„Theologie ist Hermeneutik des Glaubens, Glauben aber eine Weise des Verstehens, und zwar nicht etwa einzelner Glaubensaussagen oder Glaubenszeugnisse, sondern der menschlichen Existenz in ihrem Gottes- und Weltbezug.“ Ausgehend von dieser Grundbestimmung entfaltet der evangelische Systematiker
Ulrich Körtner Aspekte theologischer Hermeneutik. Am Anfang stehen Überlegungen zu Dimensionen des Verstehens und zum Stellenwert theologischer Hermeneutik. Weitere Beiträge beschäftigen sich mit Implikationen theologischen Verstehens, etwa mit dem Verhältnis von Christusbild und darstellendem Handeln, mit Bezug vor allem auf
Friedrich Schleiermacher.
Der beachtenswerte Überblick lässt Ansätze zum Verständnis der mystischen Dimension des Glaubens in der Wort-Gottes-Theologie des 20. Jahrhunderts Revue passieren. Das Spektrum reicht von Emil Brunners Buch „Die Mystik und das Wort“ über Friedrich Gogarten und Rudolf Bultmann bis zu Paul Tillich. Tillich zeichne im Gegensatz zur Dialektischen Theologie die Grundzüge einer zeitgemäßen protestantischen Mystik, die in der paulinisch-reformatorischen Rechtfertigungslehre ihr Kriterium habe. Zusammenfassend hinterfragt Körtner die Neubewertung der Mystik im deutschsprachigen Protestantismus, etwa im Blick auf die aus reformatorischer Sicht unerlässliche Bedeutung der Christozentrik oder der kirchlichen Gemeinschaft: „Kommunikation des Evangeliums ist gemeinschaftsstiftend und vollzieht sich in Gemeinschaft.“
Der Band mündet in einen Ausblick auf das angemessene Verständnis eschatologischer Aussagen, wobei Körtner den fragmentarischen Charakter aller Hoffnungsbilder betont, und auf die „Christliche Sokratik“ in Auseinandersetzung mit Emil Brunner, Karl Barth und Rudolf Bultmann. Es sei die Aufgabe heutiger Theologie, die biblische Rede von der Verborgenheit Gottes begreiflich zu machen als Verheißung, „dass weder die moderne Skepsis noch ein um sich greifender Gewohnheitsatheismus das letzte Wort haben werden“. Er appelliert, nicht vorschnell auf Religion als Zentralthema auszuweichen und dadurch die Potenziale der christlichen Offenbarung aus dem Blick zu verlieren. Dieser Appell ist zumindest bedenkenswert.