Von allen Seiten umgibst du mich (Taufansprache)

„Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir." (Psalm 139,5)

Sein Mantel deckt ihn warm und gut. Der heilige Martin sitzt hoch zu Ross. Edel sieht er aus mit seinem Mantel, ein bisschen stolz auch. Vom Mantel eingehüllt ist Martin geschützt vor Wind und Wetter, vor Schnupfen und Erkältung. Ähnlich gut eingemummt schläft unser kleiner Täufling in seiner Decke, schön warm und geborgen. Dass er nur nicht friert! Instinktiv sorgen Eltern für die richtige Wärme. Sie tun alles, um ihr Kind zu schützen vor Krankheit und Gefahren. Sie tun alles, was in ihrer Macht steht, und bringen ihr Kind zur Taufe. Dazu haben sie einen Taufspruch ausgewählt, ein Gebet: Von allen Seiten umgibst du mich. Der Täufling soll sich auf seine Eltern verlassen können, dass die immer für ihr Kind da sind. Eltern kennen das Leben. Sie wissen von eigenen Schwächen. Patentanten und Patenonkel stehen ihnen zur Seite. Und doch fürchten sie, ihrem Kind etwas schuldig zu bleiben. Deshalb beten Eltern für ihr Kind: Von allen Seiten umgibst du mich, Gott. Vertrauen auf Gottes Nahesein, darum geht es in der Taufe. Und Gott ist nahe in der Fürsorge und Liebe der Eltern zu ihrem Kind genauso wie in Wind und Wetter des Lebens, wenn die ersten Abnabelungen anfangen im Kindergarten und in der Schule. Gott ist nahe später, wenn die Eltern peinlich werden. Von allen Seiten umgibst du mich. Mit der Taufe verbindet sich Gottes liebevolle Zuwendung wie ein Mantel, in den sich ein Mensch hüllt und der ihn wärmt und schützt.
Im alten Rom gab es das Mantelschutz-Gesetz. Schwache, arme, hilflose Menschen durften sich dem persönlichen Schutz eines Starken und Mächtigen anvertrauen. Der hatte ganz für seinen Schützling einzustehen, nicht weniger, als er es für sich selbst tun würde. Als Zeichen dafür breitete der Schutzherr seinen eigenen Mantel über den Schützling aus. Von da an stand er unter seinem Mantelschutz, komme, was da wolle. Die Taufe dürfen wir uns wie so einen Mantel vorstellen. Nur, er ist kein Zaubermantel. So gern wir mit kräftigem Simsalabim alle Probleme, Krankheiten, Katastrophen von uns und unseren Lieben fernhalten möchten, die Wirklichkeit ist keine Zauberei. Im Katholischen gibt es Bilder von Maria mit einem weiten Mantel, unter dem sie die Christenmenschen birgt. „Schutzmantelmadonna" wird diese Darstellung von Maria in der christlichen Kunst genannt. So dürfen wir es uns vielleicht vorstellen. Zur Taufe können wir uns flüchten. Auf die Taufe können wir immer zurückkommen und uns erinnern an Gottes Versprechen. Von allen Seiten umgibst du mich wie ein Schutzmantel.

Wer auf die Taufe vertraut, der hat Ausstrahlung. Wie Martin hoch zu Ross sieht er irgendwie edel aus und darf stolz darauf sein, dass er getauft ist. Die Geschichte von Martin geht bekanntlich weiter. Auf seinem winterlichen Ausritt trifft er am Wegesrand auf einen armen, nur mit ein paar Lumpen bekleideten Bettler. „O helft mir doch in meiner Not, sonst ist der bittre Frost mein Tod." Martin zieht die Zügel an, lässt sein Pferd still stehen. Ohne Zögern teilt er mit dem Schwert seinen Mantel und gibt die Hälfte ab. Noch ehe der Bettler ihm danken kann, reitet Martin „in Eil hinweg mit seinem Mantelteil". Wie die Bettler sind wir angewiesen auf Zuwendung, auf Menschen, die uns sehen. Wir sind angewiesen auf die, die mit uns leben und die instinktiv für die richtige Wärme sorgen. Manchmal müssen wir danach schreien, darum bitten und beten, weil wir so frieren. Wo ist mein Nest? Wo kann ich mich gesund entfalten? Wo und bei wem finde ich Geborgenheit?
Patentante, Patenonkel, hört ihr das Bitten eures Kindes? Hört ihr euer eigenes Gebet? „Gott du, deines Mantels Saum möchten wir berühren", heißt ein Lied von Jörg Zink und Hans-Jürgen Hufeisen. Die Taufe ist wie so eine Annäherung. Wir berühren den Saum seines Mantels. „Sprich, du Naher, unserm Leid nur ein Wort leise, eins, das uns in Angst und Not den Frieden weise. Gott, in deines Mantels Saum unsre Armut hülle." Erzählt eurem Patenkind von dem Bettler und vom heiligen Martin! Und wechselt auch mal die Seite vom Bettler hin zum Part des heiligen Martin. Übt gemeinsam, zu teilen. Werdet mit eurem Patenkind aufmerksam auf den Nächsten, der nach Wärme und Geborgenheit schreit.

Die Bibel erzählt von einer Frau, die zwölf Jahre lang sehr krank war. Als Jesus durch ihr Dorf kommt, treibt sie die Sehnsucht, gesund zu werden, zu ihm. Sie denkt sich, wenn ich doch nur den Saum seines Mantels berühren könnte, so würde ich gesund. Sie schlägt sich durch die Menschenmenge bis zu Jesus durch und berührt seinen Mantelsaum. Jesus spürt das und dreht sich um. Er sagt: Dein Glaube hat dir geholfen. Und die Frau wurde gesund. Übt mit eurem Patenkind, euch durchzuschlagen durch die Menge an Zweifel und Gleichgültigkeit. Kommt auf die Taufe zurück. Zündet die Taufkerze an und erinnert euch. Nähert euch von Neuem an und berührt den Saum des Mantels, den die Taufe verspricht. Von allen Seiten umgibst du mich.

Gebet:
Gott, du schenkst Leben, das volle Leben!
Dankbar wollen wir es hüten und bewahren.
Wir danken dir für dieses Kind.
Wir danken dir für die Freude und für jedes Lachen,
das mit ihm in unsere Welt kommt.
Die Taufe macht uns stark, Verantwortung zu übernehmen
für dieses Kind und für alle, die auf unsere Sorge
angewiesen sind.
Schenke ihm ein fröhliches und gesundes Aufwachsen.
Eltern, Paten, Familie und Gemeinde sind dabei.
Und du umhüllst sie mit deiner Liebe.
Darauf vertrauen wir.

Liedvorschläge: St. Martin ritt durch Schnee
133,1-4 (Zieh ein zu deinen Toren)
420 (Brich mit den Hungrigen dein Brot)

Anzeige:  Herzschlag. Etty Hillesum – Eine Begegnung. Von Heiner Wilmer

Die Pastoralblätter im Abo

Gottesdienste komplett und fundiert vorbereiten.

Zum Kennenlernen: 2 Ausgaben gratis

Jetzt testen