Die Wochensprüche im Juni 2023

4. Juni 2023
Trinitatis

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen.

2. Korinther 13,13

Als Kanzelgruß steht dieser Vers am Beginn vieler Predigten und erleidet möglicherweise das Schicksal, zu oft gehört und zu oft gesprochen zu werden und so in Formelhaftigkeit zu erstarren. Liturgisch spielt er zudem eine sehr untergeordnete Rolle und wird in den einschlägigen Lehrbüchern nur selten eigens thematisiert. Dabei ist er eine so schöne Zusage, setzt einen Doppelpunkt für alles Folgende: Gnade und Liebe und Geistesgemeinschaft für euch, meine Hörerinnen und Hörer, meine heutige Gemeinde. Der dreieinige Gott als einer, der uns dreifach zugutekommt; der in allem, was er ist, für uns ist. Die Trinität bedenken bedeutet dann keine Wesensspekulationen zu betreiben, sondern auf das zu sehen, was ihre Gaben sind. Nicht aus mangelndem Sinn für Dogmatik, sondern aus Erkenntnisdemut. So wie Philipp Melanchthon von Christus sagt, ihn zu erkennen heiße, seine Wohltaten zu erkennen. Ein Doppelpunkt also: das Geheimnis der Dreieinigkeit als Voraussetzung, nicht als Ziel unseres Nach-Denkens. Bleiben wir beim Sitz im Leben, also dem Kanzelgruß: Der/die grüßende Prediger/Predigerin wünscht der hörenden Gemeinde nur das Beste. Jenseits und abseits persönlicher Sympathien und Antipathien, und zwar ausdrücklich allen. Ich glaube, es tut ganz gut, sich das klarzumachen, wenn man von der Kanzel mit dem Predigen beginnt und, nun ja, so seine Geschichte mit manchen von denen hat, die da sitzen. Was jetzt folgt als Predigt, das soll eine Liebesbekundung an die Gemeinde werden, die mit einem Segenswunsch beginnt und mit einem weiteren endet, dem Kanzelsegen. Es soll demnach hier und jetzt kein Platz sein für eigene Machtworte oder Anspielungen für Eingeweihte, aber auch kein Platz für Schönfärberei. Es lohnt der Blick auf den biblischen Kontext. Da steht dieser Vers ganz am Ende des Briefes, und unmittelbar davor kündigt der Apostel an, dass er bei seinem nächsten Besuch in der Gemeinde dem notwendigen Streit nicht aus dem Wege gehen will. In welcher Haltung das geschieht, macht den Unterschied aus.

11. Juni 2023
Erster Sonntag nach Trinitatis

Wer euch hört, der hört mich; und wer euch verachtet, der verachtet mich.

Lukas 10,16a

Es gibt biblische Geschichten und Verse, die sehr zerbrechlich sind. Sie zersplittern ganz leicht unter unseren Worten und Taten. Ob es möglich ist, sie wieder zusammenzufügen, weiß ich nicht. Theologisch ist leicht gesagt, dass dies nicht bei uns steht. Aber kann es nicht sein, dass wir sie verlieren werden, wenn wir nicht sehr behutsam mit ihnen sind? Dieser Vers ist einer von ihnen. Er findet sich in der sogenannten Aussendungsrede. Die Jünger werden von Jesus in die umliegenden Ortschaften geschickt, um dort in seinem Namen zu wirken. Sie handeln also in Stellvertretung. Darin liegt eine sehr große Verantwortung. Christus legt seine Sache in beängstigender Weise in die Hände seiner Jünger und seiner Gemeinde … So sehr identifiziert er sich mit ihnen, dass er nur durch ihr Verhalten hindurch anderen Menschen gegenwärtig werden will. Versagen sie, so bleibt er abwesend und unbekannt. (H. Gollwitzer, in: Von der Stellvertretung Gottes). Versagen.

Ich kann nicht anders, als an die Missbrauchsfälle in unseren Kirchen zu denken. Verse wie dieser, die ursprünglich Mut machen und stärken sollten, wappnen gegen Enttäuschungserfahrungen, sie mutieren zu falschen Machtworten, zu dieser abgründigen Selbstgewissheit, unangreifbar zu sein als Pastor, als Priester. Im Namen des Herrn. Natürlich ist der Plural wichtig. Natürlich ist die ganze Gemeinde angesprochen, keine besonderen Einzelnen, auch keine Amtsträger. Und doch tritt das leicht in den Hintergrund, wenn ich wenige Verse später lese: Siehe, ich habe euch Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten, und über alle Macht des Feindes, und nichts wird euch schaden. Welche Allmachtsgefühle damit bedient werden können. Und welche Ohnmacht es auslöst auf Seiten der Opfer. Meine Angst: Die begangenen Verbrechen, die lebenslangen Verletzungen, die Scham und die Schuldgefühle – sie alle könnten zurückfallen auf diesen Jesus hinter seinen vorgeblichen Stellvertretern. Wenn Helmut Gollwitzer recht hatte, dann wird er sich nicht dagegen wehren. Ich glaube, es gibt Bibelverse, die haben wir nur noch auf Bewährung.

