Der Ursprung des Kreuzes
Das Kreuz, wie wir es heute kennen, ist erst ab dem 4. Jahrhundert, zu Zeiten Kaiser Konstantin des Großen, als Zeichen für den christlichen Glauben geläufig geworden. Die crux immissa wird auch Hochkreuz, lateinisches Kreuz oder Passionskreuz genannt und ersetzte das Christusmonogramm (Darstellung der griechischen Buchstaben Chi und Rho für Christus) und das Staurogramm (crux monogrammatica).
Symbolik des Kreuzes
Neben der allseits bekannten Symbolik des gekreuzigten und auferstanden Jesu finden sich im Kreuz noch weitere Bedeutungen. So symbolisiert die waagerechte Achse des Kreuzes die Verbundenheit des Menschen mit der Erde und seinen Mitmenschen, während die senkrechte Achse die Verbundenheit mit Gott darstellt. Der vertikale und der horizontale Balken stehen außerdem für einige Gegensätze wie zum Beispiel Himmel und Erde, Geist und Materie und Seele und Körper.
Nach jüdischem Verständnis kam eine Kreuzigung einem Fluch gleich (siehe Deuteronomium 21,23 „Verflucht ist, wer am Holz hängt“). Das Annageln am Kreuz geschah nur dann, wenn der Betroffene sich extremen religiösen Vergehen wie Gotteslästerung schuldig gemacht hatte – andernfalls wurde der Angeklagte lediglich festgebunden. Durch den Opfertod von Jesus, der die Versöhnung zwischen Gott und Mensch bewirkt, wandelt sich die Bedeutung von einem Fluch zu einem Zeichen des Neuen Bundes, der Wiederherstellung und der Gottesbeziehung.
Das Kreuz verstehen
Schon Paulus, der als erster Apostel auch unter den „Nationen“, d.h. den Nicht-Christen, missionierte, war sich bewusst, dass es nicht einfach werden würde, den Menschen die Bedeutung des Kreuzes deutlich zu machen. Das zeigt sich beispielsweise in der Bibelstelle 1. Korinther 1,23:
„Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit, wir aber predigen Christus, den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit; denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit.“
Paulus unterscheidet hier klar von den Menschen, die das Evangelium annehmen und denen, für die es nur „eine Torheit“ ist. Seine Lehre sagt aus, dass die Botschaft des Kreuzes sich nur den Gläubigen entfaltet und seine Wirkung zeigt – für alle anderen ist die Botschaft nichtssagend und hat außerdem keinen Einfluss auf ihr Leben oder ihre Errettung. Für sie bleibt unbegreiflich, wie ein Zeichen der Folter, der Schande und Strafe zu einem Zeichen der Hoffnung und des Heils werden kann.
Formen des christlichen Kreuzes
Die Darstellung einer ans Kreuz genagelten Jesusfigur nennt man ein Kruzifix. Neben dem lateinischen Kreuz gibt es allerdings noch viele weitere Formen, wie beispielsweise:
- Griechisches Kreuz: Kreuz mit gleich langen Armen, das in einigen Staatswappen vorkommt (Schweiz, Malta, Griechenland) und aus welchem das „Rote Kreuz“ entstanden ist.
- Papstkreuz: Offizielles Symbol des päpstlichen Amtes mit drei Querbalken, die die drei päpstlichen Gewalten (Hirten-, Lehr- und Priestergewalt) symbolisieren
- Byzantinisches Kreuz: Wird von der griechisch-orthodoxen Kirche verwendet und hat sich nach außen verbreiternde Enden
Zu Beginn ihrer Existenz tat sich die christliche Kirche mit Kreuzesdarstellungen schwer, da das Kreuz schließlich für eine der grausamsten Foltermethoden der Antike stand. Erst ab dem 2. Jahrhundert sind Kreuzesabbildungen an Gräbern nachgewiesen.
