Die Wochensprüche im Mai 2023

7. Mai 2023
Kantate

Singet dem Herrn ein neues Lied, denn er tut Wunder.

Psalm 98,1

Wenn im Rundfunk oder im Fernsehen aus irgendeinem Anlass die Nationalhymne gespielt wurde, sagte meine Mutter regelmäßig: „Ich denke immer noch, dass sie jetzt noch „die Fahne hoch“, das Horst-Wessel-Lied, spielen.“ Man spürte ihr ab, dass diese Vorstellung bei ihr keine Begeisterung, sondern das Gefühl des Schauderns auslöste. Es erinnerte sie an die Schrecken der Bombennächte, die markigen Sprüche der Propaganda, die viel versprachen und in die Katastrophe führten. Es war das alte Lied, das sie in diesen Augenblicken einholte. Sie und mit ihr viele andere konnten froh sein und waren es auch, dass das alte Lied nicht mehr erklang. Das, was einmal besungen wurde, galt nun nicht mehr und jene, die den Gesang inszeniert hatten, hatten nichts mehr zu sagen oder waren nicht mehr. Die Zeiten hatten sich geändert. Wenn das neue Lied erklingen soll, wird es nicht reichen, nur darauf zu hoffen, dass andere Zeiten kommen. Beim neuen Lied kommt es darauf an, wessen Lied es ist, das da gesungen wird. Davon hängt ab, ob es nur ein anderes Lied mit anderen Herren ist, von denen man erneut abhängig ist. Das neue Lied zu dem der Psalm aufruft, ist das Lied der Befreiung und Errettung. Das neue Lied befreit aus Abhängigkeiten und Verstrickungen. Das neue Lied singt von der Errettung vor dem drohenden Untergang. Für das Volk Israel war es die Erzählung von der Rettung am Schilfmeer vor der Übermacht der ägyptischen Streitkräfte, das ihnen das neue Lied auf die Lippen brachte. Für Christinnen und Christen ist es Ostern. Wer diesem Herrn, der befreit und rettet, das neue Lied singt, vertraut sich ihm an und erkennt ihn an. Das neue Lied verbindet alle, die es singen zur Gemeinschaft der Befreiten. Das neue Lied ist eine weltbewegende Angelegenheit. Und wir haben es nötig. Im Zusammenhang mit dem neuen Lied findet ein Herrschaftswechsel statt, genauso wie damals meine Mutter ihn erlebt hat, bzw. ganz anders.

14. Mai 2023
Rogate

Gelobt sei Gott, der mein Gebet nicht verwirft noch seine Güte von mir wendet.

Psalm 66,20

Einer der häufigsten Sätze der von Politikern aller Richtungen derzeit zu hören ist, lautet: „Ich nehme die Ängste der Menschen ernst.“ Manches Mal ist die Aussage erweitert mit einem „durchaus“. Gerade dann, erlebe ich diesen Satz so, dass er nur die Hälfte von dem sagt, was gemeint ist und das Entscheidende ungesagt bleibt. Die Ängste der Menschen werden gehört, aber im praktischen Handeln spielen sie nicht die Rolle, die man erwartet. Ich möchte mit meinen Anliegen ernst genommen werden. Ich habe nichts davon, wenn jemand behauptet meine Ängste ernst zu nehmen, aber mein Anliegen bei ihr oder ihm im Papierkorb landet. Und wenn ich bete? Ich bin mir oft unsicher, mit welchen Anliegen ich dem lieben Gott kommen kann und welche ich mir vielleicht besser verkneife. Ich weiß, Beten ist keine Wundertüte, wo ich alles bekommen kann. Aber heißt das denn, dass ich meine Anliegen vorsortieren muss, bevor ich sie Gott vortrage? Darf ich beten, dass jemand Krankes gesund wird, oder soll ich lieber doch nur darum bitten, dass sie oder er die Kraft zum Aushalten oder Durchhalten bekommt? Darf ich für jemanden beten, der eine wichtige Prüfung zu absolvieren hat, oder kommt es einfach nur darauf an, dass derjenige ordentlich gelernt hat? Wenn Gott mich mit meinen Anliegen und Fragen nicht ernst nimmt, wer dann? Beim Gebet geht es sicher nicht um Wunscherfüllung. Wenn ich bete, wende ich mich mit dem, was mich bewegt an Gott. Das ist nur möglich, weil Gott sich mir zuwendet. Diese Zuwendung steht nicht in Frage. Er wendet sich nicht von mir ab. Er kehrt mir nicht den Rücken zu. So heißt beten, Gott die Möglichkeit geben, sich an meinen Überlegungen zu beteiligen, ihn an meinen Freuden und Sorgen teilhaben zu lassen. Erstaunlicherweise ist gerade er es, der nicht von oben herab mit mir umgeht. Ihn nicht zu bitten, würde bedeuten, ihn außen vor zu lassen. Will ich das? Eher nicht. Rogate – betet! Ich bin dabei.

