Heiter auf dem Heimweg – Ansprache zur Goldenen Hochzeit

Als vor 1950 Jahren der Apostel Paulus zum ersten Mal in seinem Leben nach Athen kam, da traf er eine Situation an, die der unseren gar nicht so unähnlich ist.
Die Griechen, hochgebildet, philosophisch geschult, dort - und nicht in Rom - liegt ja auch die Wiege der europäischen Kultur, die Griechen waren allerdings etwas vorsichtiger in ihren Meinungen und deshalb etwas toleranten als wir.
Jedenfalls hatten die Menschen in Athen für jeden der Götter, die ihnen bekannt waren, einen Altar aufgestellt. Damit ja nichts schief geht. Damit ja kein Gott - sollte es ihn wirklich auch geben - beleidigt sein könnte. Und sie hatten noch einen weiteren Altar gebaut, zur vollkommenen Sicherheit. Den widmeten sie „dem unbekannten Gott".

Paulus, geschickt, wie er im Erkennen von Situationen war, stellte sich auf den Markt und begann zu predigen. Und er griff dabei diesen Altar auf, der dem unbekannten Gott gewidmet war. Und sagte: Ich kann euch ja gut verstehen, ihr Männer und Frauen von Athen. Ihr wollt es besonders gut machen.
Die Apostelgeschichte fährt dann mit der Rede des Paulus fort:
„Gott, der die Welt gemacht hat und alles, was darin ist, er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind. Auch lässt er sich nicht von Menschenhänden dienen, wie einer, der etwas nötig hätte, da er doch selber jedermann Leben und Odem und alles gibt. Und er hat aus einem Menschen das ganze Menschengeschlecht gemacht, damit sie auf dem ganzen Erdboden wohnen, und er hat festgesetzt, wie lange sie bestehen und in welchen Grenzen sie wohnen sollen, damit sie Gott suchen sollen, ob sie ihn wohl fühlen und finden könnten; und fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir; wie auch einige Dichter bei euch gesagt haben: Wir sind seines Geschlechts."

Und da sind wir bei eurem Trautext: „Fürwahr, er (Gott) ist nicht ferne von einem jedem unter uns. Denn in ihm leben und weben und sind wir." Wir glauben: Gott hat uns ein Fenster geöffnet zu seiner Fülle. Nun seid ihr mit eurem Leben gefragt, ob das zu spüren war, dass wir in ihm leben und weben und sind; und dass er keinem von uns fern ist. Das wäre ja Segen: Bei allem Leben und Weben - das geht ja durchaus auf und ab, in Gott bleiben. Aus dieser Fülle des Segens nicht herausfallen.

Es häufen sich in diesen Jahren die Goldenen Hochzeiten. Die Jahrgänge mit den Kriegshochzeiten sind vorbei. Es sind die Goldenen Hochzeiten derer, die Krieg und Gefangenschaft überlebt haben. Das werden immer mehr. Dennoch, Goldene Hochzeiten sind immer noch im Leben einer Gemeinde etwas ganz Besonderes.
Zwei Menschen war ein langer Atem geschenkt.
Zwei Menschen war es geschenkt, ein wichtiges Versprechen zu halten.
Es waren in den vergangenen Jahren keine verknöcherten Paare dabei, aufgerieben in Streitereien und dennoch beieinander geblieben. Es waren alles Ehepaare, die miteinander älter geworden sind, miteinander alt werden durften. Und alle haben sie gestrahlt, wie Sie heute strahlen. Es scheint fast, als ob die Verheirateten länger jung blieben. Als ob die Verheirateten mehr zu lachen hätten.

Biografisches

Es ist schön, dass es Sie beide gibt. Dass die Gesundheit leidlich stabil ist. Dass Sie gute Nachbarn und Freunde haben. Dass Sie die innere Freude am Leben bewahrt haben.
Gott hat Ihnen Kinder und Enkel geschenkt.
Gott hat Ihnen eine lange gemeinsame Ehe geschenkt.
Gott hat Ihnen Frieden geschenkt mit den Menschen.
Sie leben nicht im Streit.
Sie haben ein eigenes Dach über dem Kopf.
Saft und Wein im Keller. Sonne im Herzen.
Jeweils einen lieben Menschen an Ihrer Seite.

Das ist Segen.
So einfach sieht das die Bibel.
An so einfachen Dingen erkennen Menschen, dass sie in Gott leben und weben und sind, weil er keinem ferne ist.

Sie sind im Herbst des Lebens.
Wenn man die Farben sehen und die Gerüche riechen kann, wenn man einen Sinn für die Natur hat, dann ist der Herbst eine heitere, eine schöne Jahreszeit.
Vor Jahren habe ich einige Sätze über den Herbst, über den Herbst des Lebens geschrieben:

„Herbstzeit lädt ein zur Melancholie.
Sanftes Schwingen zwischen Glück und Trauer.
Der Herbst ist mit einer wehmütigen Poesie beschenkt.
Ist vertan, was fällt?
War unnütz, was nun abgeschnitten
und gebündelt darauf wartet,
abgeholt zu werden?
Ist es vertan, wenn der Adler fünf statt zwei Kreise zieht und die Luft unter den Flügeln genießt?
Ist es vertan, wenn das Kind sich im Spiel vergisst?
Ist es vertan, wenn der Liebende liebt ohne Blick auf die Uhr?
Ist es vertan, wenn ich den Wecker abstelle,
den Traum weiterträume bis zum guten Ende?
Begreife ich Zeit als Geschenk,
dann ist nichts vertan,
was den Druck nahm, mir Freude machte,
was ich genossen habe, was gut war und gut tat,
was mich erleichterte, bei dem ich einatmen
und mich so sein lassen konnte,
bei dem etwas aufblitzte von Ewigkeit.
Keine Freude war zu viel, die ich einem anderen bereitete.
Kein Brief war überflüssig, auch wenn ich ihn nicht abschickte.
Kein Lächeln war zu lang, auch wenn es auf Mauern stieß.
Kein Lied, das ich zehnmal sang,
kein Gedicht, das ich tagelang in mir trug,
kein liebes Wort, auch wenn es keiner hörte.
Nichts war vertan, nichts ist vertan.
Gott hat mir alles geschenkt.
Nichts ist vertan. Ich bin es, der es lebte.
Nichts ist vertan. Gott war es, der es schenkte.
Ich mache mich heiter auf den Heimweg."
(Gerhard Engelsberger, Wunde Seele - aufrechter Gang, Stuttgart 1998, S. 139)

Ich mache mich heiter auf den Heimweg.
Sie sind sich gegenseitig Heimat.
Und Gott ist Ihnen nicht fern.
Dass es das gibt, das ist ein Segen.

Gebet:
Sie sind aufgeregt, lieber Vater,
nach so vielen Jahren sind sie aufgeregt,
als ob sie noch zwanzig wären.
Dabei hast du ihnen Leben und Glück und Segen
geschenkt
aus der Fülle deiner Liebe.
Das ist ein großer Tag für sie.
Das ist ein großer Tag für die Familie.
Das ist auch ein großer Tag für unsere Gemeinde,
wenn ein vor dir gegebenes Versprechen gehalten hat.
Dir danken wir.
Mit ... und ... freuen wir uns.
Deiner Gnade und der Liebe dieser beiden
machen wir ein Fest.
Und du lässt dich nicht zweimal bitten, Gott,
du feierst mit.

Liedvorschläge: 322,1-5 (Nun danket all und bringet Ehr)
171,1-4 (Bewahre uns Gott)

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