Viele Kirchen haben einen kreuzförmigen Grundriss, und die Kreuzdarstellungen im Innenraum sind immer in Nähe des Altars angebracht, da das Kreuz im liturgischen Zentrum des Gebäudes stehen soll. Katholische Gläubige bekreuzigen sich während der Heiligen Messe oder im Gebet, viele Gläubige tragen das Kreuz auch als Schmuck.
Wo ist das originale Kreuz?
In der heiligen Schrift finden sich keine Hinweise darauf, wo das Heilige Kreuz, also das Kreuz, an dem Jesus tatsächlich starb, verblieben ist. Ebenso wenig gibt es Indizien darüber, was mit dem Leichentuch, den Kreuzigungsnägeln und der Dornenkrone passierte, nachdem Jesus von den Toten auferstanden war. Diese Reliquien blieben 300 Jahre lang verschollen – bis Helena, die in der katholischen Kirche als Heilige verehrt wird, die Suche wieder aufnahm. Helena ist die Mutter von Kaiser Konstantin dem Großen. Da sich viele Legenden um Helenas Kreuzsuche ranken und ihre Geschichte historisch nicht eindeutig belegbar ist, lässt sich ihr Wahrheitsgehalt nur schwer bestimmen. Den Überlieferungen zufolge sei Helena im Alter von ca. 80 Jahren nach Palästina gereist, um dort die Suche zu beginnen. Sie ließ Grabungen unter einem römischen Tempel auf dem Berg Golgatha durchführen und soll dabei drei gut erhaltene Kreuze gefunden haben. Die biblische Geschichte erzählt von zwei Verbrechern, die zusammen mit Jesus auf dem Berg Golgatha gekreuzigt wurden, daher sind es drei Kreuze. Zur Identifikation des Kreuzes Jesu gibt es verschiedene Legenden - eine davon besagt, dass Helena Jesu Kreuz anhand der Inschrift „INRI“ (Jesus von Nazareth, König der Juden) erkannte.
Am selbigen Ort fand Helena auch Nägel, Dornenkrone und das leere Felsengrab von Jesus. Sie zerteilte das Kreuz in drei Teile, um eines an ihren Sohn zu senden und ein weiteres mit sich zu nehmen, um es in der kaiserlichen Palastkapelle zu verehren. Das dritte Teil wurde laut der Legende fortan in Jerusalem verehrt. Daraus entwickelte sich die Tradition der Kreuzverehrung. Durch verschiedene Schlachten gelangen die Holzteile im Laufe der Zeit immer wieder in andere Hände. So blieb das Holzstück aus Jerusalem bis heute verschollen. Helenas Kreuzfragment wurde in viele Splitter zerteilt, die später Kirchen gespendet wurden. Durch diesen Reliquienkult entstanden die Heilig-Kreuz-Kirchen in Europa. Im Petersdom in Rom wird auch heute noch ein größeres Kreuzfragment aufbewahrt.
Kreuzesverehrung
Heutzutage wird das Kreuz an verschiedenen Festtagen der christlichen Kirche verehrt, wie zum Beispiel am Fest der Kreuzerhöhung am 14. September oder am Karfreitag. In den orthodoxen Kirchen gibt es Kreuzprozessionen, die ebenfalls der Kreuzverehrung dienen. Im Norden der Philippinen lassen sich manche Männer zum Gedenken an Jesus jährlich ans Kreuz nageln. In diesen Gebieten der Philippinen herrscht eine extreme Form von Gläubigkeit, die stark fundamentalistisch geprägt ist. Die Christen unterziehen sich am Gründonnerstag und Karfreitag einer Selbstgeißelung und lassen sich während einer öffentlichen Zeremonie an ein hölzernes Kreuz nageln, an dem sie ca. 15 Minuten verweilen. Diese Prozedur soll dabei helfen, Gehör bei Gott zu bekommen, sodass sich Gott der Bitten des Gläubigen am Kreuz annimmt.
