Ehe

In historischer, anthropologischer und soziologischer Sicht existiert eine größere Zahl konkreter Gestaltungsmöglichkeiten und Leitbilder der Ehe (Sorge um Nachwuchs, wirtschaftliche Interessen, Partnerschaft usw.), die hier nicht registriert werden können.

Biblisch

Das AT enthält viele Zeugnisse zur konkreten Ausgestaltung der Ehe in Israel, jedoch keine religiöse Deutung. Die Texte zeigen sozio-kulturelle Bedingtheiten, aber auch ein für die Zeit außergewöhnlich hohes Niveau bei der Auffassung der Frau in der Ehe: Sie ist nicht Eigentum des Mannes und besitzt eigene Rechte (Vermögen, Lebensunterhalt usw.). Die Eheschließung hat den Charakter eines Vertrags im Dienst der Erhaltung und Weiterführung der Sippe des Mannes. Von da her erklärt sich das ungleiche Verständnis des Ehebruchs: Nimmt der Mann sexuelle Kontakte mit einer verheirateten Frau auf, so bricht er die fremde Ehe. Die Frau kann dagegen nur die eigene Ehe brechen. Die Ehe gilt als grundsätzlich lösbar; eine Verpflichtung zur Einehe besteht nicht. Das AT kennt Ehelosigkeit als Lebensform nicht, auch nicht eine solche aus religiösen Motiven. Die Existenz der Ehe und die Einzelheiten der Regelungen werden vom NT einfach als bekannt vorausgesetzt. Eine Ehetheologie wird Mk 10, 2–12 par. begründet, wo die Partnerschaft der beiden ersten Menschen im Paradies (Gen 1, 27; 2, 24) als Ehe interpretiert und so die unauflösliche Ehe als „Stiftung“ Gottes verstanden wird. Die Rechte der Frau werden im Zusammenhang mit dem Verbot der Ehescheidung eindrucksvoll verteidigt (Mk 10, 11 f. par.)

In der Briefliteratur des NT wird freilich, ohne überzeitlichen Geltungsanspruch, von der Unterordnung der Frau unter den Mann gesprochen. Ehelosigkeit gilt als Ausnahme bzw. als Charisma und steht ganz im Zeichen der Naherwartung (Mt 19, 3–12; 1 Kor 7). Wirkungsgeschichtlich einflussreich war Eph 5, 22–33, wo unter Zitation von Gen 2, 24 das Verhältnis Jesu Christi zu seiner Kirche in Parallele gesetzt wird zu dem Verhältnis der Ehegatten zueinander, so dass von da her die Vorbild-Aufgabe einer christlichen Ehe begründet werden kann. Dieses Verhältnis wird ein großes „Mysterium“ genannt (Eph 5, 32, von der Vg. mit „sacramentum“ wiedergegeben). Die Forderung der Unterordnung der Frau wird in etwa abgeschwächt durch die Forderung an den Mann, seine Frau so zu lieben wie sich selber (Eph 5, 33). Die Auflistung der Anforderungen an Bischöfe, Diakone und Presbyter (1 Tim 3, 2–13; Tit 1, 6) gehen vom Normalfall, dass sie verheiratet sind, aus, enthalten aber nach überwiegender exegetischer Meinung das Verbot einer Wiederverheiratung. In den kirchlichen Witwenstand soll nur eine Frau aufgenommen werden, die ein einziges Mal verheiratet gewesen war (1 Tim 5, 9).

Theologiegeschichtlich

Aus der Zeit der frühen Kirche sind einige rechtliche Zeugnisse erhalten; eine Segnung bei der Eheschließung bürgerte sich vom 3. Jh. an allmählich ein (seit dem 4. Jh. auch mit Eucharistiefeier). Im Geltungsbereich des römischen Rechts kam die Ehe durch den gegenseitigen Konsens („Jawort“) zustande. Die schon bei Paulus (1 Kor 7, 2 5) greifbare Tendenz, Rechtfertigungsgründe für die Ausübung der Sexualität in der Ehe zu suchen, findet bei Augustinus († 430) breite Entfaltung. Seine bis ins 20. Jh. nachwirkende Lehre von den „Ehegütern“ nennt in dieser Reihenfolge die Erzeugung von Nachkommen, die Lebensgemeinschaft und die treue Liebe als christliches Zeugnis („sacramentum“) gemäß Eph 5.

Die mittelalterliche Theologie sah sich veranlasst, die Berechtigung der Ehe gegen manichäische Tendenzen zu verteidigen sowie ihre christlich-theologische Sicht von Augustinus her mit der römisch-rechtlichen Sicht zu verbinden. Zugleich war das Verhältnis zu der Auffassung zu klären, dass die rechtsgültige Eheschließung durch den ersten sexuellen Vollzug (die „copula“) erfolge.

Kirchenamtlich zählte erstmals das II. Laterankonzil 1139 die Ehe zu den Sakramenten. Der nach eingehenden Diskussionen gefundene Konsens hat in der katholischen Theologie und im Kirchenrecht bis heute Geltung: Die Ehe von zwei Getauften ist ein Sakrament (vollzogen in der Liturgie der Eheschließung) und gleichzeitig durch Austausch des Konsenses ein Vertrag; unauflöslich wird sie durch den ersten sexuellen Vollzug. Nach der Übernahme der Theorie des Hylemorphismus in die Sakramententheologie wurde die Auffassung bei Thomas von Aquin († 1274) allgemein übernommen: Die Form des Ehesakraments besteht im Austausch des Konsenses, die Materie besteht in der Verpflichtung zur Geschlechts- und Lebensgemeinschaft. Damit gelten die Eheschließenden als die „Spender“ dieses Sakraments, ein Faktor, der zur Abwertung der Liturgie beim Eheabschluss führen konnte und führt.

