s.c.j.

Ein leitender Angehöriger einer Kirchenleitung meinte jüngst zu mir: „So wie du in zwei Gemeinden als Pfarrer gearbeitet hast, so wird niemand mehr als Pfarrer arbeiten.“ Und so, wie vor zehn Jahren Gemeinden noch Gottesdienste feierten, zu Kreisen einluden und selbstverständlich auch das kommunale Leben mitgestalteten, wird das auch in Zukunft nicht mehr geschehen können. Vordergründig mag man Covid 19 und dem Krieg gegen die Ukraine die Verantwortung zuschieben. Man wird auf die „großen Parteien“ und Verbände verweisen, auch auf den Mitgliederschwund bei Gewerkschaften. Was bisher das Gefüge unseres Miteinanders stabil gehalten hat, zeigt Risse. Die katholische Kirche verliert massiv Mitglieder durch Missbrauchsskandale, Kritik an ihrer Sexualmoral und mangelnde Einbindung von Frauen in Leitungsämter. Woran „leidet“ die evangelische Kirche? Manchmal bringe ich es für mich auf den Begriff „Belanglosigkeit“. Es will uns nicht gelingen, den Menschen (nicht nur den Jüngeren) zu vermitteln, dass das „Evangelium“ in seiner Breite und Tiefe für sie von Belang ist. In meiner badischen Landeskirche wechselt bald ein befreundeter Dekan in ein Projekt der Landeskirche zur „Weiterentwicklung von Kasualien“. Ist die Kasualkirche und die Kulturkirche (mit großartigen Konzerten etc.) die Kirche der Zukunft? Werden Gottesdienste zu Zielgruppenangeboten? Wer um 30% verschlankt, braucht eine Vision!
Ich sehe es auch als Aufgabe der PASTORALBLÄTTER an, diesen Weg heraus aus den Gewohnheiten hin zur Entdeckung neuer Möglichkeiten zu begleiten. Mehr als bisher möchte ich auch das Gespräch mit der aktuellen Theologie suchen, denn mir scheint auch ein Defizit darin zu liegen, dass uns die Herausforderungen der je konkreten Arbeit so sehr fordern, dass man leicht den Anschluss an neuere Erkenntnisse (ich wies mehrmals in den Buchtipps darauf hin) verpasst. 
Natürlich haben die Menschen in den „elenden“ Ländern – längst ja nicht mehr „nur“ die sog. „dritte Welt“ – noch gravierendere, existentielle Sorgen. Der Krieg gegen die Ukraine hat offensichtlich schon Zigtausende Tote und Verletzte gefordert.
Vielleicht haben Sie schon einmal in alten Briefen, Handschrif­ten oder Büchern die drei Buchstaben s.c.j. gefunden. s – c – j. Das ist die Abkürzung für sub conditione jacobi, unter der Bedin­gung des Jakobus. Gemeint damit ist eine Stelle im Jakobus­brief. Dort heißt es im 4. Kapitel: So Gott will und wir leben. So Gott will und wir leben, werden wir euch im nächsten Jahr be­suchen. So Gott will und wir leben, feiern wir in zwei Jahren Goldene Hoch­zeit. Das schrieben die Alten oft genug unter ihre Briefe, die auf langen Wegen die Heimat erreichten. Selbst im Krieg stand noch auf mancher Karte: scj. Unter der Bedingung des Jakobus. So Gott will, und wir leben.
Ein ernster Gedanke. Wenn mir dieser Gedanke nicht mehr weh tut, bin ich einen entscheidenden Schritt weiter in meinem Glau­ben, kann mich tragen lassen vom Uhrwerk, Sekunde um Sekun­de, kann den Augenblick genießen ohne die Angst, ihn zu verlie­ren.
Selten war zu unseren Lebzeiten und in unseren Breitengraden diese Klammer um unsere Leben so berechtigt. Jetzt auch noch angesichts der alarmierenden Berichte des von russischen Truppen besetzten größten europäischen Atomkraftwerks Saporischschja Anfang September, während ich die Januarausgabe der PASTORALBLÄTTER 2023 zusammenstelle.
Umso wichtiger ist es, dass wir uns um Wege zu einem Frieden bemühen, sei es vor unserer Haustür, sei es in uns selbst, sei es europa- oder weltweit. Landauf, landab finden immer noch Friedensgebete statt. Das hat nachgelassen, wie alles Engagement nachlässt, wenn es zu lange dauert, wenig positive Folgen hat, und – wie im konkreten Fall – sich Elend auf Elend häuft.
Für den Frieden sind wir offensichtlich zu ungeduldig.
Unsere Pläne sind ein Echo unserer Ungeduld.
Unsere Gebete: Echo unserer Ungeduld.
Wir sollten uns ein Beispiel nehmen am Grashalm: Unzählige Male zertreten, und geschnitten richtet er sich doch immer wieder auf und staunt über die Weite der Wiese, in der er wächst.