Kreuz ist ein uraltes menschliches Symbol mit vielen Varianten und Bedeutungen sowie das in der Antike bei den Römern gebräuchliche Hinrichtungsinstrument. Das NT bezeugt die konkrete Hinrichtungsart bei Jesus und verwendet das Kreuztragen metaphorisch für die Nachfolge Jesu. Im Joh-Ev. wird das Kreuz überdies in Zusammenhang mit der Erhöhung Jesu gebracht. Bei Paulus findet sich eine Theologie des Kreuzes. Das Kreuz ist für Nichtglaubende ein „Ärgernis“ und eine „Torheit“, den Glaubenden aber das durch den Geist geoffenbarte Geheimnis der göttlichen Weisheit (1 Kor 1, 17–25; 2, 6–10). Gal 3, 13 deutet Jesu Tod am Kreuz als Fluchtod unter Bezugnahme auf Dtn 21, 23 (vgl. 2 Kor 5, 21). Im Glauben leben bedeutet die Mitkreuzigung des „alten“ oder fleischlichen Menschen mit Jesus (Gal 5, 24; Röm 6, 6). Auch in anderen Schriften des NT tritt das „Für uns“ des Kreuzes Jesu in Erscheinung. Nach Kol 1, 20 geht vom Kreuz kosmische Versöhnung aus. In der Theologiegeschichte wurde das Kreuz in unterschiedlichen Zusammenhängen thematisiert, im Hinblick auf die Nachfolge Jesu im blutigen Martyrium und in der unblutigen „Kreuzigung“ der Mönche, in der Leidensmystik, in der Frage nach der Leidensfähigkeit des göttlichen Logos oder (nur) der Menschheit Jesu, vor allem aber in den Erwägungen über die Heilsbedeutung des gewaltsamen Todes Jesu (von Petrus Lombardus †1160 aus bei Thomas von Aquin †1274). Nach der Trennung der Soteriologie von der Christologie gehört die Erlösung (und mit ihr das Kreuz) in das soteriologische Zentrum. Alle theologischen Anschauungen Martin Luthers († 1546) sind von seiner Kreuzestheologie geprägt, die den Menschen in seiner radikalen Verfallenheit an die Sünde und das Kreuz als die Übernahme von Sünde und Fluch (s. Paulus) durch Jesus Christus sieht, so dass an die Stelle der menschlichen Überheblichkeit und Nichtigkeit die durch Gott in ihm geschenkte Gerechtigkeit treten kann. Alles von Gott kommende Heil gründet im Kreuz. Alle menschlichen Bemühungen um vernunftgemäßes Verstehen der Wege Gottes und um Wirken aus der empfangenen Gnade sind für Luther Produkte der Überheblichkeit, von der die „Theologie der Glorie“ der alten Kirche geprägt ist. Der Verborgenheit Gottes entspricht die Erniedrigung Jesu und in dessen Nachfolge die Niedrigkeit des Christen und seiner Kirche. Innerhalb des reformatorischen Denkens blieb Luthers Kreuzestheologie zunächst singulär. In der vom evangelischen Glauben geprägten Philosophie G. W. F. Hegels († 1831) ist das Kreuz (nur) eine notwendige Phase („spekulativer Karfreitag“) im Prozess der Geistesgeschichte. „Erben“ der radikalen Kreuzestheologie Luthers sind S. Kierkegaard († 1855), K. Barth († 1968) und in seiner katholischen Nachbarschaft H. U. von Balthasar († 1988), ferner die Theologen der Ohnmacht und des Schmerzes des „gekreuzigten Gottes“. Es wird der radikalen Kreuzestheologie schwer fallen, die menschlichen Verzweiflungen an Gott angesichts der Leiden seiner Kreatur, angesichts der Untätigkeit und des Schweigens Gottes im millionenfachen Tod, angesichts der Sterbensqualen einfach als menschliche Überheblichkeit zu übergehen. Auch die Kreuzestheologie beantwortet die Fragen und Klagen der Theodizee nicht. Das Kreuz hat nicht einfach die Verbrechen menschlicher Freiheit „gesühnt“ (Sühne). Wo sind Heil und Gerechtigkeit erfahrbar? So erreichen die Worte des Findens Gottes allein im Kreuz und der universalen, im Kreuz erwirkten Versöhnung nur noch solche, die mit ihrem Leben versöhnt sind.