21. Mai 2023
Exaudi 

Christus spricht: Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.

Johannes 12,32 

Manches Mal wünsche ich mir, ich könnte mehr über den Dingen stehen. Ich wünsche mir mehr Gelassenheit. Ich möchte nicht so unmittelbar reagieren, aber es fällt mir schwer, auf Distanz zu gehen. Ich weiß, dass es für mich und andere hilfreich wäre. Ich weiß auch, dass im Rückblick ohnehin vieles anders aussieht. Genauso wie auch ich weiß, dass es gut ist, wenn man sich erst einmal einen Überblick verschafft. Wenn man wenigstens jemanden an seiner Seite hätte, der den Überblick behält, wenn es turbulent wird. Wer über den Dingen steht, ist keineswegs unbeteiligt an den Ereignissen. Er ist dabei, aber er hat mehr im Blick. Für die Jünger, an die sich die Zusage des Wochenspruchs richtet, sah es über eine weite Strecke so aus, als würde sich nach Tod und Auferstehen der, an den sie anfingen zu glauben, immer mehr entziehen. Gerade das Johannesevangelium trägt diesem Sachverhalt Rechnung und widmet mehrere Kapitel dem Abschied von der irdischen Gegenwart Jesu. Wenn der Evangelist Johannes von „erhöht werden“ schreibt, dann kennzeichnet dies Christus als den, der über den Dingen steht. Aber er ist nicht entschwunden. Er sagt den Jüngern seine bleibende Gegenwart zu. Weil er über den Dingen steht, erscheinen die Ereignisse der Welt unter einer anderen, unter einer neuen Perspektive. Und noch etwas: Die Jünger, d.h. die glaubende Gemeinde nimmt an dieser anderen Sichtweise teil. Sie ist hineingenommen in die Wirklichkeit des erhöhten Christus. Diese Vorstellung tut mir gut. So einem kann ich mich anvertrauen. Das macht es mir leichter, selber auf Distanz zugehen. Es muss mich nicht alles, was auf mich einstürmt, tangieren. Ich bin dabei.

28. Mai 2023
Pfingstsonntag

Es soll nicht durch Heer oder Kraft, sondern durch meinen Geist geschehen, spricht der Herr Zebaoth.

Sacharja 4,6b

Als ich in der vierten Klasse die ersten Versuche unternahm, Aufsätze zu schreiben, schärfte uns unsere Lehrerin ein, Sätze nicht mit „es“ zu beginnen. Der Wochenspruch wäre stilistisch von ihr nicht gutgeheißen worden. Es soll etwas geschehen. Was soll oder kann man sich bei diesem „es“ denken. Wohl erst einmal alles und jedes. Hier ist von Heer und Kraft die Rede. Wir haben es also mit einer Auseinandersetzung, einem Kräftemessen zu tun. Bei derartigen Auseinandersetzungen geht es stets um Macht und Einfluss. Pfingsten, eine Machtfrage? Gilt dies auch dann, wenn wie in der Ukraine seit mehr als einem Jahr die Panzer rollen, die Infrastruktur bedroht ist und von einer Seite laut über den Einsatz strategischer Atomwaffen nachgedacht wird? In jedem Fall bedeutet es, dass Säbelrasseln niemals ein Ausdruck von Stärke und Überlegenheit sein kann. Es stellt noch mehr als jedes andere Argument den Einsatz von Waffen und Drohungen in Frage. Pfingsten ist die Proklamation einer anderen Art von Überlegenheit. Sie gründet im Geist Gottes selbst. Für die Veränderung der Machtverhältnisse in der Welt braucht es Heiligen Geist. Ganz real und ganz handfest. Den Heiligen Geist, der der Geist der Freiheit ist, der Wahrheit, des Friedens und der Kreativität. Die Wirkung dieses Geistes kann sehr unterschiedlich sein. Er wirkt im Kleinen, ganz sanft und kaum spürbar, wie ein Hauch. Aber er kann auch umwerfend sein und stürmisch daherkommen. In jedem Fall wirkt er an den Menschen, kann das Denken erneuern und Überzeugungen ändern. Sein Wirken kann unerwartet sein und an Orten stattfinden, an denen man nicht unbedingt mit ihm rechnet: Forschungslabors, Hörsäle, Parlamente. Er ist die Kraft, von der die Herzen der Menschen bewegt werden. Damit ist mehr erreicht, als mit jeder Art von Rüstung. In einem alten Pfingstlied heißt es: Nun bitten wir den Heiligen Geist. Das sollten wir. Vor allem aber sollten wir mit seinem Wirken rechnen und unser Vertrauen darauf setzten.

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