Der Monatsspruch im Oktober 2016

Wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.
2. Korinther 3,17

Ist die Bibel nicht ein wunderbares Buch? Ist ein Buch, in dem der Geist der Freiheit weht, nicht ein wunderbares Buch? Ist unsere Religion nicht überhaupt eine wunderbare Religion? Eine Religion nämlich, in der der Geist Gottes sich als Freiheit zeigt.
Ja, die Religionen, die mit der Bibel verbunden sind, sind Religionen, denen wir viel verdanken. Wundervolle Sätze mit einem hohen Beruhigungspotenzial finden sich in den biblischen Büchern. Zu den bekanntesten Zeilen zählen solche aus dem Psalm 23. „Der Herr ist mein Hirte“, heißt es da. Und weiter: „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück, denn du bist bei mir.“ Andere Beispiele für Trost oder Ermutigung finden sich im Matthäusevangelium, wo wir z. B. lesen können: „Lernt von den Lilien auf dem Feld, wie sie wachsen: Sie arbeiten nicht und spinnen nicht, ich sage euch aber: Selbst Salomo in all seiner Pracht war nicht gekleidet wie eine von ihnen.“ (Mt 6,28f) Oder im 1. Johannesbrief, Kapitel 4. Da lautet Vers 8: „Wer nicht liebt, kennt Gott nicht; denn Gott ist Liebe.“

Vielleicht hat jeder und jede von Ihnen Lieblingsstellen in der Bibel, Abschnitte, an denen man irgendwie hängt. Lieblingsstellen, die den Lieblingsstücken im Kleiderschrank ähneln. Sachen, in denen man sich einfach wohlfühlt. Man weiß um ihre Schwachpunkte, aber man mag deshalb noch lange nicht lassen von ihnen. Texte und Textilien gibt es, die gehören zu einem wie eine zweite Haut, die passen zu einem, die bringen einen gut zur Geltung. An diesen Lieblingsstücken und Lieblingsstellen hat man seine Freude und ist vielleicht sogar ein bisschen stolz darauf, obwohl man sehr wohl weiß, dass es als verpönt gilt, stolz zu sein.
Es fällt uns in der Regel nicht leicht, die Freude an etwas, das zu uns gehört, zu zulassen. Wir möchten keinem Hochmut frönen. Wir möchten anderes nicht abwerten. Wir möchten auch die Schattenseiten dessen, was uns freut oder gar stolz macht, nicht verleugnen. Wir wissen ja zu gut, dass die Geschichte des Christentums nicht nur eine Freiheitsgeschichte ist. Oft genug musste die Freiheit sogar gegen Instanzen der christlichen Religion erkämpft werden. Menschen, die sich als Christen und Christinnen verstanden, traten nicht immer für Freiheit ein.
So gab es in Deutschland evangelische Christen, die im Herbst 1933 den Austritt Deutschlands aus dem Vorläufer der UNO, den Austritt aus dem Völkerbund begrüßten. Das ist nur ein Beispiel für das Bündnis zwischen Unfreiheit und unserer religiösen Tradition. Die Liste der Schwachpunkte unserer Religion ist erdrückend lang. Wir können darüber vergessen, dass wir auch eine andere Liste verfassen können. Eine Liste der Bündnisse, die die biblischen Religionen mit der Liebe zur Freiheit eingegangen sind.
Manchmal muss man sehr genau hinsehen, um zu entdecken, wo und wie genau der Geist Gottes Menschen zur Freiheit ermutigte. Oft aber ist das offenkundig. Die Geschichte der biblischen Religionen als Befreiungsgeschichte beginnt mit dem Auszug der Kinder Israels aus Ägypten. Sie hat einen ihrer Höhepunkte in der Bewegung südafrikanischer Christen gegen die Unterdrückung schwarzer Südafrikaner. Der Friedensnobelpreisträger Bischof Tutu war einer der Repräsentanten des Kampfes gegen die Apartheid. Immer wieder berief er sich dabei auf die Bibel. Das schenkte ihm Gewissheit, aber nicht Selbstgerechtigkeit. Von Tutu fand ich folgendes Gebet: „Lieber Gott, wenn ich Unrecht tue, hilf mir meinen Fehler zu sehen. Und wenn ich Recht habe - hilf mir, bitte, dass man mich ausstehen kann.“

Die letzte Bitte möchte ich abwandeln zu der Bitte um die Fähigkeit, uns über den Geist der Freiheit in unserer Religion so zu freuen, dass andere sich dadurch nicht verletzt fühlen, sondern uns weiterhin ausstehen können. Die letzte Bitte möchte ich abwandeln zu der Bitte um die Fähigkeit, uns an unseren Lieblingsstellen der Bibel so zu freuen, dass Menschen aus anderen religiösen Kulturen weiter gern mit uns kooperieren.
Quellen: https://www.radio-utopie.de/2009/08/31/tutus-gebet/

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