Die Schwerpunkte der PASTORALBLÄTTER bleiben auch 2023 in ihrer Grundausrichtung: nah bei der Praxis der Pfarrerinnen und Pfarrer, Prädikantinnen und Prädikanten, Vikarinnen und Vikaren. Dies möglichst „im Dialog“. Dafür sorgt schon der engagierte Redaktionsbeirat, aber auch der Schriftleiter selbst, der den Kontakt mit den Autorinnen und Autoren pflegt und für alle Anregungen aus der Leserschaft offen ist. Die „normalen“ Gottesdienste zu den Perikopentexten inkl. liturgischen Elementen bleiben ebenso erhalten wie die offensichtlich nicht nur in hybriden Gottesdienstzeiten beliebten „Kurzpredigten“, die Alternativgottesdienste mit Lied- und Bildpredigten. Das gilt auch für alle thematischen Rubriken.

Die Besonderen Gottesdienste gelten in diesem Jahr gewichtigen theologischen Begriffen, mit jeweils einem biblischen Text als Anhalt (Autorinnen und Autoren in Klammer):

Januar: Frieden Phil 4,7 (Peters)
Februar: Liebe 1. Kor 13,13 (Henneken)
März: Zweifel Jak 1,6 (Engelsberger)
April: Glauben Mk 9,24 (Zachmann)
Mai: Schöpfung Röm 8,21 (Herrmann)
Juni: Hoffnung Röm 8,24 (Zumkehr)
Juli/August: Erwählung 5. Mose 7,7.8 (Nottmeier)
September: Sünde Röm 3,22c.23 (Kratzert)
Oktober: Gericht Matth 25,31–33 (Engelsberger)
November: Ewigkeit 1. Chr 16,36 (Frey-Anthes)
Dezember: Menschwerdung Joh 1,14 (Lenz)

Neu hinzu kommt eine Reihe von Lectio-continua-Gottesdiensten über die Texte der Urgeschichte von 1. Mose 1 bis 1. Mose 13, jeweils ein Gottesdienst pro Ausgabe.

Selbstverständlich bleiben wir auf unserer Webseite aktuell (pastoralblaetter.de). Dort finden Sie – bei wesentlichen Anlässen wie Corona-Pandemie, Krieg gegen die Ukraine – aktuelle Impulse, Gebete, Andachten oder Gottesdienste. Ebenso weise ich Sie wieder auf unser umfangreiches Archiv hin, in dem Sie nach Bibeltexten, Kasualien, bestimmten Sonntage oder Themen suchen und fündig werden.

In dieser, insbesondere dem Thema „Frieden“ gewidmeten ersten Ausgabe 2023 weise ich Sie besonders auf die eindrückliche vierfache persönliche Replik auf die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen im September in Karlsruhe hin.
Ihnen allen wünsche ich ein kreatives, wenig belastetes, gesundes Jahr in Frieden. Herzlich danke ich für Anregungen, Hinweise, Kritik und Gebete, die alle an den PASTORALBLÄTTERN Beteiligten erreichten und einzelnen gegolten haben. Wenn wir eines im letzten Jahr gelernt haben, dann ist es der Wert der Gemeinschaft.

Gerhard Engelsberger

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