Katholische KircheSprachlosigkeit heißt Bedeutungslosigkeit

Die grauenerregenden Vorgänge in Israel haben seit dem Wochenende die Teile der Welt erschüttert, die solidarisch zum jüdischen Staat stehen. Im Gewirr der Stimmen, die sich zu den Terrorangriffen der Hamas äußersten, haben sich auch die Kirchen und Papst Franziskus geäußert. Beim Vatikan, der für sich beansprucht, noch immer ein „Global Player“ zu sein, sollte man genau auf den Wortlaut achten.

Wenzel Widenka
© Florian Nütten

„Die Angriffe und Waffen mögen anhalten, bitte! Und alle mögen einsehen, dass Terrorismus und Krieg zu keiner Lösung führen.“ Soweit Twitter- und Sonntags-Botschaft des Papstes. Andere Kirchenvertreter wurden weitaus deutlicher und benannten klar den Aggressor. Doch auch bei den erfreulich eindeutigen Statements kamen viele nicht umhin, von Beidseitigkeit auszugehen und Empfehlungen für die Lösung des Nahostkonfliktes abzugeben.

„So lässt sich die komplexe Konfliktkonstellation zwischen Israel und Palästina nicht lösen“, befand beispielsweise der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer. Mit Verlaub: Nichts am Terror des Wochenendes ist komplex, sondern von erschreckender Eindeutigkeit. Die Hamas ist eine Terrororganisation, die den Gazastreifen völlig unabhängig von der Palästinensischen Autonomiebehörde kontrolliert und keinen Hehl daraus macht, dass ihr Ziel die Vernichtung Israels und der Tod seiner jüdischen Einwohner ist. Sie ist kein Dialog- oder Verhandlungspartner für eine wie auch immer geartete Lösung des Nahostkonfliktes und kein Faktor, der in einer Zukunft der Region eine Rolle spielen darf.

Dass die katholische Kirche versucht, beide Seiten zur Mäßigung aufzurufen, als wären diese auf einer Art „Augenhöhe“, wiederholt das fatale Signal in der vatikanischen Stellung zum Ukrainekrieg, der als „Ringen unter Brüdern“ grotesk verzerrt wurde. Papst Franziskus hat in seinem letzte Woche veröffentlichtem Schreiben „Laudate Deum“ eine „neue Diplomatie“ gefordert, da die „alte“ Form der Geheimgespräche an ein Ende gelangt sei. Jahrelang war es Ziel der vatikanischen Diplomatie, sich alle Gesprächskanäle offen zu halten und so agieren zu können. Das funktioniert aber nur, wenn man noch als „Global Player“ anerkannt wird. Heute ist kaum anzunehmen, dass Rom sein symbolisches und moralisches Gewicht in die Waagschale werfen kann. Die Stellung des Vatikans ist nicht dieselbe wie noch vor Jahrzehnten.

Nach bisherigem Erkenntnisstand konnte Israel überrascht und überfallen werden, weil es sich durch interne Konflikte zu sehr mit sich selbst beschäftigte. Eine zynische Analogie zur katholischen Kirche, die gerade dasselbe tut? Damit fiele sie aber als politischer Akteur aus, zumal sie noch keinen Beweis einer „neuen Diplomatie“ erbracht hat. Nuntii, die mit Gestalten wie Hamas-Chef Ismail Haniyya oder Hisbollah-Führer Hassan Nasralla verhandeln? Wollen wir hoffen, dass diese nur schwer vorstellbaren Konstellationen gerade wirklich laufen. Ansonsten bliebe Franziskus‘ Statement allenfalls naiv. Wenn das alles ist, was er zu dem Thema zu sagen hat, kann man Rom aus dem Kanon der relevanten Akteure getrost streichen.

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