Die Reformatoren bekannten sich zu der Gründung der Ehe durch den Schöpfergott, konnten aber für die Sakramentalität der Ehe keine Grundlagen im NT erkennen; überdies wandten sie sich gegen die zu enge Verbindung von Rechtsfragen und Glauben. Daraufhin erklärte das Konzil von Trient dogmatisch verbindlich, dass die Ehe eines der sieben Sakramente und die Kirche für die rechtliche Regelung der Ehefragen allein zuständig sei. Trotz mehrerer Zitate aus AT und NT wird nichts über eine „Stiftung“ durch Jesus Christus gesagt. Bemerkenswert ist, dass die Unauflöslichkeit der Ehe nicht zum Dogma erhoben wird. In can. 7 der Trienter Ehelehre wird nur die Behauptung, bei der Verteidigung der Unauflöslichkeit der Ehe irre sich die Kirche, disziplinarisch mit dem „Anathema „ bedroht. Die Zurückhaltung des Konzils hat ihren Grund darin, dass viele hoch angesehene Kirchenväter des Altertums und in ihrem Gefolge die Ostkirchen Ehescheidung tolerieren und eine kirchliche Wiederverheiratung, z.T. unter Bußauflagen, manchmal sogar eine dritte Heirat für erlaubt erklären. Diese Praxis sollte nicht verurteilt werden. Missstände, die sich beim Brauch „heimlicher“ („klandestiner“) gültiger Ehen eingestellt hatten, wollte das Konzil durch die Festlegung der „Formpflicht“ beheben, d. h. nur durch die kirchliche Eheschließungsform kommt eine gültige Ehe (wenn ein Partner oder beide katholisch ist bzw. sind) zustande.

Während die Ehetheologie jahrhundertelang nicht vertieft wurde, befassten sich kirchliche Instanzen mit einem immer weiteren Ausbau des Kirchenrechts und, vor allem nach neuen humanwissenschaftlichen Erkenntnissen hinsichtlich der Empfängnisverhütung, immer intensiver mit der Ehemoral. Das II. Vaticanum wollte eine einseitig juristische Sicht der Ehe als Vertrag ausgleichen und führte den Begriff Bund in ausdrücklich theologischen Zusammenhang ein (GS 48).

Systematische und praktische Aspekte

können nur äußerst kurz, unter Verzicht auf das Kirchenrecht, benannt werden. Die Liturgie der Eheschließung, verstanden als sakramentale Symbolhandlung, stellt die Ehe unter den Segen Gottes, um den die anwesenden Mitliturgen bitten. Hierin liegen Anknüpfungsmöglichkeiten für ökumenische Gespräche, da die Ehe bei evangelischen Christen nur in rechtlicher Hinsicht ein „weltlich Ding“ ist, theologisch aber als durch Jesus Christus geheiligte Gründung Gottes, die unter seinem Segen steht, gilt. Durch den Rückgriff auf Eph 5 wird es möglich, die christliche Ehe als die kleinste Gestalt von Kirche (gleichsam als Hauskirche, so das II. Vaticanum LG 11) zu verstehen und die Trauung als öffentliche Bekundung des Willens, die Ehe als gelebten Glauben zum Zeugnis in der „Welt“ zu machen, zu deuten. Die Veranstaltung der kirchlichen Hochzeit als folkloristisches Brauchtum, die Häufigkeit der Ehescheidungen, das Zusammenleben in „informellen“ Lebensgemeinschaften auch gleichgeschlechtlicher Partner, der Zusammenbruch vieler „Beziehungen“, das zunehmende Leben als „Singles“ mit nur gelegentlichen sexuellen Kontakten usw. stellen die Kirchen vor erhebliche ungelöste Probleme, angesichts derer sich die katholische Kirche defensiv verhält und durch Aufrechterhaltung von Prinzipien „Dammbrüche“ zu verhindern sucht. Mittels einer aufwendigen Ehegerichtsbarkeit erklärt sie Ehen als nie zustandegekommen (Ehenichtigkeitsprozesse), um die Möglichkeit eines Scheiterns wirklicher Ehen nicht zugeben zu müssen, wobei die Warnungen Jesu vor Ehescheidung als irreformable Gesetze aufgefasst werden. Zivil wiederverheiratete Geschiedene werden nicht zur eucharistischen Kommunion zugelassen, da, anders als in den ev. und orthodoxen Kirchen, das Prinzip den Vorrang vor der Barmherzigkeit hat. Nach katholischem Kirchenrecht wird durch den Empfang einer sakramentalen Weihe (Bischof, Priester, Diakon) ein trennendes Ehehindernis begründet, so dass die Geweihten eine sakramentale Ehe nicht eingehen können. In den orthodoxen Kirchen ist Diakonen und Priestern eine Eheschließung nur vor der Weihe erlaubt und Bischöfen grundsätzlich untersagt.

Quelle: Herbert Vorgrimler: Neues Theologisches Wörterbuch, Neuausgabe 2008 (6. Aufl. des Gesamtwerkes), Verlag Herder

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