PolitikStrafgesetz, Lebensschutz und reproduktive Selbstbestimmung

In ihrem Koalitionsvertrag hat die Berliner Ampel-Regierung auch neue Regelungen rund um Schwangerschaften ins Auge gefasst. Stichwörter sind Abtreibung, Eizellspenden und Leihmutterschaft. Für eine entsprechende Expertenkommission wurden jüngst Namen bekannt. Und erste kritische Stimmen wurden laut, ob das Gremium unvoreingenommen arbeiten werde.

Der Reichstag in Berlin
© Pixabay

Als in der vergangenen Woche die Namen jener bekannt wurden, die Mitglied der Kommission zur Abtreibungsfrage werden sollen, waren die Frauen der Grünen-Bundestagsfraktion schon in Feierlaune. Denn just an dem Tag trafen sie sich bei einer Veranstaltung zu 40 Jahren grüner Frauenpolitik. Und die grüne Familienministerin Lisa Paus verkündete, dass einige der für die Kommission nominierten Juristinnen an dem Abend mit dabei seien. An dem Abend war dann sehr viel vom Selbstbestimmungsrecht der Frau die Rede, aber sehr wenig vom Schutz des ungeborenen Lebens.

Vor allem die Grünen wollen Ernst machen mit einer Kommission, auf die sie sich zusammen mit SPD und FDP im Koalitionsvertrag verständigt haben: die "Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin", wie der offizielle Titel des Gremiums lautet. Sie soll sich mit möglichen Regelungen zur Abtreibung außerhalb des Strafgesetzbuches befassen. Aber auch mit einer möglichen Legalisierung von Eizellspenden sowie nicht-kommerzieller Leihmutterschaft.

Zur Erinnerung: Nach derzeitiger Gesetzeslage in der Bundesrepublik Deutschland ist ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich rechtswidrig. Er bleibt jedoch straflos, wenn er in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird. Zudem muss die schwangere Frau sich zuvor beraten lassen, auch müssen zwischen Beratung und Abbruch mindestens drei Tage liegen. Ausdrücklich nicht rechtswidrig ist eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahr für das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.

Vor allem Paus machte bereits im Vorfeld ihren Standpunkt klar: Ihr geht es in der Abtreibungsfrage nicht um "das Ob", sondern "um das Wie" einer Regelung außerhalb des Strafgesetzbuches. Deswegen seien auch viele Juristinnen an der 18-köpfigen Kommission beteiligt. Ihr Kollege, Justizminister Marco Buschmann, warnte demgegenüber davor, sich schon vorher festzulegen. Die nun ernannte Kommission solle unabhängig prüfen.

Schwierig ist schon allein der Begriff "reproduktive Selbstbestimmung" - weil er von Gruppen unterschiedlich ausgelegt wird. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird als "reproduktive Selbstbestimmung" in erster Linie die freie Entscheidung zur Elternschaft sowie über deren Zeitpunkt und die Anzahl der Kinder bezeichnet.

Einige Gruppen verstehen darunter, dass damit auch ein Recht auf Abtreibungen verbunden sei. Das ist aber keineswegs der Fall. Nach Angaben von Experten gibt es keinen internationalen Menschenrechts- oder sonstigen internationalen Vertrag, der ein allgemeines "Menschenrecht auf Schwangerschaftsabbruch" oder eine entsprechende Verpflichtung von Staaten vorsieht.

Bei der Vollversammlung der katholischen Bischöfe in Dresden positionierte sich denn auch der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Georg Bätzing, bereits klar und deutlich. Er warnte vor einer neuen gesellschaftlichen Polarisierung. Dass eine Streichung des Abtreibungsparagrafen 218 StGB das verfassungsrechtlich garantierte Lebensrecht des ungeborenen Kindes in gleicher Weise oder besser schützen solle als die gegenwärtige Regelung, sei für ihn nicht einsichtig.

Zugleich mahnte er die Gesellschaft und insbesondere die politisch Verantwortlichen, den in der derzeitigen Regelung gefundenen Kompromiss nicht ohne triftigen Grund aufs Spiel zu setzen. Das Grundgesetz schütze sowohl Selbstbestimmung und Gesundheit der Frau als auch das ungeborene Kind als selbstständiges Rechtsgut. Zugleich rief er die Kommission dazu auf, eine sorgfältige Prüfung vorzunehmen. Und: Auch die Kirche werde sich weiter an der Debatte beteiligen.

Wie unvoreingenommen die Kommission wirklich ist, darf mit Blick auf ihre Zusammensetzung zumindest angezweifelt werden. Schon allein, dass viele Mitglieder mit den Grünen feierten, wirft Fragen auf. Zu dem Gremium gehört etwa die Vorsitzende des Deutschen Juristinnenbundes, Maria Wersig. Der Juristinnenbund hatte bereits ein Gutachten erstellt, wie Paragraf 218 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden könnte.

Ende März soll sich die Kommission konstituieren und ein Jahr später Ergebnisse vorlegen, "damit noch mögliche Reformen in dieser Legislatur auf den Weg gebracht werden können", wie es seitens der Bundesregierung heißt.

Von Birgit Wilke
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