18. Juni 2023
Zweiter Sonntag nach Trinitatis

Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.

Matthäus 11,28

Wir brauchten das Gespräch an diesem Abend und manche von uns auch ein Gebet. Die Idee hatten wir richtig gut gefunden: An einem Vormittag das Angebot medizinischer Versorgung mitten im Slum. Wir wussten, wie wenige Ärzte es in dieser Stadt gab, fast keine für die Armen, und wir hatten gesehen, dass die Schränke in der Krankenstation voller längst abgelaufener Medikamente aus Europa waren. Zuerst kamen nur ein paar Einzelne, dann wurden es langsam mehr. Immer mehr. Mit meinem eingerosteten Französisch erfuhr ich im provisorischen Wartezimmer von schlimmen Schicksalen. Am Ende dieses Vormittags standen so viele Menschen vor der Tür, junge und alte, dass es einfach nicht mehr zu bewältigen war. Wir mussten abbrechen. Mittendrin. Und wir machten uns Vorwürfe, denn das war nicht mal der berühmte Tropfen auf den heißen Stein gewesen. Es war einfach bloß gut gemeint, mehr aber auch nicht. Keinem von uns ging es gut an diesem Abend. Mühselig und beladen waren sie ganz sicher, die Menschen, die den Weg zur medizinischen Station gesucht hatten. Manche mit Verletzungen oder Gebrechen, die in Deutschland leicht zu behandeln wären – aber nicht in diesem Land und nicht, wenn du 2 Euro am Tag verdienst. Geholfen hatten wir ihnen – fast – gar nicht. Wir hatten Hoffnungen geweckt und diese Hoffnungen enttäuscht. Wir waren abgezogen. Und spürten schmerzhaft (aber was ist schon unser Schmerz angesichts dieser Schicksale?) unsere Grenzen. Vielleicht auch vermischt mit dem Eingeständnis unseres Hochmuts. Jedenfalls, wir konnten hier niemanden erquicken. Ich bot einen Raum an, Ort und Zeit zum Reden und die alten Worte der Psalmen. Und auch dieses hier aus dem Evangelium war mit dabei. Das hat mir gut getan, sagte eine Soldatin ein paar Tage später und ich glaube, sie sprach nicht nur für sich. In jedem Fall sprach sie auch für mich. Ich glaube, die Erfahrung eigener Macht- und Hilflosigkeit kann einem die Ohren öffnen für Worte wie dieses, für das Evangelium.

25. Juni 2023
Dritter Sonntag nach Trinitatis

Der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist.

Lukas 19,10

Es war nicht weit von der Caritas-Station bis zum Stützpunkt. Wir konnten gut zu Fuß gehen. Er war Ende 20, Hauptmann bei den Feldjägern, ganz und gar unkirchlich. Sie sind der erste Pastor, mit dem ich je gesprochen habe! Wir waren mit anderen Soldatinnen und Soldaten wieder bei den Straßenkindern gewesen, die von der Caritas eine Heimstatt bekamen, einen sicheren Ort. Mädchen und Jungen jeden Alters, viele von ihnen gezeichnet von ihren Erlebnissen auf der Flucht und in den Straßen der Stadt. Die meisten von ihnen hatten Waffen und Drogen bei sich, zum Selbstschutz und zur Selbstbetäubung. Sie mussten sie aber am Eingang abgeben, um eingelassen zu werden. Manche weigerten sich. Da war ein Junge vor dem Tor, sagte der Hauptmann zu mir, der sah so gefährlich aus und gleichzeitig so traurig und verloren, dem hat bestimmt noch nie einer was geschenkt im Leben. Noch nie. So sah der aus. Barfuß war er auch. Ich bin dann zum Ami-Supermarkt gefahren und hab‘ dem zwei Paar Sandalen gekauft.
Ich meine, dieser junge Soldat hat in seinem Herzen alles verstanden und ist einer jener Menschen, von denen Jesus im Evangelium sagt: Ich habe deinen Glauben gesehen. Auch an den römischen Hauptmann unter dem Kreuz muss ich denken, wenn ich mir jenen Tag vor Augen führe. Anonymes Christentum hat Karl Rahner das einmal genannt: Ein Bekenntnis in Wort oder Tat, eine Haltung, die nicht explizit in Christi Namen geschieht, die aber seinen Geist atmet. Der weht bekanntlich, wo er will. Jedenfalls: Hier ist mir ein Menschenkind in den Spuren des Menschensohnes begegnet. Einer auf der Suche nach denen, die verloren sind. Und zugleich einer, der selber gefunden worden ist. Von ihnen gibt es viele, und wahrhaftig nicht nur in unseren Gemeinden. Wir tun gut daran, nach ihnen Ausschau zu halten, auch um unserer selbst willen.

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