufbauen; sich mit Menschen umgeben, die gut tun; die eigenen Stärken pflegen, um die seelische Widerstandskraft zu fördern; Dankbarkeit leben; Optimismus und Humor üben; sich körperlich betätigen; daran glauben, selbst etwas tun zu können (Selbstwirksamkeitserwartung); das Gute immer wieder Revue passieren lassen; sich den Herausforderungen stellen und Scheitern akzeptieren; Glauben leben. 

Anzeige
Anzeige: Es schmeckt nach mehr von Bernd Mönkebüscher

Stimmen der Zeit-Newsletter

Ja, ich möchte den kostenlosen Stimmen der Zeit-Newsletter abonnieren und willige in die Verwendung meiner Kontaktdaten zum Zweck des E-Mail-Marketings durch den Verlag Herder ein. Den Newsletter oder die E-Mail-Werbung kann ich jederzeit abbestellen.
Ich bin einverstanden, dass mein personenbezogenes Nutzungsverhalten in Newsletter und E-Mail-Werbung erfasst und ausgewertet wird, um die Inhalte besser auf meine Interessen auszurichten. Über einen Link in Newsletter oder E-Mail kann ich diese Funktion jederzeit ausschalten.
Weiterführende Informationen finden Sie in unseren Datenschutzhinweisen.